Warum man sich mit dem Thema „Learner Engagement“ auseinandersetzen sollte

In Zeiten des Fachkräftemangels ist es wichtiger denn je, die eigenen Kompetenzträger zu halten und potentielle Leistungsträger zielgerichtet zu entwickeln. Learner Engagement kann in diesem Kontext ein wichtiger Baustein sein, um wertvolle Mitarbeiter durch ein zielgerichtetes, motivierendes Lernumfeld langfristig an das eigene Unternehmen zu binden. Um dieses Thema zu vertiefen, stand uns Holger Bräunlich von Valamis für ein Interview zur Verfügung.

Die Valamis-Lernoberfläche – white-labelled, an die Unternehmens-CI anpassbar.

eLearning Journal: Guten Tag, Herr Bräunlich. In Ihrem Artikel steht das Thema „Learner Engagement“ im Vordergrund. Können Sie eingangs kurz definieren, was man darunter versteht? Ist Lerner Engagement, um es etwas provokant auszudrücken, nicht einfach nur ein anderer Begriff für Lernmotivation?

Holger Bräunlich: Nein. Learner Engagement, also die langfristige Bindung von Lernenden, geht über Lernmotivation hinaus. Engagement entsteht dann, wenn die Freude am Lernen zur Selbstverständlichkeit wird. Leider liefern herkömmliche Learning Management-Systeme (LMS) immer wieder Beispiele dafür, wie es nicht laufen sollte und was passiert, wenn weder Motivation noch Engagement gefördert werden. Wir reden bei klassischen Online-Trainings von Nutzungsraten von teilweise unter 10 Prozent. Da hinter solchen Anwendungen häufig große Investitionen stecken, ist es nur verständlich, dass niemand begeistert auf so geringe Raten reagiert.

Der Grund dafür sind weniger didaktische oder inhaltliche Schwächen. Die größten Hürden für ein motivierendes Lernumfeld sind technischer Natur. So wurden LMS bisher nicht dahingehend vorangetrieben, dass sie die Lernmotivation fördern. Dabei ist es absolut grundlegend für die Begeisterung von Lernenden, ob sich das System, mit dem sie arbeiten sollen, ihren Bedürfnissen anpasst. Viele Lernende wollen selbst bestimmen, wie und wann sie auf bestimmte Bildungsinhalte zugreifen. Deswegen müssen moderne Lernsysteme flexibel sein und die Möglichkeit zur Personalisierung bieten. Technisch möglich ist das zum Beispiel durch Chatbots oder auch intelligente Algorithmen, die im Hintergrund mitlernen. Ein weiteres Thema sind Learning Analytics, die dafür sorgen, dass die Lernerfahrung fortlaufend optimiert wird. Gerade im Hinblick auf neue Trainingsformen in Extended Reality-Umgebungen (VR, AR) ist es wichtig, dass die Technologien mit der Anwendungskomplexität mitwachsen. Das ist zum Beispiel durch Schnittstellen wie xAPI und Learning Record Stores (LRS) möglich.

eLearning Journal: Ein zentraler Aspekt zur Verbesserung des Learner Engagements ist laut Ihrem Artikel der Einbezug der Erwartungen und Bedarfe der einzelnen Lerner. Bedeutet ein solcher Fokus auf den einzelnen Lerner für Unternehmen nicht einen großen Mehraufwand? Falls ja, lohnt sich dieser Mehraufwand überhaupt?

Holger Bräunlich: Ja, das ist definitiv ein Mehraufwand. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir uns alle zusehends an personalisierte Strukturen gewöhnen – wir empfinden eine individualisierte Customer Experience inzwischen als selbstverständlich, wenn wir online shoppen oder eine Suchmaschine benutzen. Der gedankliche Schritt zum Arbeitsplatz und damit zu den Erwartungen der Beschäftigten ist nicht groß: Auch hier wollen MitarbeiterInnen, dass die beruflichen Rahmenbedingungen zu ihren persönlichen Erwartungen und Bedürfnissen passen, und dass ihr Arbeitsgeber das wahrnimmt! Nur sprechen wir hier nicht mehr vom Kundenerlebnis, sondern von der „Employee Experience“. Diese wird inzwischen auch von Arbeitgebern als Erfolgsfaktor betrachtet: Nicht ohne Grund sehen 45 Prozent der Unternehmen in der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter einen wichtigen Faktor, wenn es um die Erhöhung der Arbeitsgeberattraktivität geht – das sagt der Trendmonitor Weiterbildung.

Eines möchte ich darüber hinaus zu bedenken geben: Wir befinden uns in einem regelrechten Wettkampf um qualifizierte Mitarbeiter. McKinsey hat in diesem Zusammenhang schon in den 90ern den „War for Talent“ ins Gespräch gebracht. Das hat sich bis heute nicht geändert, der Fachkräftemangel ist gerade in Deutschland ein großes Thema. Viele Unternehmen versäumen es jedoch, selbst aktiv zur Talentschmiede zu werden. Dabei sind Entwicklung und Bindung von besonderen Kompetenzen eine Investition, die sich für jedes Unternehmen lohnt. Die Aufwände für eine Weiterbildungskultur, die den Lernenden im Zentrum hat, werden durch das hohe Wertschöpfungspotenzial einer gezielten Talentförderung deutlich relativiert.

eLearning Journal: Um möglichst zielgerichtet die individuelle Weiterbildung von Mitarbeitern unterstützen zu können, bietet sich eine Auswertung der Lernaktivitäten an. Welche Rolle spielt in diesem Kontext das Thema „Datenschutz“? Gibt es Ihrer Erfahrung nach von Seiten der Lerner aber auch vom Betriebsrat aus Datenschutzgründen Bedenken gegenüber der Auswertung von Lernaktivitäten? Falls ja, wie kann diesen Bedenken begegnet werden?

Holger Bräunlich: Datenschutz ist ein zentrales Thema für uns. Deutschland ist bei diesem Thema Vorreiter und seit Jahren federführend. Deshalb ist die enge Zusammenarbeit mit Datenschutzbeauftragten und Betriebsräten unverzichtbar, wenn es um die datenseitige Erfassung und Analyse von Lernaktivitäten geht. Gleiches gilt bei der Profilbildung und Personalisierung von Lernangeboten. Sämtliche Maßnahmen sollten transparent, Compliance- und gesetzeskonform und mit dem Fokus auf die Vorteile der Lernenden umgesetzt werden.

Bei allen datenschutzrechtlichen Implikationen, die Learning Analytics mit sich bringen, darf nicht vergessen werden, dass es hier auch um ein Instrument zur Qualitätskontrolle geht. Das Thema Evaluation ist seit jeher ein Big Issue für den Bildungssektor. Letztlich können einzelne Schulungsmaßnahmen genauso wie übergeordnete Weiterbildungskonzepte nur dann für alle Seiten gewinnbringend sein, wenn sie fortlaufend optimiert und an die Bedürfnisse aller Beteiligten angepasst werden. Hier erschließt sich wieder eine Parallele zu den Gewohnheiten und Erwartungen der privaten Nutzung: Das Tracking von Websites soll stichhaltige Anhaltspunkte für eine Optimierung und Personalisierung von Online-Angeboten gewinnen. Und wenn wir an die Gamification von Lernanwendungen denken, sind Nutzer die Datenspeicherung von Spielständen beispielsweise ohnehin gewohnt.

eLearning Journal: Moderne Lernumgebungen können Unternehmen bei der Umsetzung von individualisierten Lernkonzepten unterstützen. Insbesondere das Trendthema „Künstliche Intelligenz“ (KI) verspricht in dieser Hinsicht, etwa in der Form von Chatbots als persönlicher Lernbegleiter, großes Potential. Wie relevant ist KI Ihrer Einschätzung nach aktuell für die betriebliche Bildung im deutschsprachigen Raum? Welches Potential sehen Sie für die kommenden Jahre?

Holger Bräunlich: Noch ist KI für viele „Zukunftsmusik”. Einige Unternehmen haben aber nicht nur erkannt, dass es kommen wird, sondern sind schon dabei, die Grundlage und das Umfeld für erfolgreiche KI-Arbeit zu schaffen. Sie tun das zum Beispiel mit einer eigenen Abteilung für Data Science. Unterm Strich gibt es zurzeit allerdings leider wenig innovative Ansätze in Deutschland.

Vorreiter hier sind in diesem Sektor die angelsächsischen und skandinavischen Länder – aber eben auch China. Bei uns braucht es in weiten Teilen ein Umdenken, bis sich deutsche Unternehmen dem Thema KI und Weiterbildung stärker zuwenden. Während die technischen Möglichkeiten mittlerweile gegeben sind, wird es für viele Personalentwickler und Weiterbildungsverantwortliche wohl noch schwer sein, ihre Entscheider von der Investition in KI-basierten Lernumgebungen zu überzeugen.

eLearning Journal: In Ihrem Artikel sprechen Sie u.a. kurz Learning Experience Platforms (LXPs) an. Was genau ist eigentlich eine Learning Experience Platform? Und wie unterscheiden sich diese von einem „klassischen“ LMS?

Holger Bräunlich: Bei klassischen LMS geht es im Wesentlichen um die Administration und Verwaltung von kursbasierten Lerninhalten. Bei der neuen Generation von Lernplattformen geht es mehr um die Aktivierung und Motivation der Lernenden. Wir reden auch von „Enablement & Engagement“ – eine LXP schafft die Grundlagen für selbstbestimmte Lernprozesse und sorgt somit nachhaltig für Motivation und eine hohe Bindung der Lernenden. Zudem liefern LXPs den Lernenden das Wissen im richtigen Kontext zur richtigen Zeit auf das richtige Endgerät. Sie nutzen hierbei Technologien, die selbstgesteuerte Lernprozesse ermöglichen und vereinfachen.

eLearning Journal: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bräunlich!


Profil

Holger Bräunlich

ist seit 2017 als Business Development Manager für den deutschsprachigen Markt bei Valamis verantwortlich. Seit 2001 widmet er sich digitalen Geschäftsmodellen aus den Bereichen HR, Marketing, Marktforschung und Learning & Development. Gemeinsam mit seinen Kunden konzipiert er gewinnbringende, personalisierte Lernerfahrungen, die Lerner bestmöglich im Lernprozess unterstützen.

 


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