eLearning in KMUs aus Sicht der Berufs- und Fachkräftequalifizierung

Mehrwert schaffen: „Ein Buch durch eine PDF zu ersetzen, ist kein eLearning“

Dr. Regina Flake vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) über die Umsetzung effektiven eLearning in kleinen und mittleren Betrieben.

Wie hoch ist Stellenwert der klassischen Lernmedien gegenüber ihren digitalen Pendants in KMUs? Wie hat sich Corona auf deren eLearning-Aktivitäten ausgewirkt? Und welche Soft Skills sind eigentlich maßgeblich für die erfolgreiche eLearning-Implementierung in KMUs? Diesen Fragen stellt sich Dr. Regina Flake, Verantwortliche für das Kompetenzfeld „Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte“ im IW. Im Gespräch mit dem eLearning Journal greift sie hierbei unter anderem auf die breite Datenbasis der Studie des „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“ (KOFA) zurück.

eLearning Journal: Frau Dr. Flake, was ist Ihr Arbeitsschwerpunkt beim Institut der deutschen Wirtschaft?

Dr. Regina Flake: Ich bin seit 2013 im Kompetenzfeld „Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte“ am Institut der deutschen Wirtschaft tätig. Ich forsche zu Arbeits- und Ausbildungsmarktthemen, Weiterbildung und betreibe internationale Berufsbildungsforschung. Und wir unterstützen als Institution im vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Drittmittelprojekt „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“ (KOFA), kleine und mittlere Unternehmen. Und zum Thema Fachkräftesicherung gehört natürlich auch die Qualifizierung der Mitarbeitenden. Dementsprechend wird digitale Bildung für uns ein immer größeres und wichtigeres Thema.

eLearning Journal: Aktuell sagt Ihr Institut, dass die deutschen Unternehmen jährlich 33 Milliarden Euro für Weiterbildung ausgeben. Haben Sie da auch einen Einblick, welcher Anteil dafür bereits in die digitale Bildung investiert wird?

Dr. Regina Flake: Genau, im Rahmen der Weiterbildungserhebung, die wir alle 3 Jahre durchführen, ist das Thema eLearning natürlich ein neuer Themenschwerpunkt und wir fragen in den letzten Jahren immer wieder ab, welche digitalen Lehr- und Lernmethoden eingesetzt werden. Ich kann Ihnen tatsächlich keine Auskunft geben, wie die Kosten darauf sich genau verteilen. Aber tatsächlich ist es so, dass der Anteil von eLearning natürlich steigt.

eLearning Journal: Wie groß ist die KOFA-Studie und wie wurde die Zielgruppe repräsentativ zusammengestellt?

Dr. Regina Flake: Die Ergebnisse der KOFA-Studie basieren auf einer repräsentativen Unternehmensbefragung. Und zwar führt unsere Tochtergesellschaft die IWConsult regelmäßig im Rahmen des IW-Personalpanels Befragungen durch. Und die sind eben repräsentativ, weil die Stichprobenziehung basiert tatsächlich auf dem Unternehmensregister, sodass wir Unternehmen verschiedener Größen und Branchen gut abbilden und eben auch hochrechnen können auf die Gesamtheit der Unternehmen. Und in der Studie, die Sie ansprechen zum Thema „Digitale Bildung in Unternehmen“, hatten wir auch über 1300 Unternehmen, die die Fragen beantwortet haben. Und ein Fokus im Rahmen des KOFA liegt natürlich auch darauf, dass wir insbesondere Ergebnisse für kleinere und mittlere Unternehmen haben, die eben auch beim Thema eLearning und digitale Bildung noch in einer etwas anderen Situation sind als die großen Unternehmen.

eLearning Journal: Ja, das ist in der Tat so. Unsere Leser kommen in der Regel aus größeren Unternehmen, aus Personalabteilungen, Weiterbildungsabteilungen oder sind am Stakeholdermanagement beteiligte Akteure. Das sind in der Regel Unternehmen ab 1000 Mitarbeiter aufwärts. Je größer die Unternehmen, desto mehr Inhouse-Expertise haben sie tendenziell bereits aufgebaut und desto länger machen sie auch bereits den Einsatz von eLearning. Also Unternehmen, die so um die 100.000 Mitarbeiter haben oder mehr, zum Beispiel Siemens mit fast 400.000 Mitarbeitern oder DHL mit fast 500.000 Mitarbeitern weltweit: Da gibt es in der Regel schon 15 Jahre oder mehr eine Inhouse-Expertise zu diesem Thema. Deswegen ganz besonders interessant: Sie haben das ja in drei Zielgruppen geclustert: Einmal über 50 Mitarbeiter, bis 249 und nur ein Cluster ist eben über 250 Mitarbeiter. Wie groß kann über 250 Mitarbeiter in Ihrer Studie sein? Was kann das bedeuten?

Dr. Regina Flake: Das ist tatsächlich Open End. Es ist repräsentativ für die Unternehmen, die größer als 250 Mitarbeiter sind und das kann von 251 sein bis eben zu sechsstelligen Unternehmensgrößen gehen. Ist aber natürlich auch sehr heterogen. Was man da aber auch sagen muss, ist, dass man bei den kleinen Unternehmen mit vielleicht 5 Mitarbeitern, auch andere strukturelle Voraussetzungen für eLearning hat als ein Unternehmen mit 40 Mitarbeitern.

eLearning Journal: Bei den Unternehmen, die Sie jetzt untersucht haben, welche internen Maßnahmen zur Weiterbildungsplanung werden dort ergriffen?

Dr. Regina Flake: Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben tatsächlich auch verschiedene Dinge abgefragt wie beispielsweise, werden regelmäßig Mitarbeitergespräche geführt? Gibt es Mitarbeiterbefragungen? Gibt es spezielle Befragungen der Mitarbeiter zum Thema Weiterbildung? Und wir sehen, dass die meisten Unternehmen, auch die kleinen, mindestens 1 strategisches Instrument einsetzen. Aber natürlich in den großen Unternehmen, die kombinieren noch einmal mehr verschiedene Instrumente. Und da gibt es eben häufig auch die Person, die für das Thema Weiterbildung zuständig ist, die da noch einmal einen ganz besonderen Blick dafür hat und das strategische Element in diesem Bereich noch einmal mehr vorantreiben kann. Und genau das Strategische dürfte auch in kleinen und mittleren Unternehmen, KMU, wichtig sein. Und das Fehlende versuchen wir im Rahmen des KOFA-Projekts ein Stück weit zu kompensieren, indem wir ein bisschen strategisches Handlungswissen mit an die Hand geben.

eLearning Journal: Ja, wer sich mit dem Thema ein klein wenig auskennt weiß, eLearning und eLearning ist immer dreierlei. Es gibt gar nicht dieses eLearning, sondern es gibt eine Vielzahl an Methoden, die man dann auch noch bei Bedarf miteinander mischen kann. In den großen Unternehmen ist der Königsweg seit Jahren, das „Blended Learning“, also die Verzahnung von Online- und Offlineformaten. Wie nutzen KMUs eLearning? Was verstehen die da drunter? Und wie ist die Nutzung dort verbreitet?

Dr. Regina Flake: Ja, Sie sprechen da schon so einen Punkt an, wo wir immer so ein bisschen provokativ fragen: Ist, wenn ich jetzt das Buch durch ein PDF austausche, ist das ein eDokument und eLearning? Und wir sagen, natürlich ist das kein eLearning, sondern es fängt eben dann an, wenn man es sinnvoll einsetzt und einen Mehrwert durch elektronische Lernmedien generiert. Aber tatsächlich sehen wir, dass bereits mehr als 8 von 10 Unternehmen auch schon eLearning einsetzen, auch die kleinen. Aber gerade bei den großen ist es schon so, dass sie mehr auch auf interaktive Programme und Tools setzen. Und in den kleineren das noch weniger verbreitet ist. Also Web Based Trainings oder auch, wenn wir jetzt mal größer denken, Learning Management Systeme, wo Inhalte auch zur Verfügung gestellt werden. Das gibt es eher in den großen als den kleinen Unternehmen.

eLearning Journal: Sie kommen ja auch zu dem Ergebnis mit der Studie, dass in den KMUs die eLearning-Angebote als sehr vielfältig wahrgenommen werden, aber eben dass diese auch Verunsicherung auslösen. Was für eine Verunsicherung und Hemmnis für den Einsatz ist das?

Dr. Regina Flake: Im Endeffekt, würde ich sagen, gibt es an 2 Stellen Verunsicherung. Der eine Punkt ist alleine schon die Frage, was brauche ich überhaupt? Also diese Bedarfserhebung, wo wir sehen, dass ein Drittel aller Unternehmen Probleme haben wirklich zu definieren und formulieren, welche Weiterbildung muss ich für meine Mitarbeiter anbieten. Was dann die Voraussetzung ist, um beispielsweise das passende eLearning abzuleiten. Und der zweite Punkt ist dann, wenn ich weiß, welche Kompetenzen möchte ich entwickeln: Der Markt ist einfach sehr groß und wenn man wenig Erfahrung damit hat, muss man erst mal ein Gespür davon bekommen, welche Qualität steht hinter welchem Angebot und auch welche Formate.

Ein Haupthemmnis für den Einsatz ist aus meiner Sicht für etwa 2 von 3 Unternehmen, dass ihnen die Erfahrungswerte und Praxisbeispiele fehlen. Also, sie wollen einfach wissen, wie machen es andere Unternehmen. Und da ist natürlich häufig das Interesse besonders groß, zu sehen, wie machen es andere Unternehmen der eigenen Branche? Was viel seltener genannt wird, was aber häufig in den Köpfen drin ist, dass es Vorbehalte oder mangelnde Medien- und technische Kompetenz der Mitarbeitenden gibt. Und da finde ich, dass man auch einfach trotzdem noch daran arbeiten und dafür sensibilisieren muss, dass es eben nicht heißt, dass ich die Mega IT-Skills haben muss, um mit einem eLearning-Programm umzugehen, sondern ganz im Gegenteil, dass es sehr intuitiv gestaltet ist und einen leichten Zugang zur Bildung gibt und für ganz verschiedene Zielgruppen passende Angebote bereithält.

eLearning Journal: In den großen Unternehmen, die wir in unseren BENCHMARKING Studien jährlich untersuchen, ist der Trend, dass man immer stärker Systematisierungsversuche unternimmt, um so Kompetenzbedarfe zu entdecken. Und hier sind in der Regel die meisten Angebote Compliancethemen und Arbeitsschutz. Also all das, was entweder Pflichtschulungen sind, die nachgewiesen werden müssen oder die aus Inhousebedarfen heraus geschult werden müssen. Gefolgt wird dieses Thema von Fachwissen und einen weiteren Trend, den wir ablesen können, nämlich dass die Schulung von Soft Skills in Unternehmen immer stärker in den Mittelpunkt rückt. Wie wird das gesehen in den KMUs? Welchen Kompetenzen wird dort größere Bedeutung für die Zukunft zugemessen?

Dr. Regina Flake: Ja, eine Kompetenz, die auch in Zukunft sehr zentral sein wird und nicht an Bedeutung verliert, ist in der Tat das berufliche Fachwissen. Hier kommt immer wieder unsere Studie zu dem Ergebnis, dass das zentral ist und zentral bleibt. Dann ist oft so der Gedanke, wir reden über Digitalisierung, es müssen doch alle Mitarbeiter IT-Skills haben. Und ganz klares Ergebnis der Studie ist, das IT-Anwenderwissen wird für fast alle Mitarbeitenden wichtiger, aber wenn es um das IT-Fachwissen geht, ist das ein weitaus geringerer Teil der Unternehmen, der sagt, das wird wichtiger. Und was Sie schon angesprochen haben, ganz häufig wird in Unternehmen auch die Sozialkompetenz genannt, weil die wichtig ist, wenn wir über Digitalisierung sprechen. Wir müssen offen sein für neue Lösungswege, müssen agil sein, müssen neue Lösungen finden und kommunizieren und kooperieren können. Und das ist eben genau der Bereich, wo wir Soft Skills brauchen. Und da wird häufig gedacht, könnte ich das denn per eLearning machen. Und da sehen wir, es machen noch nicht so viele Unternehmen. Aber ganz viele Unternehmen sagen: Doch ich kann mir gut vorstellen, dass es da auch passende elearning-Angebote gibt, die mir da helfen würden.

eLearning Journal: Wie wird denn der Stellenwert der klassischen gegenüber den digitalen Lernmedien in den KMUs in Ihrer Studie bewertet?

Dr. Regina Flake: Das ist ein ganz spannendes Ergebnis. Wir haben gefragt, wie bewerten Sie den Stellenwert im Vergleich? Weil wir wissen wollten, setzen sie eher auf die klassischen Lernmedien oder sind es schon die digitalen? Da war tatsächlich das Ergebnis, dass kleine und mittlere Unternehmen, digitalen Medien schon heute, viel häufiger, einen höheren Stellenwert als klassischen Lernmedien zuordnen oder zumindest einen gleich hohen, wie es große Unternehmen auch tun. Also gerade kleine Unternehmen scheinen da Vorteile zu sehen. Und in unserer Interpretation kann es gerade für KMU ein Vorteil sein, dass es viel schwieriger ist, Präsenztrainings zu organisieren. Man muss dann nämlich eine kritische Klassengröße haben, eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern, die für ein Thema qualifiziert werden sollen, damit es sich zum Beispiel lohnt, einen externen Trainer einzukaufen. Und das ist natürlich ein großer Vorteil von eLearning, dass man da viel flexibler ist.

eLearning Journal: Ja, möglicherweise haben wir ja auch einen kleinen blinden Fleck in unserer bildungspolitischen Ordnungsarbeit. Wenn wir uns das BIBB ansehen, sehen wir rund 750 Mitarbeiter, die dem BMBF ja als Institut für berufliche Bildung zugeordnet sind. Die haben ihre Weiterbildungsabteilung unserer Kenntnis nach, vor einigen Jahren ganz aufgelöst, weil die Mitarbeiter mehr als genug mit der Ausbildung und der Anpassung der Ausbildungsbetriebe zu tun haben. Was sind denn Orientierungshilfen, die sich die Unternehmen wünschen?

Dr. Regina Flake: Aus unserer Sicht helfen ihnen genau diese Darstellung von Praxisbeispielen und Erfahrungswerten. Es braucht eben auch Information zu eLearning-Formaten und Angeboten. Dass man ganz niedrigschwellig erklärt: Was gibt es denn da? Was bietet das? Und ich glaube, es gibt auch einen großen Vorbehalt nach dem Motto, ach Gott was kostet mich das denn? Und auch da noch einmal aufzuklären: Es gibt ja Angebote – vom Mix von der Stange bis hin zu Angeboten, die man auf sein Unternehmen zuschneiden lässt, die dann natürlich ein hohes Budget voraussetzen. Oder man kann auch selber produzieren. Dass man einfach diese Bandbreite mal runterbricht und sie greifbar macht für die Unternehmen. Ja, was Sie mit dem BIBB angesprochen haben und der Ausbildung, finde ich trotzdem noch einen ganz spannenden Aspekt, weil natürlich sind die Aus- und Weiterbildung häufig verzahnt. Auch in der Ausbildung stellen sich ja ähnliche Fragen zum Einsatz von eLearning. Und was da natürlich auch ganz zentral ist und wo wir auch in einem großen Projekt vom BMBF gefördert dazu arbeiten, im Netzwerk Q 4.0 – auch das weiterbildende und ausbildende Personal muss natürlich fit gemacht werden, dass sie digitale Medien didaktisch sinnvoll einsetzen. Und da kam auch in dieser KOFA Studie raus, dass weniger als die Hälfte der Unternehmen sagen, wir fühlen uns sicher, dass wir wissen, wie können wir die bestmöglich einsetzen. Weil es ist ja auch nicht so, natürlich darf man sich hierzu auch keine Illusionen machen, nehmt mal ein bisschen Geld in die Hand und auf einmal sind eure Mitarbeiter ganz toll qualifiziert. Weil man es ja gut einbinden muss, man muss sich überlegen, was sind die Lernziele? Man muss immer auch orts- und zeitabhängig lernen können, also trotzdem Raum und Zeit schaffen: Wann wird gelernt? Gibt es auch, wenn man es im Betrieb machen will, einen ruhigen Ort, an dem man sich beispielsweise ein Tutorial anschaut oder Lernvideos oder ein interaktives Tool nutzt? Das sind alles Dinge, die muss man ansprechen. Denn da lassen sich gut Lösungen finden.

eLearning Journal: Ja, so wie Sie das beschreiben, könnte man das ja clustern, dass die Unternehmen selbst, also die Praktiker in den Unternehmen der KMUs, diese Wahrnehmung haben: Wir könnten überbetrieblichen Erkenntnisgewinn gebrauchen. Wenn man jetzt noch einmal zurückkommt zur bildungspolitischen Ordnungsarbeit, da hatten wir gerade kurz vor Corona, im März ja noch eine große Statuskonferenz beim BMBF. Da sind hunderte von engagierten Akteuren zusammengekommen, die Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Rahmen der eQualification-Reihe durchgeführt hatten. Diese Tagung ist anmoderiert worden aus dem Ministerium: „Wir haben 500 Millionen Euro in über 300 Vorhaben investiert“. Was ist Ihre Einschätzung, kommt denn dieser Transfer aus Forschung und Entwicklung in den KMUs an?

Dr. Regina Flake: In meiner Wahrnehmung oder Erfahrung kommt es immer ein bisschen zeitverzögert in der Fläche an. Gerade, wenn man Unternehmen und verschiedene Projekte auch im europäischen Vergleich im Hinblick auf die Rolle von eLearning betrachtet. Was wir in den letzten Jahren in Erhebungen durchgehend gehört haben war, wann denn? Die Auftragsbücher waren voll und es war auch ein Zeitproblem. Also gar nicht, dass man, wie man es oft unterstellt, die wollen gar nicht. Ich glaube das war es gar nicht. Sondern die Frage, wann setze ich es um? Und dann eben auch die Frage, wie setze ich es um? Und ich glaube, das ist das, was wir gerade brauchen, es gibt tolle Angebote und es gibt auch tolle Unterstützungsangebote und ich glaube, es ist eine große Aufgabe, das Digitale in die Fläche zu bringen. Wichtig ist, was wir auch für uns merken, dass man immer versucht, zurück zu spiegeln, welche Art von Unterstützung hilft denn den Unternehmen wirklich? Ist es das Geld an der einen Stelle, was es wirklich manchmal ist, wenn die Endgeräte fehlen. Oder ist es eher die Information oder die übergeordnete Infrastruktur, alias ich habe überhaupt nicht genug Mobilfunkempfang für das Nutzen von Mobile Learning. Es gibt unterschiedliche Problemlagen und Unterstützungsbedarfe.

eLearning Journal: In den größeren Unternehmen ist auch ein sehr starker Trend in den letzten fünf Jahren deutlich geworden, der sich stärker darauf fokussiert, einen Kompetenzerwerb eigentlich eher mit informellen Lernangeboten zu unterstützen. Da ist das geflügelte Wort bei den Kollegen, die 70:20:10 Formel. Also diese Aussage von Charles Jennings, der sagt 70 Prozent wird informell Learning by Doing erworben, 20 % kann man sich bei den Kollegen abholen, aber nur 10 % machen die formalen Lernangebote aus. Diese Aussage mit der dahinterliegenden Studie ist zwar etwas umstritten, es gibt ja auch Wissenschaftler, die sagen, diese Studie ist nicht repräsentativ erst einmal, weil die Zielgruppe Führungskräfte gewesen sind, das ist ja nicht repräsentativ für alle Mitarbeiter. Zweitens war das ein sehr kleines Erhebungsvolumen, aber es ist in den Unternehmen angekommen, dieses Bewusstsein, dass informelle Lernangebote das sind, was den Mitarbeiter bei der Kompetenzentwicklung am ehesten unterstützen kann. Haben Sie dazu auch einen Einblick bei den KMUs gewinnen können, ob Weiterbildung immer noch verbunden wird mit dem klassischen Weiterbildungsbegriff, der ja auch der im August letzten Jahres erstmals veröffentlichten Nationalen Weiterbildungsstrategie zugrunde liegt? Und hier wird Weiterbildung ja noch sehr stark definiert als formale Weiterbildung, die in der Regel auch von einem Weiterbildungsanbieter intern oder extern formal organisiert wird.

Dr. Regina Flake: Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass Sie jetzt den Finger in die Wunde legen. So als Volkswirtin mit einer großen Begeisterung für empirische Arbeiten und für die Erhebung, habe ich das Gefühl, wir kratzen nah an der Oberfläche. Um es ganz ehrlich zu sagen, glaube ich, müssen wir da noch viel sensibilisieren, weil die Befragungen laufen natürlich über die Personalverantwortlichen. Und das ist auch wieder etwas, was wir vorhin schon hatten: Wo fängt informelle Weiterbildung an? Und weiß das Unternehmen, dass die Mitarbeiter vielleicht zu der neuen Maschine, die gerade angeschafft wurde, im Pausenraum auf dem Handy ein Youtubevideo ansehen? Das ist ja auch schon informelle Weiterbildung. Ich finde, das ist natürlich schwer zu erheben. Deswegen fragen wir auch nicht, bieten Sie Weiterbildung an, sondern wir fragen so nach verschiedenen Aspekten, um uns dem annähern zu können. Weil ich glaube, dass gar nicht immer das Bewusstsein da ist, was schon alles passiert und welche Bereitschaft auch bei den Ausbildern und Mitarbeitenden da ist, sich informell weiterzubilden. Und gerade auch im IT-Bereich. Da gab es auch vom Statistischen Bundesamt letztes Jahr eine große Veröffentlichung, die besagt, ganz viel passiert informell am Arbeitsplatz – über Kollegen, über Foren, wo man noch einmal seine Frage zu Excel eingibt. Es passiert ja ganz viel. Und ich persönlich finde das ganz toll, dass man sich so flexibel und bedarfsgerecht weiterbilden kann. Aber das ist natürlich ganz schwer, 100 % sauber abzubilden und in Form von Daten dann aufzubereiten.

eLearning Journal: Eine letzte Frage noch: Sie haben jetzt auch ganz konkret in einem „KOFA kompakt“ die aktuelle Lage noch einmal nachgefasst und bei den Unternehmen jetzt die Herausforderung vor dem Hintergrund der Coronapandemie erfasst zum Thema Weiterbildung. Das bleibt uns ja nicht erspart, wir hoffen ja, dass es ein Thema wird, bei dem wir später in der Reflektion hoffentlich positive Aspekte finden können. Aber noch sind wir ja alle Betroffene mit unklarem Ausgang. Was konnten Sie in ihrer aktuellen Erhebung ermitteln? Wir hatten bei Ihnen gelesen, dass sich hier auch dieser Trend aus Ihrer KOFA-Studie noch erhöht hat, dass 39 % angeben, sie benötigen mehr Informationen zum Einsatz von eLearning in der betrieblichen Weiterbildung. Welche Bedeutung nehmen Sie aus dieser aktuellen Erhebung mit?

Dr. Regina Flake: Ich nehme aus der aktuellen Erhebung mit, dass wir tatsächlich einen kleinen Schub für die digitale Weiterbildung sehen. Wir hatten die ganz tolle Möglichkeit, kurzfristig Weiterbildungsfragen im Covid19 Panel zu platzieren. Weil uns wirklich interessiert hat, was passiert gerade im Bereich der Weiterbildung. Man muss ja auch ganz ehrlich sagen, die Coronakrise, denn wie zuvor erläutert eben häufiges Argument war, wir haben auch keine Zeit und jetzt hatten wir auf einmal einen Anteil von Unternehmen mit Kurzarbeit, mit Auftragswegfällen, womit das Argument gewissermaßen ausgehebelt wurde. Was aber, das muss man natürlich auch ganz klar sagen, auch zu existenziellen Nöten in vielen Unternehmen geführt hat. Wir wissen aber aus der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise, dass einige Unternehmen es dennoch geschafft haben, in gute Weiterbildung zu investieren und dadurch sogar ein bisschen gestärkt aus der Krise hervorgegangen sind. Und wir wollten wissen, was passiert da jetzt gerade? Und die positive Nachricht war erst einmal, dass die Mehrheit der Unternehmen ihre Weiterbildungsaktivitäten aufrechterhalten konnten, dass die Pandemie also „nur bei einem Viertel“ der Unternehmen zu einem Einbruch geführt hat. Das Spannende aber fand ich, dass 36 % der Unternehmen sagten, wir haben unsere digitale Weiterbildung ausgebaut. Selbst die Unternehmen, die gesagt haben, wir mussten unsere Weiterbildung zurückfahren, haben gesagt, wir haben mehr eLearning genutzt. Und das ist immerhin eine Hoffnung, dass jetzt so ein bisschen die Berührungsängste weg sind. Man hat angefangen sich damit auseinanderzusetzen, sowohl in der Ausbildung als auch in der Weiterbildung. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass es auch fortgesetzt wird. Ich glaube nicht, dass es rein digitales Lernen sein wird, aber sehr wohl, dass künftig mehr Blended Learning-Formate genutzt werden. Auch nach der Krise.

eLearning Journal: Supertolles Schlusswort! Vielen Dank Frau Dr. Flake für das Gespräch.

Redaktion: Jacob Sablotny

Beitragsbild: AdobeStock – DragonImages


Profil

Dr. Regina Flake

ist Senior Economist für Aus- und Weiterbildung, Fachkräftesicherung und Internationale Berufsbildungsforschung am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und Köln und Teamleiterin des vom IW initiierten Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA). Zu ihren Schwerpunktthemen innerhalb des Instituts gehören die Berufliche Bildung, die Aus- und Weiterbildung wie auch die Integration und die Zuwanderung. Flake blickt inzwischen auf acht Jahre Zugehörigkeit zum IW zurück und publiziert regelmäßig Studien und Fachbeiträge (siehe „Literatur“).

 


Literatur

Regina Flake / David B. Meinhard / Dirk Werner:

Digitalisierung in der dualen Berufsausbildung

In der in der Rubrik IW-Trends im zweiten Quartal 2019 erschienen Studie zur Digitalisierung in der dualen Berufsausbildung beschäftigt sich Dr. Regina Flake, gemeinsam mit zwei Co-Autoren des IW, mit dem bisherigen Umsetzungsstand und dem Modernisierungs- und Unterstützungsbedarf in Betrieben. Analysiert wird unter anderem die Auswirkung des digitalen Wandels auf die Ausbildungsaktivitäten in den zumeist kleinen untersuchten Unternehmen, wie auch der Zusammenhang zu den involvierten Berufsschulen.

 

ISSN: 0941-6838 (Printversion)
Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.
Sprache: Deutsch


Dr. Regina Flake
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