Didaktisches Metamodell steigert Lerneffizienz
Durchdachtes Virtual Reality-Training

Anleitung für das Ausrüsten einer Maschine – Präzises Vorgehen lernen die Mitarbeiter in der virtuellen Realität. Im zweiten von 31 Schritten geht es darum, eine bestimmte Tür um exakt 0,85 Meter zu verschieben. Jeder einzelne Schritt ist simpel und mit einer klaren Handlungsanweisung versehen, sodass auch komplexere Vorgänge Stück für Stück bewältigt werden können.

Der Einsatz von Virtual Reality-Schulungen bringt viele Vorteile für die betriebliche Bildung mit sich. Ganze Lernwelten können kostengünstig projiziert werden und auch das Verhalten von Mitarbeitern kann in einer gefährlichen Arbeitsumgebung simuliert werden. Der Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler nutzt diese bereits seit einigen Jahren. Und hat nun zusätzlich dazu ein didaktisches Meta-Modell entwickelt, um künftig eine noch effizientere Vermittlung von Lerninhalten in VR-Umgebungen zu ermöglichen.

Über 80.000 Mitarbeiter weltweit arbeiten für den Automobil- und Industriezulieferer und Maschinenbauer
Schaeffler. 2020 erzielte das Unternehmen mit seiner Belegschaft einen Umsatz von rund 12,6 Milliarden Euro. Die betriebliche Bildung im internationalen Konzern hat eine entscheidende Rolle inne und soll auch mit dazu beitragen, den Strukturwandel in der Branche engagiert und erfolgreich anzugehen. Und dazu beitragen, immer die richtigen Qualifikationen mit an Bord zu haben. Als großes Unternehmen bringt Schaeffler die Finanzkraft mit, sich auch mit neuen Technologien wie Virtual Reality zu beschäftigen und maximalen Nutzen aus dieser noch recht neuen digitalen Vermittlungsmethode zu zielen.

Lernbedarfe

Schaeffler plant den Einsatz von Virtual Reality-Trainingsmaßnahmen als didaktisch sinnvolle Ergänzung zu den bisherigen Präsenz-, E- und Blended Learn-
ing-Angeboten für unterschiedliche Unternehmensbereiche. Gründe hierfür sind unter anderem die vollimmersiven Schulungsmöglichkeiten und die einfache Verteilung der Schulungen in alle weltweiten Schulungsbereiche. Die VR-Schulungen sollen dabei in der Endausbaustufe ein sehr breites Spektrum abdecken und weltweit in unterschiedlichen Sprachen einsetzbar sein. So soll die Ausbildung sowohl von technischen Mitarbeitern im Bereich der Produktmontage und Maschinenbedienung (z. B. Umrüsten, Reparatur, Bedienung usw.) bis hin zur Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern und für Soft Skill Trainings (z. B. Kommunikation, Personalführung, Stressbewältigung usw.) durch die neue Technologie unterstützt werden.

In der Vergangenheit zeigte sich laut dem Unternehmen zwar, dass die Erstellung von VR-Schulungen problemlos funktionierte, diese aber keinem konkreten didaktischen Ansatz folgten. Zudem konnten die eingesetzten Methoden nicht ohne Weiteres auf weitere Schulungen übertragen werden.

Die Herausforderung war es deshalb, einen generischen Ansatz zu entwickeln, der auf der Basis der modellierten Arbeitsschritte und Arbeitsfolgen und des zu entwickelnden didaktischen Meta-Modells intuitive und lerneffiziente VR-Trainings generiert. Dabei soll das Meta-Modell flexibel und generisch genug sein, um damit die gesamte Problemklasse unterschiedlicher Trainingsszenarien abzudecken und sich auf eine Vielzahl von VR-Trainingsfällen/Schulungen übertragen lassen.

Zur Zielgruppe zählen zunächst vor allem Shopfloor Mitarbeiter, das heißt gewerbliche Mitarbeiter in der Produktion. Ausschlaggebend war hier die Maschinenverfügbarkeit, denn im Produktionsalltag könnnen diese nur sehr eingeschränkt für Schulungszwecke eingesetzt werden. So können Mitarbeiter parallel zur Produktion angelernt werden. Da für diese Mitarbeiter viele technische Schulungen durchgeführt werden müssen und weltweit sehr viel Personal geschult werden muss, wurde diese Mitarbeitergruppe als erstes ausgewählt. Im weiteren Verlauf des VR-Trainingsprojekts sollen sukzessive weitere Mitarbeitergruppen und damit auch Lerninhalte folgen.

Projektverlauf

Das Projekt umfasste mehrere Meilensteine. Zunächst kümmerte sich Materna TMT um die theoretische Recherche aus dem großen Pool der Fachdisziplinen wie Pädagogik (hierbei insbesondere Didaktik), Psychologie, Soziologie und Neurophysiologie. So konnte sich die Projektleitung zunächst einen Überblick über relevante Theorien verschaffen und daraus Parameter für den Fokus auf das betriebliche Lernen ableiten. Im Anschluss wurde so eine Wissenslandkarte konzipiert. Danach erfolgte eine Reduktion auf eine kanonische Wertebasis, sodass eng verwandte Parameter kompakter abgebildet wurden. In einem weiteren Schritt erfolgte die Ausarbeitung und Entfaltung des Herausgearbeiteten in Bezug auf das VR-Training. Anschließend konnte eine prototypische Verprobung von umgesetzten Handlungsempfehlungen in einem VR-Training Sandbox-System erfolgen. Nachfolgend übernahm das Projektteam die Auswahl und Übertragung der Ergebnisse zur Vorbereitung auf die Umsetzung im VR Trainings Produktiv-System. Schließlich konnte der Roll-out der VR-Trainings an Pilot-User erfolgen.

Grundsätzlich handelte es sich um ein Projekt mit agilem Vorgehen. Nach der ersten Recherchephase wurden Ziele definiert und in Sprints auf Seiten der Materna TMT und von Schaeffler abgearbeitet. Dazu gab es regelmäßige (virtuelle) Meetings, in denen Zwischenstände diskutiert und die nächsten Schritte abgesprochen wurden. Am Ende der jeweiligen Sprints gab es ein Review-Meeting, in dem das Ergebnis des Sprints vorgestellt wurde. Abschießend wurden die Ziele des nächsten Sprints definiert und auf die jeweils Verantwortlichen heruntergebrochen. Dabei hat Schaeffler gemeinsam mit Mitarbeitern der Materna TMT das didaktische Modell und die einzelnen Handlungsempfehlungen entwickelt, und die Mitarbeiter von Schaeffler haben die Umsetzung des Authoring-Tools weiter vorangetrieben.

Neben der fachlichen Begleitung durch das Schaeffler-Team aus dem Bereich „Corporate IT & Digitalisierung“ waren auch Verantwortliche aus dem Bereich Schaeffler-Academy während der gesamten Projektlaufzeit involviert. Hierdurch wurde sichergestellt, dass zum einen Erfahrungen und Vorgaben für Trainings berücksichtigt wurden, zum anderen das didaktische Know-how einfließen konnte.

Neben einer permanenten Weiterentwicklung des Authoring-Tools ist zukünftig noch eine Integration in das zentrale Lernmanagement System (LMS) von Schaeffler geplant. Hierdurch können die VR-Trainings direkt über das Intranet gebucht werden und die Ergebnisse sowie Lernstände werden über eine direkte Schnittelle an das LMS übertragen. Schaeffler geht davon aus, dass dieser Schritt für eine weitere Verbreitung und Steigerung der Nutzerfreundlichkeit sorgen wird.

Projektergebnis

Der Lernerfolg der so etablierten VR-Schulungen wird durch Levels/Zertifizierungsstufen sichergestellt. Sukzessive erfolgt eine Erhöhung der Schwierigkeitsstufe (Reduktion von Hinweisen) bis hin zum Abschlusstest. Für Lerner ist eine individuelle Auswahl der Anzahl an Wiederholungen und eigenständige Gestaltung des Lernpfads im eigenen Tempo in „geschützter“ Umgebung abseits des Produktionsalltags möglich. Evaluationsbögen im Nachgang an die Trainings sollen zudem zur Verbesserung der Trainings-Experience beitragen. Außerdem besteht bei Bedarf die Möglichkeit der Begleitung durch einen Onsite-Trainer.

Schaeffler beschreibt die Akzeptanz unter den Lernern als sehr groß. Die VR Trainings werden dem Unternehmen zufolge nun nach ersten Tests im Stammwerk in Herzogenaurach sukzessive an weitere Standorte ausgerollt. Sowohl Trainees als auch Trainer seien begeistert über den hohen Qualitätsstandard. Als digitale Lösung stelle die Skalierbarkeit einen zusätzlichen Multiplikator für die Verbreitung und den Zugewinn für alle Lernenden dar. Die Möglichkeit der bidirektionalen Partizipation und Mitarbeit an Trainingsinhalten zur stetigen Verbesserung der Inhalte stärke die Motivation und Akzeptanz der Virtual Reality Lösung.

Fazit

Virtual Reality gehört zu den neueren eLearning-Methoden. Doch darauf zugeschnittene didaktische Modelle, welche auf wissenschaftlicher Grundlage und mit entsprechendem Literaturverweis hierzu passende Methoden, Herangehensweisen und Vorgangsmodelle näher erläutern und deren Anwendung begründen, finden sich bislang kaum. Schaeffler hat sich mit dem Dienstleister Materna TMT dem in einem achtmonatigen Projekt angenommen und für den eigenen Betrieb einen interdisziplinären und praxisnah stimmigen Ansatz entwickelt. Die Jury des eLearning Journals sieht darin eine wichtige Pionierleistung und zeichnet die beiden Projektpartner deshalb mit dem eLearning AWARD 2022 in der Kategorie „Didaktik“ aus.


Vorgaben & Besonderheiten

Vorgaben:
Schaeffler möchte ein didaktisches Konzept für VR-Schulungen erarbeiten, um auch bei dieser relativ neuen eLearning-Methode die Lern-effizienz entschieden zu steigern und so auch die Qualifikationen innerhalb der Belegschaft auf ein noch höheres Level zu heben sowie auf diesem Wege die Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen.

Besonderheiten:
Der Automobil- und Industriezulieferer geht davon aus, dass erst mit diesem didaktischen Modell die Vorteile des VR Trainings in Gänze zur Geltung kommen und forciert dieses deshalb. Seit Projektdurchführung profitiert der Konzern daneben aber auch von weiteren Vorteilen des digitalen Trainings allgemein wie der Einheitlichkeit und unkomplizierten Skalierbarkeit.


Projektverantwortliche

Schaeffler Technologies AG & Co. KG

Jens Ebert
AR/VR Framework – Product Owner

Schaeffler Technologies AG & Co. KG
Industriestraße 1-3
D-91074 Herzogenaurach

jens.ebert@schaeffler.com
www.schaeffler.de

 

Materna TMT GmbH

Nina Moeller
Leiterin E-Learning
und Change Kommunikation

Materna TMT GmbH
Voßkuhle 37c
D-44141, Dortmund

nina.moeller@materna-tmt.de
www.materna-tmt.de