ChatGPT in der betrieblichen Bildung: Die Zukunft des Lernens spricht KI

Künstliche Intelligenz ist eine Technologie, die das Lernen und die Entwicklung am Arbeitsplatz wesentlich verändert und nach vorne bringen kann.

Stell dir vor, es ist Montagmorgen und du stehst in der Kaffeeküche deines Büros. Die Stimmung ist nicht wie sonst – es wird weniger über das zurückliegende Wochenende oder die als letztes geschaute Netflix-Serie gesprochen, sondern über eine neue Technologie, die Ende 2022 ins Licht der breiten Öffentlichkeit getreten ist. ChatGPT und seine Möglichkeiten ist in aller Munde. Die Personalentwicklung hat schnell reagiert und einige der neuen Möglichkeiten bereits in die digitale Lernlandschaft integriert. In der Kaffeeküche herrscht eine Art elektrisierende Energie. Nein, es ist nicht der doppelte Espresso, der die Runde macht. Es ist die Vorfreude auf die nächste Lernsession. Ja, du hast richtig gehört: Lernsession. In einer Welt, in der Wissen schneller veraltet als die Milch im Kühlschrank, ist kontinuierliches Lernen der Schlüssel zum Erfolg. Der neue „Star-Trainer“, oder besser Lernassistent in der Ära des lebenslangen Lernens, heißt ChatGPT. Dahinter steckt eine neue Technologie, welche auch betriebliches Lernen stark verändern wird.

Willkommen in der Zukunft, in der Lernen nicht mehr nur als ein passives Abarbeiten von Lernaufgaben, sondern als eine spannende, interaktive und individuell zugeschnittene Erfahrung angesehen wird. Mit generativen KI-Tools wie ChatGPT wird das Lernen in Organisationen zu einer dynamischen Reise, die jede:n Mitarbeiter:in dort abholt, wo sie oder er steht – und genau dorthin bringt, wo sie oder er hin möchte. Und das alles ohne Reisekosten, ohne lange Abwesenheiten vom Arbeitsplatz und ohne die Notwendigkeit, sich durch endlose Handbücher oder eLearnings zu quälen, nur um vielleicht die eine, hilfreiche Information zu finden.

In dieser neuen Welt ist Lernen keine wissensendende Einbahnstraße mehr, sondern ein Dialog. Ein Dialog, der nicht nur den Einzelnen, sondern die gesamte Organisation voranbringt. Ein Dialog, der nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die Fähigkeit fördert, dieses Wissen anzuwenden und weiterzuentwickeln. Ein Dialog, der nicht nur Antworten gibt, sondern auch die richtigen Fragen stellt. Eine Art des Lernens, die tief in uns verwurzelt ist. Seit Anbeginn der Menschheit kommen wir am bspw. Lagerfeuer zusammen, um uns im Dialog neues Wissen und neue Fähigkeiten zu vermitteln. Den dialog-basierten, KI-gestützten Chatbots gehört die Zukunft des digitalen Lernens.

Bereite dich vor, denn es wird spannend. Du wirst nicht nur die beeindruckenden Möglichkeiten von KI-Tools im betrieblichen Lernen entdecken, sondern auch erfahren, wie diese Tools bereits heute dazu beitragen, die Art, wie wir Lernen und Lerninhalte erstellen, zu verändern. Und das ist erst der Anfang.

Also, hol dir einen noch einen Kaffee oder Tee und komm mit – die Zukunft des Lernens wartet bereits auf dich!

ChatGPT und seine Wurzeln

ChatGPT ist ein von OpenAI entwickeltes, sogenanntes „Large Language Model“ (LLM), ein gigantisches Sprachmodell, das auf der Grundlage von Millionen von Daten aus dem Internet trainiert wurde. Es gehört zu dem Bereich der generativen KI, einer Kategorie künstlicher Intelligenz, die darauf abzielt, Inhalte zu erzeugen, die von menschlich-generierten Inhalten kaum zu unterscheiden sind. Aber halt, es wird noch besser: Diese Technologie ist nicht nur auf Text beschränkt. Die Welt der generativen KI-Tools ist ein wahrer Spielplatz für die Sinne, der weit über die Grenzen der Textverarbeitung und Textgenerierung hinausgeht. Denk an…

  • Audio: Automatische Übersetzungen in beliebig viele Sprachen, das automatische Transkribieren und Zusammenfassen von Meetings, oder virtuelle Assistenten, die in der Lage sind, komplexe Fragen auch per Sprache in Echtzeit zu beantworten. Star Trek lässt grüßen… 😉
  • Video: Automatisierte Video-Tutorials, die auf die individuellen Bedürfnisse des Lernenden zugeschnitten sind, sind keine Science-Fiction mehr. Das Erstellen von Video Learning-Inhalten kann bereits jetzt stark beschleunigt werden. Besonders die bereits von Menschen kaum noch zu unterscheidenden AI-Avatare, machen Videoproduktionen viel leichter und schneller umsetzbar. Und dies in beliebig vielen Sprachen
  • Text: Neben ChatGPT gibt es eine Reihe anderer Sprachmodelle, die für alles von automatisierten E-Mails bis hin zur Erstellung umfassender Forschungsberichte verwendet werden können.
  • 3D-Tools: Stell dir vor, du könntest ein virtuelles Modell deines Projekts erstellen, das durch KI-Analysen ständig optimiert wird. Oder dir eine virtuelle Lernwelt durch ein paar beschreibende Worte, im Handumdrehen neu erstellen lassen.

Dies ist nur ein Auszug der Möglichkeiten, in welche wir später noch etwas tiefer eintauchen werden. Andere bekannte LLMs neben GPT sind beispielsweise: PaLM 2, BLOOM, LLaMA, Luminous, Claude und Stable Diffusion.

Bemerkung: Ich werde in dem Artikel nur vereinzelte KI-Tool-Anbieter nennen. Mehr Anbieter findet ihr auf dem Open AI-Tools Board unter: http://bit.ly/3vMTD8C

Learning Development Institute: Im Jahr 2021 rief Jan Foelsing gemeinsam mit Prof. Dr. Aja Schmitz das LDI – Learning Development Institut ins Leben, mit dem sie die Weiterentwicklung zu lernförder-lichen Organisationen mit einem effektiven Learning Ecosystem unterstützen.

The time has come – Die Zeit ist gekommen…

Wie wir in unserem Buch „New Work braucht New Learning“ bereits beschrieben haben, befinden wir uns am „Tipping-Point“ einer exponentiell ansteigenden Entwicklungskurve, bei welcher ChatGPT nur das sichtbare Ende des KI-Eisbergs darstellt. Die zugrundeliegenden KI-Systeme sind mittlerweile so fortgeschritten, dass sie sich sogar gegenseitig selbst trainieren können. Das öffnet Pforten zu Möglichkeiten, von denen wir bisher nicht einmal wussten, dass sie existieren. Eine Studie der University of Pennsylvania macht bereits klar, dass GPT-Modelle das Potenzial haben, eine Grundlagentechnologie zu sein, die ähnlich tiefgreifende Effekte wie die Erfindung der Elektrizität auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ausüben wird. Dies allerdings sehr viel schneller als je zuvor. Laut einer ersten kleinen Studie des MIT boostet ChatGPT die Produktivität von Wissensarbeitenden um 5-35% und verbessert dabei auch noch die Qualität der Ergebnisse um ca. 20%. Und auch in Sachen, zumindest gefühlter, Empathie-Fähigkeit bieten die neuen Sprachmodelle bereits mehr, als wir zuerst angenommen haben. So zeigte eine erste Studie im Medizin-Bereich, dass die Antworten eines Large Language Models von den Patienten als empathischer wahrgenommen wurden, als die von realen Ärzten.

Bemerkung: Dies könnte auch als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden, dass die zwischenmenschlichen Fähigkeiten in der Ausbildung von Ärzten eine stärkere Rolle einnehmen sollte. 😉

Doch welche tiefgreifenden Veränderungen sind denn bereits jetzt dadurch erkennbar?

Eckpfeiler der Veränderung

Die für mich zurzeit ersichtlichsten Auswirkungen von generativer KI lauten:

  1. Senkung von Markteintrittsbarrieren in der Wissensarbeit: Mit generativen KI-Werkzeugen können Menschen auch ohne entsprechende formale Qualifikationen schneller Jobs im Bereich Wissensarbeit übernehmen. Ein Beispiel dafür ist eine Bekannte von mir, die trotz Sprachbarrieren und fehlender Erfahrung in einer neuen Branche durch den Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT und DeepL Aufgaben schnell und sogar teilweise besser erledigen konnte als ihre erfahrenen Kolleg:innen. Besonders im Gig-Work-Bereich (Freelancer) wird dies, aus meiner Sicht, zu einer erhöhten Konkurrenz führen. Aber auch besonders im Kontext von Fachkräftemangel sollte sich uns die Frage stellen, wie wir die einzelnen Rollen in unseren Organisationen jeweils so weiterentwickeln/upskillen können, dass sie nach und nach die Lücken schließen können.
  2. Vom Zeitalter der Suchmaschinen zum Zeitalter der Antwortmaschinen: Wir befinden uns auf dem Weg in das Zeitalter der Antwortmaschinen, was bedeutet, dass das Aneignen von Wissen und das tiefgehende Beschäftigen mit Themen immer weniger notwendig sein werden, um Probleme zu lösen. Dies stellt jedoch auch eine große Herausforderung für den Bildungssektor dar, da es immer wichtiger wird, echtes Lernen und Verhaltensänderungen gezielt zu unterstützen.
  3. Die Computer haben unsere Sprache erlernt: Eine der grundlegendsten Veränderungen, die durch diese Technologien hervorgerufen wird, besteht darin, dass es nicht mehr zwingend notwendig ist, „die Sprache der Computer“ zu erlernen. Dies ermöglicht es immer mehr Menschen, auch ohne umfangreiche IT-Kenntnisse, großes Kapital und formale Bildungsabschlüsse, innovative Lösungen auf den Markt zu bringen. Der sogenannte “No-Code/Low-Code”-Software-Trend hat die Markteintrittsbarrieren auch in diesem Bereich weiter gesenkt. Die strategische Weisheit “Groß frisst Klein” wird in diesem Kontext immer seltener Wirkung zeigen. Stattdessen wird “Schnell frisst Langsam” zum neuen strategischen Paradigma, welches für Lernen bedeutet, dass wir viel stärker auf das mit- und voneinander Lernen schauen müssen, da alles andere zu langsam ist. Eine „ad-hoc“-Unterstützung durch am besten in den Fachbereichen angesiedelte Lerncoaches und spezifisch trainierte, digitale Lernassistenten werden dabei an Bedeutung gewinnen.
  4. Gefahr der Generierung und Verbreitung von Fake News: Ein großes Problem besteht darin, dass diese Tools wahrscheinlich dazu verwendet werden, große Massen an „Fake News“ zu generieren und zu verbreiten. Treten wir ein in das Zeitalter der „digital uncertainty“, in welchem man sich nicht mehr sicher sein kann, ob Personen im digitalen Raum menschlicher oder digitaler Natur sind. Für die Personalentwicklung wird es daher wichtiger, beim Aufbau der notwendigen, digitalen Fähigkeiten zu unterstützen, damit wir mit den Möglichkeiten, die uns dieser neue Kontext bietet, sinnvoll umgehen können. Kurationsfähigkeiten aufzubauen und zu lernen, wie man sinnvolle Fragen an generative KI-Werkzeuge stellt und die Antworten einzuordnen vermag, sind nur ein paar der Fähigkeiten, die es hierbei zu stärken gilt.

Aus meiner Sicht wird es mehr auf eine Ergänzung, Symbiose, geschickte Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI ankommen, als auf ein Entweder-Oder. Trotz aller Unvorhersehbarkeiten bin ich der Überzeugung, dass sich aus all diesen Veränderungen mehr Chancen ergeben, als z.B. Arbeitsplätze automatisiert werden. Die Frage ist, ob wir bereit sind, diese Chancen zu erkennen und nutzen zu wollen. Dies benötigt Mut und co-kreative Experiementierräume.

Die genauen Auswirkungen von generativen KI-Tools kann zwar niemand aus meiner Sicht wirklich „vorhersagen“, aber die ersten Studien zeigen zumindest bereits klar auf, dass alle Organisationen und Fachbereiche, einschließlich der Personalentwicklung, sich sorgfältig mit dem Thema beschäftigen müssen.

Die Schattenseiten von AI

Natürlich ist nicht alles Sonnenschein, wenn es um den Einsatz von KI, auch im betrieblichen Lernen, geht. Ein kritischer Punkt ist der sogenannte „AI-Bias“, also die Voreingenommenheit der KI-Modelle. Diese können die Vorurteile der Menschen, die sie trainiert haben, übernehmen und so zu einer einseitigen oder sogar diskriminierenden Lernumgebung führen. Zudem besteht die Gefahr der „künstlichen Halluzination“, bei der die KI Informationen generiert, die nicht auf Fakten basieren, die frei erfunden wurden. Dies aber in einer sehr überzeugenden Art und Weise. Das kann besonders in den Lernkontexten problematisch sein, wo Verlässlichkeit und Genauigkeit der Informationen entscheidend sind. Zudem kann ein unreflektiertes „abhängig“ machen von KI-Systemen auch dazu führen, dass menschliche Fähigkeiten, wie kritisches Denken oder Empathie, in den Hintergrund treten. Daher ist es wichtig, die KI-Technologie verantwortungsbewusst und mit einem kritischen Blick zu integrieren und gezielt daran zu denken, wie die Negativ-Aspekte minimiert und kritisches Denken gefördert werden können.

Aber welche Möglichkeiten ergeben sich für die Personalentwicklung nun konkret durch den Einsatz von KI-Technologien?

Einsatzszenarien in der Personalentwicklung

Um uns die Möglichkeiten besser greifbar und damit erschließbar machen zu können, möchte ich euch im Folgenden anhand ein paar konkreter Beispiele aufzeigen, wie, wo und wofür ihr die neuen Tools einsetzen könnt.

Personalisierte Lernpfade ermöglichen

Generative AI-Tools wie ChatGPT können individuelle Lernpläne erstellen, die auf den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Mitarbeitenden basieren. Probiert einfach einmal den folgenden Prompt aus:

„Erstelle mir einen Lernplan zum Thema Kundenorientierung. Ich habe bis jetzt kaum Erfahrungen in dem Bereich, werde aber in 100 Tagen eine Stelle im Bereich Customer Service übernehmen. Was muss ich tun, um die notwendigen Skills bis dahin aufzubauen? Nutze dabei das Pareto-Prinzip und fokussiere dich bei dem Lernplan auf die 20% die ich brauche, um 80% des Themas zu verstehen. Nenne mir auch Quellen zu den einzelnen Lernbereichen, wo ich mich initial informieren kann.“

Oder stelle dir einmal vor, dass ein:e Vertriebsmitarbeiter:in auf dich zukommt und sagt, dass er/sie nicht nur seine Verhandlungsfähigkeiten verbessern möchte, sondern auch generell besser im zwischenmenschlichen Umgang mit Kunden. Ein AI-Tool könnte mittels gezielter Reflexionsfragen und dem Zugriff auf andere Daten eine umfassende Analyse durchführen, die sowohl die Verhandlungs- als auch die Kommunikationsfähigkeiten berücksichtigt. Die vorgeschlagenen Lernangebote könnten dann Videos, Artikel, Podcasts, interaktive Übungen und sogar Rollenspiele mit virtuellen Kunden enthalten, die auf den aktuellen Kenntnisstand aufbauen und damit maximal anschlussfähig und relevant für die lernende Person sind. Hierfür ist es sinnvoll, auch die Skill-Transparenz in der Organisation zu erhöhen.

Das Ziel von Jan ist es, die wirkungsstarke Verbindung von Arbeiten mit Lernen und Innovationen, eingebettet in eine sinnvolle digitale Unterstützung, voranzubringen.

Skill-Transparenz erhöhen und Lücken ausfindig machen

Durch die Analyse von Mitarbeitendendaten können generative KI-Tools bspw. Empfehlungen für notwendige Weiterbildungen geben oder die passenderen Reflexionsfragen stellen.

Stell dir vor, euer selbsttrainierter Lern-Bot analysiert nicht nur die Fähigkeiten eines Teams, sondern auch die Anforderungen aktueller und zukünftiger Projekte. Stellt der Bot fest, dass Kenntnisse in Data Analytics Bereich fehlen, schlägt er nicht nur die entsprechend passenden Lernangebote vor und zeigt auf, welche der Mitarbeitenden schnell in dem Bereich neue Skills aufbauen könnten, sondern kann auch simulieren, wie sich die Weiterbildung auf die Teamleistung auswirken kann.

Dieses Beispiel zeigt auf, wie tiefgreifend die Möglichkeiten von generativen KI-Tools im betrieblichen Lernkontext sein werden. Sie können den Lernprozess nicht nur effizienter, sondern auch wesentlich zielgerichteter und bedürfnisorientierter gestalten.

Besonders im Bereich adaptiver Lernpfade und Skill-Orientierung entstehen im AI-gestützten EdTech-Bereich zurzeit einige neue Lösungen, wie bspw. bei Edyoucated, Appose, Skillties, Imaginarity oder Eightfold.

Auch im Bereich der Entwicklung von digitalen Lerninhalten, passiert zurzeit einiges.

Rapid Content-Development auf ein neues Level bringen

Generative KI-Tools wie ChatGPT revolutionieren das schnelle Entwickeln digitaler Lerninhalte in einer Weise, die bisher unvorstellbar war. Stell dir vor, du brauchst einen kompletten Kurs zum Thema „Agiles Projektmanagement“ für deine Organisation. Anstatt Wochen oder gar Monate damit zu verbringen, Inhalte zu recherchieren, Texte zu schreiben und passende Videos dazu zu erstellen, können dir generative AI-Tools wie Runway ml, Synthesia, Pictory AI, Midjourney, Leonardo AI usw. als Assistenten dabei helfen, diese Aufgaben in einem Bruchteil der Zeit zu erledigen. Diese Tools können nicht nur den gesamten Kursinhalt, z.B. basierend auf euren bereits vorhandenen Unterlagen oder externer Artikel generieren, sondern auch Quizfragen, Fallstudien und interaktive Übungen erstellen, die den Lernprozess vertiefen. Dem nicht genug kann der Content in fast Echtzeit aktualisiert werden, um ihn an neue Entwicklungen oder gesetzliche Änderungen anzupassen. In Teilen auch automatisiert. Auch wenn hierbei das 4-Augen-Prinzip sicher nicht schaden kann. Das spart nicht nur unglaublich viel Arbeitszeit, sondern erhöht auch die Qualität und Aktualität des Lernmaterials. Und das auch noch in beliebig vielen Sprachen, ohne eine Übersetzungsagentur beauftragen zu müssen. Ein absoluter Game-Changer für die Entwicklung von Lerninhalten.

Oder stell dir einmal vor, dein CEO kommt auf dich zu, da ein Cybersecurity-Kurs für alle benötigt wird. Und zwar am besten gestern. Panik? Nicht mit generativen KI-Tools. Du recherchierst zuerst die relevanten Inhalte und lädst sie in ein Tool wie Courseau hoch und drückst auf „Start“ und – voilà – ein paar Minuten später ist dein komplettes Grundgerüst, samt Quizfragen, fertig. Du möchtest zu den Inhalten allerdings noch Bilder und Videos hinzufügen und verwendest dazu zuerst ChatGPT, um dir ein Skript schreiben zu lassen. Danach nutzt du das Skript, um mittels Pictory ein passendes Video dazu zu erstellen. Du möchtest, dass du selbst als digitaler Avatar in dem Angebot erscheinst? Kein Problem, mittels bspw. Synthesia oder HeyGen kannst du dir deinen eigenen, „digitalen Zwilling“/AI-Avatar erzeugen. Die Skripte für deinen digitalen Klon erstellst du dir einfach wieder mittels ChatGPT. Ihr seid international unterwegs und du brauchst das Lernangebot zudem noch in mind. 4 Sprachen? Auch dabei können dir die genannten Tools behilflich sein.

Natürlich passt du das Ergebnis immer noch an und überprüfst die Korrektheit der Inhalte. Dies kostet dich aber nur noch ein paar Stunden bis Tage, und nicht mehr Wochen bis Monate. Dein:e Auftraggeber:in ist begeistert, und du? Du hast gerade einen riesigen Arbeitsaufwand in Rekordzeit bewältigt. Game-Changer? Absolut.

Auch größere, digitale Lernlösungs-Anbieter wie Area9 oder IMC haben bereits erste Content Development Assistenten, auf Basis von GPT, in ihre Lösungen integriert. Es muss also nicht immer gleich ein neues Tool sein.

Echtzeit-Feedback und -Unterstützung ermöglichen

Large Language Models können als virtueller Tutor (Performance Support Assistent) fungieren, der Fragen in Echtzeit beantwortet und sofortiges Feedback, rund um die Uhr, ermöglicht.

Stell dir vor, du sitzt an deinem Arbeitsplatz und stolperst über einen schwierigen Prozess, den du nur selten bearbeiten musst. Anstatt durch endlose Prozessbeschreibungen zu blättern, Webseiten zu scannen, nach internen Ansprechpartner:innen zu suchen oder auf die Antwort eines/einer Kolleg:in zu warten, öffnest du einfach den Chat mit deinem virtuellen Tutor. Innerhalb von Sekunden erhältst du eine präzise, leicht verständliche Antwort, die dir hilft, den Prozess effizient abzuarbeiten. Und falls du die Antwort einmal nicht direkt verstehen solltest, erklärt dir dein Assistent das Thema zudem mit einer unendlichen Geduld so oft, bis es „klick“ gemacht hat. Ferner kannst du sogar Feedback zu deiner gewählten Herangehensweise erhalten, dir alternative Lösungswege aufzeigen oder dich auf relevante Materialien oder passende Ansprechpartnerinnen hinweisen lassen. Das ist Echtzeit-Unterstützung auf einem ganz neuen Level. Ein unschätzbarer Vorteil in unserer schnelllebigen Arbeitswelt von heute, in der bspw. Wissensarbeitende bis zu 20% ihrer Arbeitszeit am Suchen von Informationen und Hilfe sind.

Schaut euch hierzu einfach einmal den Tutor der Khan Academy „Khanmigo“ an. Dieser ist einer der Vorreiter im Bereich der AI-Lernassistenten. Nutzbar für Lernende, aber auch Trainer:innen.

Onboarding-Prozesse verbessern

Stell dir vor, du bist frisch im Marketing-Team gelandet und fühlst dich ein bisschen wie ein Alien in einer neuen Welt. Es gibt so viele Tools, Prozesse und Abkürzungen, dass du kaum weißt, wo du anfangen sollst. Aber keine Sorge, dein Onboarding Assistent ist für dich da. Schon vor deinem ersten Tag präsentiert dir der virtuelle Assistent einen maßgeschneiderten Onboarding-Plan. Dieser enthält nicht nur Videos und Tutorials zu den Tools, die du verwenden wirst, sondern auch Quizfragen, die dein Verständnis testen und vertiefen. Und das Beste daran? Der Plan passt sich in Echtzeit an deine Fortschritte an. Strugglest du mit der Bedienung des CRM-Systems? Dein Assistent merkt das und schiebt ein zusätzliches Tutorial ein. Hast du das E-Mail-Marketing-Tool im Handumdrehen gemeistert? Super, dann geht‘s schneller voran zum nächsten Punkt. Du hast Fragen zu Freigaben oder deinem neuen Equipment? Dein virtueller Assistent hilft dir dabei, die richtigen Ansprechpartner:innen zu finden. So wird dein Einstieg nicht nur effizienter, sondern auch wesentlich angenehmer. Ein Win-Win für dich und dein neues Team.

Klingt dies noch zu weit von deiner betrieblichen Lernrealität entfernt? Sind viele der Inhalte aus jetziger Datenschutzsicht undenkbar? Könnte es zu kulturellen Herausforderungen bezüglich des Einsatzes von z.B. AI-Avataren bei euch kommen? Genau an diesem Punkt stehen auch fast alle anderen Unternehmen im deutschsprachigen Raum. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, sich diesen Herausforderungen zu stellen und sie zu gestalten, bevor sie bzw. die Marktgegebenheiten uns gestalten.

Fazit

Wir befinden uns an der Pforte einer bahnbrechenden Epoche in der Welt des betrieblichen Lernens. Einer Epoche, die durch den Einsatz von KI-Tools charakterisiert sein wird, ohne die zwischenmenschliche Komponente und die in unserem Kontext notwendigen, sozialen Lernräume zu vernachlässigen. Die Instrumente der künstlichen Intelligenz sind nicht bloße Hebel zur Steigerung der Effizienz; sie sind vielmehr Katalysatoren einer tiefgreifenden Transformation, die die Geschwindigkeit und Aktualität unserer Lernangebote sowie die deren Individualisierung an die Bedürfnisse der Lernenden neu definieren wird. Die Anwendungsmöglichkeiten generativer KI sind so vielfältig, dass sie fast ausschließlich durch unsere Vorstellungsgabe limitiert sind. Genau diese Vorstellungsgabe gilt es, wie beispielsweise im New Learning Lab, gemeinsam zu erweitern, um die Potenziale für betriebliches Lernen besser ausschöpfen zu können. Die neuen AI-gestützten Tools ermöglichen eine Weiterbildung des betrieblichen Lernens, die nicht nur adaptiv und kontinuierlich ist, sondern so maßgeschneidert, dass sie jede:n Einzelne:n in seiner bzw. ihren persönlichen und beruflichen Entwicklung fördert. Dabei bleibt der Nutzen nicht auf den/die Einzelnen beschränkt; vielmehr wird die gesamte Organisation in ihrer Leistungsfähigkeit und Innovationskraft gestärkt. Besonders die Verbindung mit einem größeren Fokus auf das in diesem Kontext wichtiger werdende Peer Learning ist nicht zu unterschätzen, um eine Kultur der stetigen, gemeinsamen Weiterentwicklung zu etablieren. Da ist es wieder, das Fabelwesen der Lernenden Organisation. Es scheint, als wäre die Zeit nun reif dafür.

By the way: Der Mix aus persönlichen, skill-basierten Lern- und Arbeitsassistenten, gepaart mit vielen Austausch- und Experimentierräumen ist genau das, was meine Kollegin Prof. Dr. Anja Schmitz und ich mit dem Begriff New Learning propagieren. Co-kreatives Empowerment. Die neuen KI-Technologien spielen dieser Neuausrichtung des Lernens in Organisationen also voll in die Karten. 😉

In dieser aufregenden Zeit stehen wir somit nicht nur vor der Herausforderung, die Technologie für uns nutzbar zu machen, sondern auch vor der Kunst, sie weise einzusetzen. Wie bei jeder technologischen Revolution, so sind auch hier Herausforderungen und Risiken nicht von der Hand zu weisen. Eine gesunde, ethische Basis und Verantwortungsbewusstsein sind die Leitsterne, die uns auf diesem spannenden, aber auch komplexen Terrain navigieren lassen. Es obliegt uns, diese Werkzeuge mit Bedacht einzusetzen, um ihr volles Potenzial für das betriebliche Lernen zu erschließen, ohne dabei die menschlichen Werte und Prinzipien aus den Augen zu verlieren.

Also, schnappt euch am besten gleich noch einen Kaffee oder Tee und los geht‘s…


Der Autor

Jan Foelsing

Jan Foelsing ist New Learning Experte, Dozent, Fachbuchautor, Blogger und Speaker. Während seiner über 20-jährigen Berufserfahrung hat er für diverse Organisationen in den unterschiedlichsten Branchen gearbeitet.

Sein momentaner Schwerpunkt liegt, auf der strategischen Ebene, bei der Entwicklung wirksamer Lernstrategien und Learning Ecosystems, um den Nährboden für eine mehrwertstiftende Lernkultur in den Organisationen „aufzubereiten“, samt der passenden, digitalen Unterstützung.

 


Lesetipp

Jan Foelsing & Prof. Dr. Anja Schmitz:
New Work braucht New Learning
Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organi-sations- und Lernwelten

Umfang: 351 Seiten
Sprache: Deutsch

ISBN (Print):  9783658327576
ISBN (E-Book): 9783658327583

www.janfoelsing.de