Auge in Auge mit virtuellen Kunden 
Learning Realities in der Volksbank mit einem ganz besonderen VR-Coaching

Mit VR zum Beratungserfolg – Gesprächssituationen mit eLearning zu schulen, ist notorisch schwierig. In dem Projekt gelang es jedoch mit Hilfe von VR und ausgeklügelten Simulationen ein authentisches und immersives Lernerlebnis zu schaffen.

Die Bankberaterin setzt die VR-Brille auf. Ein Kunde kommt in der Bankfiliale die Treppe hinunter und begrüßt sie mit einem etwas skeptischen Blick. Ein Gespräch beginnt, in dem das Verhalten des Kunden nicht immer so ist wie erwartet: Unvorhergesehene Fragen und Einwände bringen die Beraterin aus dem Konzept. Sie muss schnell und spontan reagieren. Verschiedene Reaktionen erzeugen verschiedene Folge-Situationen: Ein wirklich hautnahes Lernerlebnis.

Die Volksbank Akademie ist die Weiterbildungseinrichtung für die rund 3.600 Mitarbeiter:innen der österreichischen Volksbanken. Seit Jahren geht sie einen ungewöhnlichen Weg: Virtual Reality wird hier gerade nicht eingesetzt, um den Umgang mit Dingen und Maschinen einzuüben, sondern gerade im „weichen” Bereich. VR-Brillen ermöglichen hier realitätsnahe Simulationen von typischen Beratungssituationen, in denen menschliche Sozialkompetenzen und Soft Skills gefragt sind.

Lernbedarfe

Einwandbehandlung in Kundengesprächen ist besonders vielschichtig und erfordert ein breites Repertoire an Softskills, um spontan und doch zielführend zu reagieren. Bislang gibt es vor allem zwei Wege, solche komplexen Kompetenzen zu trainieren: Man kann mit Skripten, eLearning oder auch mit Frontalunterricht versuchen, die dahinterstehenden Modelle zu verstehen und sich einzuprägen. Und man kann die eigentlichen Abläufe möglichst realitätsnah in Rollenspielen trainieren, in denen Andere die Rolle der Kund:innen spielen.

Das hat mehrere Nachteile: Erstens bleiben die Grundsätze, wenn man sie nur lesend oder zuhörend lernt, recht formelhaft. Die lebendige Situation ist ganz anders: Hier kommt es gerade darauf an, authentisch und spontan zu agieren. Ein klares Gerüst ist gut zur Orientierung, aber wenn es zu sehr durchscheint und das Verhalten prägt, tritt gerade der gegenteilige Effekt ein. Und auch Rollenspiele sind nicht ideal: Man weiß doch immer, dass das Gegenüber kein realer Kunde ist. Die Szene bleibt theatralisch, man spielt etwas vor. Getrennt von der realen Arbeitsumgebung fällt es schwer, sich wirklich in eine authentische Gesprächssituation einzufühlen.

Virtuelle Realität (VR) bietet nun die Möglichkeit, das Ganze viel realistischer zu gestalten und die Grenzen zwischen Lernraum und Spielraum aufzuheben. Mit VR-Technik kann man eintauchen in eine virtuelle Umgebung, die der realen Situation in den Filialen genau nachempfunden ist.

Gesprächssituationen wirken dann besonders real, wenn – wie hier – menschliche Schauspieler:innen die verschiedenen Kundentypen verkörpern. Die aufgezeichneten Bewegungen, Blicke und Äußerungen wirken dann so dreidimensional und lebendig, als ob man im selben Raum wäre. Bisher wurde das nur zur Demonstration verwendet. Coaches konnten den Ablauf unterbrechen, um Faustregeln zu geben, auf wichtige Details aufmerksam zu machen oder nach konkreten Eindrücken zu fragen.

Mit einem neuen VR- System waren 2021 die technischen Voraussetzungen gegeben, um noch einen entscheidenden Schritt weiterzugehen: Nun können nämlich die virtuellen „Kunden”, deren mögliche Verhaltensweisen und Aussagen vorher aufgenommen worden sind, auch direkt auf die Anwesenheit und die Kommunikationen der Kundenberater:innen reagieren. So entsteht ein Gespräch mit einer virtuellen Figur, die „mitspielt”.

Zielgruppe der Anwendung waren Kundenberater:innen. Zusammengefasst waren die Anforderungen folgende:

  • die Vermittlung von Handlungsalternativen in der Produktargumentation, der Einwandbehandlung und beim Vertragsabschluss;
  • ein Fokus auf Softskills und Sozialkompetenz;
  • möglichst hoher Realitätsgrad, um intensives Eintauchen („Immersion”) zu erreichen;
  • eine Kombination aus VR, realem Coaching und eLearning-Elementen, die zusammen eine hochwertige Lernerfahrung ergeben.

Projektumsetzung

In Bezug auf „Virtual Learning Realities” arbeitete die Volksbank Akademie seit 2018 mit der Wiener eLearning-Agentur CREATE zusammen. Nun wurde gemeinsam der Sprung auf ein neues Level vollzogen. Dabei konnte man auf der vorigen Stufe aufbauen: CREATE hatte schon vorher typische Beratungssituationen in der Bank in realitätsnahen VR-Aufzeichnungen umgesetzt und interaktiv aufbereitet. Diese virtuellen Beratungsgespräche dienten aber erst einmal nur als Demonstrationsmaterial, die Teilnehmer:innen blieben noch in der Beobachterrolle.

Mit dem Upgrade auf die zweite Version des „cXR VR Coach” wurde es dann technisch möglich, daraus ein wirklich immersives Lernerlebnis zu machen. „Immersion” meint hier das Eintauchen in eine virtuelle Umgebung, die so vollständig ist, dass man die Wahrnehmung hat, selbst dort anwesend zu sein. Ermöglicht wird das durch die Kombination von 360°-Videos, räumliche Ton-Effekte, 3D-Filmsequenzen mit echten Menschen und die besondere Verknüpfung z.B. von Blickrichtung und den Reaktionen der virtuellen Figuren. Auf diese Weise kann bereits das nonverbale Verhalten der Nutzer:innen zu ganz individuellen Verläufen führen.

Die Trainings finden in Anwesenheit einer coachenden Person in einer Volksbank-Filiale statt, aber grundsätzlich ist es auch möglich, dass Coaches sich dabei von einem ganz anderen Ort zuzuschalten. Und auch die VR-Medien lassen sich nicht nur im synchronen Vollbildmodus mit VR-Brille nutzen, sondern zusätzlich etwa auch via Browser oder Smartphone als asynchrones Video innerhalb einer „normalen“ 2D-eLearning Anwendung.

Eine innovative Lerntechnologie macht aber erst Sinn durch das didaktische Konzept. Für das schwierige Thema „Einwandbehandlung“ wurde als Partner die Unternehmensberatung Bankenimpuls mit ins Boot geholt. Bankenimpuls steuerte als Kommunikationskonzept die „VW-BMW“ – Methode bei, die in den verschiedenen Situationen demonstriert und eingeübt wird. Dabei ist es entscheidend zu erkennen, ob sich hinter einer Kundenäußerung im Dialog ein Einwand oder ein Vorwand verbirgt – das erfordert nämlich ganz verschiedene Reaktionen.

Die didaktische Herausforderung bei der Aufbereitung der Trainingsinhalte war es also, nicht nur die richtigen, sondern vor allem auch spontane und authentische Reaktionen herauszufordern. Nur mit einer stabilen positiven Haltung lässt sich ein gutes Gesprächsklima erreichen.

Die Lernenden durchlaufen während des 1-stündigen Coachings mehrere solcher Beratungssituationen. Eingeübt wird etwa der richtige Gesprächsaufbau, deutliche Signale, genaues Zuhören und schnelles, gezieltes Eingehen auf die Kund:innenbedürfnisse, bis hin zur Verabschiedung. Das Coaching erfolgt in der Regel im 1:1 Setting. Die VR-Brille wird nicht immer getragen, sondern immer wieder abgenommen, um die Situationen mit dem Coach reflektieren zu können. Über einen PC hat ein Coach immer Einblick ins Geschehen und weiß, welche Szene die Teilnehmer:in gerade durchlebt.

Lernerfolg

Die Pilotphase wurde von einer Evaluierung begleitet. Teilnehmer:innen bewerteten in qualitativen Interviews zu ihrer User- und Learning-Experience den Inhalt, die virtuelle Welt, die Hardware (Benutzung von Brille und Joystick) sowie die Interaktion mit dem cXR-Coach selbst. Zwei Wochen nach dem Training wurden Reflexionsfragen gestellt, um den Lerntransfer einzuschätzen. Es zeigte sich, dass das Format durchgängig als spannend, cool, innovativ und zukunftsweisend wahrgenommen wurde. Die größte Überraschung: In manchen Teilen wurde das VR-Erlebnis sogar immersiver und authentischer empfunden als das Rollenspiel im Präsenztraining.

Fazit

Die VR-Technologien sind schon einige Zeit verfügbar, aber in der Regel dienen sie dazu, Lagerräume oder Maschinenbedienung zu simulieren. Der didaktische Einsatz zum Erwerb von „weichen” Kompetenzen ist immer noch ein Novum. Man darf gespannt sein, wie dieses Projekt sich weiterentwickeln wird. Ebenso faszinierend wie die überzeugende Umsetzung sind die vielen noch ungenutzten Möglichkeiten, die hier bereits vorgezeichnet sind. Es eröffnet sich eine große Bandbreite zwischen Präsenz und Remote, zwischen synchron und asynchron, zwischen vollem VR-Erlebnis und Teilnahme über Smartphones.

Die Volksbank Akademie und CREATE bahnen hier als Pioniere einen Weg, auf dem die große eLearning-Mehrheit erst in den nächsten Jahren nachfolgen wird. Die Jury gratuliert zum eLearning AWARD in der Kategorie „Coaching”.


Vorgaben & Besonderheiten

Vorgaben:
Alternative zu Präsenz-Rollenspielen, VR für Erwerb „weicher“ Kompetenzen sowie die Nähe zur realen Situationen in Filialen.

Besonderheiten:
Realistische Szenen mit alternativen Pfaden, Schauspieler:innen als „virtuelle Kund:innen“ und der Mix aus VR, realem Coaching und eLearning.


Projektverantwortliche

Volksbank Akademie

Dr. Barbara Czak-Pobeheim
Geschäftsführerin

Volksbank Akademie
Dietrichgasse 25
A-1030 Wien

barbara.czak-pobeheim@volksbankakademie.at
www.volksbankakademie.at

BankenImpuls Consulting GmbH

Jan-Niklas Kilzer
Senior Consultant

BankenImpuls Consulting GmbH
Marie-Brosin-Weg 14
D-32351 Stemwede

Jan-Niklas.Kilzer@bankenimpuls.de
www.bankenimpuls.de

 

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Christoph Schmidt-Martensson
CEO

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