Lokalisierung von E-Learnings – was kann Machine Translation, was nicht?

Akzeptanz, Motivation und Lernerfolg sind wesentlich höher, wenn E-Learnings lokalisiert, d. h. in die Muttersprache der Lernenden übersetzt werden. Kein Problem? Machine Translation ist heute schließlich so gut wie nie zuvor. Volker Rühl, Experte für Qualitätssicherung bei SMARTSPOKES, erklärt, wieso bei der Lokalisierung menschliches Know-how nach wie vor gefragt ist.

eLearning Journal: Herr Rühl, wer übersetzt besser – Mensch oder Maschine?

Volker Rühl: (lacht) Das hängt vom Mensch ab, und von der Maschine. Die Fortschritte bei Machine Translation in den letzten Jahren waren in der Tat rasant. Das hat in der Übersetzungsbranche zu vielen Prozessverbesserungen geführt. Viele Texte, deren Übersetzung früher „nice to have“, aber leider zu teuer gewesen wäre, lassen sich durch MT jetzt kostengünstig übersetzen. Und zwar durchaus auf einem passablen Niveau.

„Zum Friseur gehe ich nicht, um zu sterben.“

eLearning Journal: Es geht also auch ohne Menschen?

Volker Rühl: Nicht wirklich. Allerspätestens bei der Qualitätskontrolle muss der Mensch ran. Man darf nie vergessen, dass die Maschine immer noch nicht versteht, was sie übersetzt. Da wird etwa „dying“ mit „Sterben“ übersetzt, auch wenn das Färben von Haaren gemeint ist. Zum Friseur gehe ich aber nicht, um zu sterben. Wenn sich ein solcher Fehler in eine Werbebroschüre eines Kosmetikunternehmens einschleicht, ist der Schaden groß, auch wenn die restliche Übersetzung mehr als brauchbar ist. Und das ist oft der Fall. Ich schätze, dass MT für ca. 60 % aller zu übersetzenden Texte eine Option darstellt – vorausgesetzt, die Übersetzung wird hinterher von einem Menschen auf Herz und Nieren geprüft. Das Problem besteht darin, die anderen 40 % rechtzeitig zu erkennen.

eLearning Journal: 40 % aller Texte sind für die Machine Translation schlicht zu anspruchsvoll?

Volker Rühl: (seufzt) Wenn es nur so einfach wäre! Wenn der Ausgangstext gut geschrieben ist, keine inhaltlichen oder sprachlichen Fehler und auch keine unidiomatischen Formulierungen enthält, kann die Maschine das gut hinbekommen. Selbst wenn es um etwas Kompliziertes wie Raketenantriebssysteme geht. Trotzdem könnte ein anspruchsvoller Kunde sagen: Das genügt mir nicht!

eLearning Journal: Wieso? Was macht der Mensch denn besser?

Volker Rühl: MT-Programme denken auch heute noch nur von Satz zu Satz. Das führt beispielsweise dazu, dass Wörter, oft auch Schlüsselbegriffe, im Laufe eines Textes auf sieben oder acht völlig verschiedene Weisen übersetzt werden. Das ist gerade bei Schulungen ärgerlich, wenn es darum geht, verschiedene Fachbegriffe voneinander abzugrenzen. Übersetzern unterlaufen solche Fehler viel seltener – weil sie den Gesamtzusammenhang im Blick haben.

„Die Lernenden sind die eigentliche Zielgruppe.“

eLearning Journal: Das heißt, je höher die Qualitätsanforderungen des Kunden sind, umso eher sollte er auf den Faktor Mensch setzen?

Volker Rühl: Zum Teil. Noch wichtiger als die Anforderungen des Content-Providers sind die Anforderungen derjenigen, für die ein E-Learning gedacht ist. Die Lernenden sind die eigentliche Zielgruppe. Je nachdem, was man wem beibringen möchte, stoßen maschinelle Übersetzungen schnell an ihre Grenzen.

eLearning Journal: Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Volker Rühl: Gerne. Nehmen wir an, ein Unternehmen filmt einen Schichtführer, der sein Team in die Prozesse einer neuen Fertigungsanlage einführt. Anschließend wird der gesprochene Text vom Lokalisierungspartner transkribiert und in verschiedene Sprachen übersetzt, zur Synchronisation oder für Untertitel. Das Ziel ist, dass auch die Belegschaften in den weltweiten Niederlassungen lernen, die neue Anlage zu bedienen. In diesem Beispiel wäre der zu übersetzende Text wahrscheinlich vom „literarischen“ Gesichtspunkt aus nicht übermäßig anspruchsvoll. MT hätte aber trotzdem gewaltige Probleme. Die Programme sind nämlich nicht dafür ausgelegt, mit ständigen Füllwörtern wie „ah“, „oh“, „hm“ und „tja“, häufigen Halbsätzen und anderen Eigenarten gesprochener Sprache umzugehen. Also: Auch ein an und für sich „einfacher“ Text kann für die Maschine zu schwer sein. Und die Zielgruppe lernt dann nicht, was sie hätte lernen sollen. Das ist der entscheidende Punkt.

eLearning Journal: Was bedeutet das speziell für E-Learnings?

Volker Rühl: Gerade im E-Learning-Bereich ist der Markt sehr umkämpft. Nehmen wir ein zweites Beispiel: Ein professioneller Content-Entwickler hat ein durchdachtes, ansprechend gestaltetes Tutorial erstellt, das er in viele Länder weltweit verkaufen möchte. Möglicherweise hat er viel Geld hineingesteckt, etwa, indem er das Tutorial durch aufwendig produzierte Animationen oder Videos aufgelockert hat. Bei solchen Großprojekten kommt es schließlich auf jedes Detail an. Eine maschinelle Übersetzung – eine gründliche Überarbeitung vorausgesetzt – könnte den Text inhaltlich und sprachlich weitgehend richtig wiedergeben. Aber so manches bliebe trotzdem auf der Strecke.

„Der Ton macht die Musik.“

eLearning Journal: Das wäre?

Volker Rühl: Je nachdem, wer das E-Learning produziert hat und wer die Lernenden sind, ist ein völlig anderer Tonfall anzuschlagen. Der Ton macht die Musik. Kinder und Jugendliche müssen anders angesprochen werden als Erwachsene, Kunden anders als die eigenen Mitarbeiter. Und wie man seine Kunden oder Mitarbeiter anspricht, hängt auch von der eigenen Unternehmenskultur ab. Und von dem Markenimage, das man nach außen transportieren möchte. Auch nationale Besonderheiten spielen hinein. Der übersetzte Text muss, je nach Sprache, „lockerer“ oder „seriöser“ als der Ausgangstext klingen. Maschinen können das nicht leisten. Und auch Menschen schaffen das leichter, wenn sie selbst übersetzen, als wenn sie eine MT-Übersetzung überarbeiten. Dann lässt man sich nämlich leicht dazu verleiten, Übersetzungen zu akzeptieren, die nicht wirklich falsch sind, die man selber aber besser hinbekommen hätte.

eLearning Journal: Aber ist es nicht auch eine Kostenfrage?

Volker Rühl: Natürlich. Es hängt immer auch vom Budget ab. Wenn die Kosten der alles bestimmende Faktor sind, bietet sich meist eine MT-Übersetzung mit anschließender Überarbeitung durch versierte Linguisten an. Wenn Sie aber Schulungen verkaufen möchten, muss die Qualität an erster Stelle stehen. Dann würde ich aus den genannten Gründen zum menschlichen Übersetzer raten.

eLearning Journal: Wofür entscheiden sich die meisten Kunden in der Praxis?

Volker Rühl: Teils, teils. Gerade erst haben wir eine mit mit einem gängigen MT-Programm erstellte technische Schulung überarbeitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, weil der Text geeignet war und der Reviewer wusste, worauf er beim Editing achten musste. Ein anderer Kunde ließ sein erstes Projekt mit uns ebenfalls maschinell übersetzen. Als er dann aber sah, was wir nachträglich alles noch geändert haben, sagte er: „Dann kann ich das beim nächsten Mal auch gleich von Menschen übersetzen lassen.“ Und jetzt arbeiten wieder professionelle Übersetzer an den Texten dieses Kunden.

„Auch bei Übersetzungen ist Lean Management ein wichtiger Faktor.“

eLearning Journal: Ja, aber E-Learning-Projekte müssen oft in mehr als 20 Sprachen lokalisiert werden. Ist es für den Kunden nicht sehr aufwendig, wenn er mit über 20 Agenturen in den verschiedensten Ländern zusammenarbeiten muss?

Volker Rühl: Das muss er gar nicht. Moderne Übersetzungsagenturen haben Partner auf der ganzen Welt und nehmen dem Kunden die Suche nach Übersetzern komplett ab, weltweit. Auch sonst ist Lean Management ein wichtiger Faktor. Übersetzungsagenturen bieten heute mehr als nur übersetzte Texte. Sie bieten jedem Kunden eine auf ihn zugeschnittene Lösung. Übersetzungen in zahlreiche Sprachen, Lokalisierung von Bild, Ton, Video – alles aus einer Hand. Die Kunden haben nur einen Ansprechpartner für ein globales Lokalisierungsprojekt und sparen Zeit und Geld.

eLearning Journal: Zuletzt noch eine persönliche Frage: Sie arbeiten seit zwanzig Jahren im selben Unternehmen. Wird das nicht manchmal eintönig?

Volker Rühl: Gar nicht! Es hat sich in der Zeit ja sehr viel verändert. Und man nimmt den Wandel viel intensiver wahr, wenn man am selben Ort bleibt. Man sieht: Das was anders ist, ist nicht einfach eine andere Unternehmenskultur, sondern es ist eine andere Welt.

eLearning Journal: Herr Rühl, vielen Dank für die interessanten Einblicke in die Praxis des Übersetzens von E-Learnings.

Volker Rühl: Gerne. Ich danke Ihnen.

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen gesponsorten Beitrag der Firma SMARTSPOKES AG.


Profil:

Volker Rühl

Der Germanist und Anglist ist seit 1999 in der Qualitätssicherung bei SMARTSPOKES, den Experten für E-Learning-Lokalisierung, in Böblingen tätig. Im Laufe der letzten 20 Jahre hat er viele Umbrüche und technische Neuerungen erlebt, aber eines blieb gleich: „Know-how ist immer gefragt“.

 

 


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