Globale Zertifizierung bei der Porsche AG
Prüfungsvorbereitung mit dem KI-Avatar

Für das digitale Rollenspiel wurden mehrere „Best Practice“-Personen aufgenommen und auf deren Grundlage ein KI-Avatar erstellt, mit denen die Mitarbeitenden im geschützten Raum ein simuliertes Gespräch führen können.

Um dem eigenen Qualitätsanspruch Rechnung zu tragen, schult die Porsche AG in einem umfassenden Zertifizierungsprogramm weltweit Serviceberater:innen und Verkäufer:innen. Die Vorbereitung der Abschlussprüfung stellte in der Präsenz zunehmend eine Herausforderung dar, weshalb Porsche auf der Suche nach einer digitalen Lösung war. Die Antwort? Der Einsatz von KI-gesteuerten Avataren, mit deren Hilfe den Mitarbeitenden ein jederzeit verfügbares, geschütztes Übungsfeld geboten werden kann.

Die Porsche AG gehört zu den deutschen Premiumherstellern von Automobil- sowie Kraftfahrzeugen und ist insbesondere für die Entwicklung, Produktion sowie Vermarktung von Sportwagen und Hochleistungsfahrzeugen bekannt. Porsche beschäftigt über 35.000 Mitarbeitende und unterhält neben Deutschland auch Niederlassungen und Vertriebspartner in der ganzen Welt. Das Unternehmen legt einen großen Wert auf Qualität und Kundenorientierung, was sich u.a. in den Kompetenzen der Verkäufer:innen sowie dem Serviceberater:innen weltweit widerspiegelt.

Um dem selbstgesteckten Anspruch gerecht zu werden, müssen deshalb alle Serviceberater:innen und Verkäufer:innen das globale Zertifizierungsprogramm „Porsche Global Certification System“ (kurz: PGCS) durchlaufen und eine dedizierte Abschlussprüfung bestehen, um das entsprechende Zertifikat zu erhalten. Das Programm wird standardisiert auf der ganzen Welt eingesetzt und ist für die betroffenen Zielgruppen verpflichtend. Nach dem Berufseintritt sind die Qualifikationen zur Vorbereitung auf die PGCS-Zertifizierung durchzuführen, was in der lokalen Hand der Märkte liegt. Nach rund 2 Jahren im Beruf muss der Zertifizierungsprozess schließlich durchlaufen und bestanden werden, was nicht garantiert ist. Die Prüfung umfasst mehrere Module und setzt sich aus einem Wissenstest zu Produkten, Techniken sowie Prozesswissen, einem Interview mit einem ausgebildeten Assessor, 2 Rollenspielen und einer Case Study zusammen. Beim Bestehen der Prüfung erhalten die Teilnehmenden eine signierte Urkunde aus Metall. Die Prüfung wird weltweit in allen Ländern nach einem einheitlichen Standard durchgeführt.

Lernbedarf

Um sich auf die Rollenspiele der PGCS-Prüfung adäquat vorbereiten zu können, bietet Porsche den Mitarbeitenden im geschützten Raum entsprechende Übungsmöglichkeiten. Bislang wurden die Rollenspiele in Präsenzterminen oder gegebenenfalls virtuell geübt, was allerdings mit einem erheblichen Ressourceneinsatz verbunden ist. Die Rollenspiele mit echten Personen sind sowohl im Bezug auf die finanziellen als auch die personellen Kapazitäten extrem aufwendig, weshalb nach einer Lösung gesucht wurde, wie die Rollenspiel-Übungen digitalisiert werden können ohne Abstriche bei der Qualität der Vorbereitung zu machen. Mit einer digitalen Version könnten nicht nur Budget und Kapazitäten eingespart werden, sondern das Trainingsszenario auch flexibler, aktueller und effizienter werden, was wiederum den Mitarbeitenden zugute kommt. Vor diesem Hintergrund hat die Porsche AG das Projekt „Rollenspiele mit Künstlicher Intelligenz“ ins Leben gerufen.

Die zugrundliegende Idee des Projekts ist dabei recht simpel. In einem virtuellen Lernszenario könnte im Rollenspiel-Setting ein KI-gesteuerter Avatar die Rolle des Ansprechpartners übernehmen. Die Zielgruppe der Serviceberater:innen sowie Verkäufer:innen aus dem PGCS hätten dann die Möglichkeit, sich jederzeit und „im geschützten Raum“ selbstbestimmt auf die Prüfungssituation vorzubereiten.
Projektverlauf

Die vermeintliche Herausforderung, für den bestehenden Bedarf die passende KI und den dazugehörigen Anbieter zu ermitteln, entfiel in diesem Fall erfreulicherweise. Denn im Rahmen des sogenannten „Inno-Scoutings“, ein weltweites Scouting von vielversprechenden Geschäftsmodellen sowie Technologien, mit dem die Porsche AG nachhaltige Partnerschaften und Kooperationen mit jungen Unternehmen aufbaut, war bereits ein attraktiver KI-Anbieter ermittelt worden. Für eine erste Zusammenarbeit wurde bei Porsche ein beispielhaftes Projekt gesucht, wofür sich die Digitalisierung der Rollenspiele des PGCS anboten.

Um die KI für den vorliegenden Use Case vorzubereiten, erfolgte zum Beginn des Projekts zunächst das sogenannte „Profiling“. Hierzu wurden die Rollenspiele zunächst transkribiert und eingelesen. Anschließend wurden mindestens 5 „Best Practice“-Personen aufgenommen, welche der KI beibringen, wie die optimalen Antworten sowie Verhaltensweisen des Lerners aussehen. Auf dieser Grundlage kann die KI in der Rollenspiel-Situation die Persönlichkeit der Lernenden bewerten und ermitteln, inwieweit und in welchen Bereichen das Verhalten von den „Big Five“ abweicht. Komplementär dazu wurden die Big Five mit dem Porsche Kompetenzmodell gematcht, wodurch die Lernenden beim digitalen Rollenspiel ein Feedback bekommen, wie man es auch analog im Rahmen der PGCS-Prüfung erhalten würde.

Nach der Konzeptionierungs- und Entwicklungsphase gab es eine Pilotierung in zwei ausgewählten Märkten, die erfolgreich umgesetzt wurde. Anschließend wurde das Projekt Anfang 2023 im Rahmen einer internationalen Konferenz mit Teilnehmenden aus aller Welt vorgestellt. Darüber hinaus wurden von Porsche über LinkedIn Informationen zu dem Projekt bereitgestellt und im Rahmen einer internen, monatlichen, weltweiten Kommunikation im Altersales wurde das KI-gestützte Rollenspiel präsentiert.

Projektergebnis

Im Rahmen des Projekts wurden die bestehenden Präsenztermine mithilfe des KI-gestützten Lernszenarios zu einem Blended Learning weiterentwickelt. Für die betroffenen Mitarbeitenden steht auch weiterhin die Option zur Verfügung, das Rollenspiel mit echten Personen zu üben und zu reflektieren. Komplementär dazu bietet das digitale Rollenspiel-Szenario den Lernenden die Möglichkeit, sich selbstbestimmt und jederzeit im „geschützten Raum“ auszuprobieren und mithilfe des Feedbacks der KI die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen.

Beim digitalen Rollenspiel werden von der KI verschiedene Elemente erfasst und bewertet. Auf der einen Seite werden das Fakten- sowie das Anwendungswissen evaluiert, d.h. es wird erfasst, ob der oder die Lernende in einer gegebenen Situation die Fakten richtig ausdrücken kann. Auf der anderen Seite wird das gezeigte Verhalten analysiert, was die Sprache (z.B. Lebhaftigkeit oder Komplexität), die Stimme (z.B. Verständlichkeit) und die Mimik umfasst. Durch diese beiden Facetten soll sichergestellt werden, dass der Lernende nicht nur über das Fachwissen verfügt, sondern dieses in einem konkreten Problemkontext auch anwenden kann und über die verhaltensbasierten Aspekte auch die zwischenmenschlichen Kompetenzen betrachtet werden können.

Für die Porsche AG stellt das KI-Rollenspiel eine echte Innovation dar, die nach ersten Feedbacks auch von den Lernenden selbst positiv aufgenommen zu werden scheint. Weder bei den Stakeholdern, noch bei den Lernenden gab es Bedenken oder Widerstände gegen die KI-Anwendung, sondern vielmehr waren die Teilnehmenden davon begeistert und haben die Nutzungsmöglichkeiten direkt angenommen.

Fazit

Das Training von Gesprächssituationen ist ein notorisch schwieriges Einsatzgebiet für digitales Lernen, weshalb Unternehmen oftmals für Rollenspiele & Co. weiterhin Präsenztermine mit echten Menschen bevorzugen. Gleichzeitig bedeutet dies einen hohen zeitlichen, personellen sowie finanziellen Aufwand, was zwangsläufig limitiert, wie oft solche Trainingsszenarien angeboten werden können.

Genau mit ebendieser Herausforderung sah sich die Porsche AG bei der Vorbereitung der Rollenspiele des globalen Zertifizierungsprogramms PGCS konfrontiert. Mit einem digitalen Rollenspiel, in dessen Zentrum ein KI-gestützter Avatar als Gesprächspartner dient, wurde für diese Herausforderung eine innovative Lösung gefunden, die es den Mitarbeitenden ermöglicht, selbstbestimmt und im geschützten Raum so oft wie benötigt zu üben. Eine Gesprächsevaluation durch die KI gibt den Lernenden konkrete Hinweise, in welchen Bereichen es möglicherweise noch Verbesserungspotential gibt, um sich bestmöglich auf die PGCS-Prüfung vorbereiten zu können. Vor diesem Hintergrund zeichnet die Jury des eLearning Journals die Porsche AG mit dem Projekt „Rollenspiel mit Künstlicher Intelligenz“ mit dem eLearning AWARD 2024 in der Kategorie „Rollenspiel“ aus.


Vorgaben und Besonderheiten:

Vorgaben:

Für die Vorbereitung der Abschlussprüfung des globalen Zertifizierungsprogramms „PGCS“ sollte zur Schonung personeller sowie finanzieller Ressourcen ein digitales Rollenspiel entstehen, mit dem die Mitarbeitenden jederzeit und im geschützten Raum üben können. Um ein möglichst realitätsnahes Szenario bieten zu können, setzte Porsche auf den Einsatz von KI-Avataren als virtuelle Gesprächspartner.

Besonderheiten:

Im Rahmen des Projekts entwickelte Porsche ein digitales Rollenspiel, in dem ein KI-Avatar, der auf Grundlage einer Auswertung mehrerer „Best Practice“-Personen erstellt wurde, als virtueller Gesprächspartner dient. Eine umfassende Auswertung zum Fachwissen sowie verhaltensbasierten Aspekten geben den Lernenden ein zielgerichtetes Feedback und zeigt auf, in welchen Bereichen es noch Verbesserungspotentiale gibt.


Projektverantwortliche:

Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Uta Siemon-Joseph
Projektleiterin

Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
Porschplatz 1
D-70435 Stuttgart

uta.siemon-joseph@porsche.de
www.porsche.de