Nachgefragt: Hybrides Lernen für die LKW-Verkäufer der Daimler Truck AG

Schon seit mehr als 20 Jahren setzt Daimler das sogenannte „C-Sales-Programm“ zur Schulung seiner Verkäufer ein. Nach den positiven Erfahrungen mit eLearning während der COVID19-Pandemie sollte das Programm als „C-Sales 3.0“ als hybrides Konzept modernisiert werden. Die besondere Herausforderung stellte dabei jedoch die Tatsache dar, dass das C-Sales-Programm in über 42 internationalen Märkten zum Einsatz kommt. In unserem Interview berichtet Sabrina Schwarz, die Projektverantwortliche der Daimler Truck AG, wie diese Herausforderung gelöst werden konnte.

videoproductioneLearning Journal: Die vitero GmbH hat zusammen mit der Daimler Truck AG den eLearning AWARD 2023 in der Kategorie „Hybrides Lernen“ gewonnen. Das zugrundeliegende Projekt „C-Sales 3.0“ war ein hybrides Ausbildungskonzept bestehend aus digitalen Elementen und anwendungsorientierten Präsenztrainings. Aus welchen Gründen wurde das hybride Trainingskonzept gewählt?

Sabrina Schwarz: Wenn die COVID19-Pandemie uns eines sehr deutlich aufgezeigt hat, dann dass digitale Lernformate uns sehr gut dabei unterstützen können, Wissen anzueignen und gleichzeitig vernetzt zu bleiben. Diese Wissengrundlage schaffen wir bei C-Sales 3.0 mit unseren elearnings, die wir zum Aufbau des notwendigen Grundlagen Know-Hows verwenden, sowie dem virtuellen Klassenzimmer vitero inspire. Dadurch wird sichergestellt, dass die Trainingsgruppen während der Transferphase im Arbeitsalltag verbunden bleiben und die Trainingsinhalte kontinuierlich reflektieren.

Die zweite Seite des hybriden Trainingskonzeptes sind die Trainingscamps als Präsenzkonzept. Uns als Trainingsorganisation ist es wichtig, dass es bei unseren LKW-Verkäufern auch auf der Verhaltensebene „klick“ macht – wie gehe ich auf die B2B-Kunden zu? Wie finde ich die optimale Lösung für deren Geschäftsprozesse? Diese Verhaltensthemen müssen erprobt werden, der Austausch in der Peergroup und mit dem Trainer ist essentiell, daher werden diese Lernziele mit Präsenzveranstaltungen realisiert.

Natürlich sprechen auch unternehmerische Gründe für die Wahl eines hybriden Trainingskonzeptes, sei es das Kriterium Reisekosten oder die Zeit, die Verkäufer nicht on-the-job im Einsatz wären. Zusammengefasst kann man also sagen, dass es uns bei der Gestaltung von C-Sales Truck 3.0 wichtig war, das Beste aus der digitalen und realen Welt zu verbinden.

eLearning Journal: Für die Umsetzung in der digitalen Welt hat sich Daimler Truck für vitero inspire entschieden. Was waren die ausschlaggebenden Gründe dafür?

Sabrina Schwarz: Die besonderen Funktionen und Kollaborationstools in vitero inspire ermöglichen unseren Teilnehmern eine hohe Beteiligung an der Ausarbeitung der Ergebnisse trotz räumlicher Distanz. Dadurch wird eine intensive Zusammenarbeit der digitalen Trainingsgruppen erst ermöglicht. Ein weiterer Grund für die Entscheidung für vitero inspire war das Thema Datenschutz, hierbei konnte das Tool allen Anforderungen gerecht werden. Des Weiteren war es uns wichtig, neben einem hochwertigen und benutzerfreundlichen Tool auch einen kompetenten und verlässlichen Partner an unserer Seite zu haben.

eLearning Journal: Das Training sollte 100% „truck-dedicated“ sein. Was kann man sich darunter konkret vorstellen?

Sabrina Schwarz: Das C-Sales Programm gab es in der früheren Daimler AG bereits seit mehr als 20 Jahren wurde früher gemeinsam mit den Sparten PKW und Van angeboten. Im Zusammenhang mit dem Spin-Off der beiden Unternehmensteile, haben wir die Chance ergriffen, C-Sales für unsere Truck-Sparte auf die besonderen Rahmenbedingungen unserer Transportindustrie zu konzentrieren: Unsere LKW-Kunden sind selbst Unternehmer, erwerben also unserer Produkte und Dienstleistungen, um ihre eigenen Kunden selbst noch besser unterstützen zu können. Ihnen geht es um Wirtschaftlichkeit, Effizienz und niedrige Gesamtbetriebskosten. Unsere Mercedes-Benz LKW-Kunden unterscheiden sich daher zu PKW-Kunden in ihren Kaufmotiven, Entscheidungskriterien und im Kaufprozess. Dies alles muss ein LKW-Verkäufer verstehen und sich quasi in die Situation des Kunden hineinversetzen können. Dazu gehört neben dem truck-spezifischen Produktwissen eben auch die genaue Kenntnis der Customer Journey unserer LKW-Kunden.

eLearning Journal: Das zugrundeliegende „C-Sales“-Verkäuferausbildungsprogramm kommt in über 42 internationalen Märkten zum Einsatz. Konnte das neue hybride Training diesem Umstand Rechnung tragen? Falls ja, wie?

Sabrina Schwarz: Ja, auf jeden Fall. Im November 2022 haben wir in einer Train-the-Trainer Veranstaltung das C-Sales 3.0 Konzept auch an unsere Übersee-Märkte übergeben. Damit findet ab 2023 in allen unseren Märkten die Implementierung statt. Uns war es wichtig, dass die Märkte dieses hybride Trainingskonzept nicht allein stemmen müssen. So wurden die eLearning Elemente zentralseitig entwickelt und werden allen Märkten in über 9 Sprachen zur Verfügung gestellt. Ebenso erhalten die Märkte für die virtuellen Klassenzimmer sowie die Training Camps alle Materialien in Form von Trainerleitfäden und Präsentationen, sodass hier keine eigene Konzeptentwicklung stattfinden muss. Gleichzeitig entscheiden die Märkte, welche Inhalte noch auf die lokalen Marktbedingungen angepasst werden müssen, beispielsweise, weil andere Produktzusammenstellungen oder ein anderes, angepasstes Portfolio an Service- & Finanzierungsdienstleistungen im Markt angeboten werden.

Auch in Bezug auf die Infrastruktur zum hybriden Trainingskonzept haben wir unsere Märkte bestmöglich unterstützt: So wurde zentralseitig aus der TruckTraining Organisation die Entscheidung für vitero inspire als Durchführungstool für die virtuellen Klassenzimmer bei C-Sales getroffen und eine entsprechende Kooperation geschlossen. So können unsere Märkte direkt und mit vollem Funktionsumfang auf vitero inspire zugreifen und dies für die lokale C-Sales Implementierung einsetzen. Das Feedback der Märkte auf die Entscheidung für vitero inspire ist dabei durchweg positiv, u. a. aufgrund der einfachen Handhabung und umfangreichen Interaktionsmöglichkeiten im Raum. vitero inspire wird auch über die Anwendung bei C-Sales hinaus bei uns großflächig eingesetzt.

eLearning Journal: Eine Besonderheit des Projekts war ein „Co-Creation-Ansatz“ mit den Sales-Märkten. Wie wurden diese Märkte konkret in den Entwicklungsprozess einbezogen? Welche Vorteile ergaben sich durch den Ansatz für das Projekt?

Sabrina Schwarz: Auch bei vorangegangenen Trainingskonzepten, die im Headquarter entwickelt wurden, sind unsere Märkte in Form von Konzeptworkshops involviert gewesen. Bei der Neuausrichtung des C-Sales Programmes haben wir diesen Ansatz nochmals deutlich intensiviert, iterativer gestaltet und auch alle zur Verfügung stehenden digitalen Medien genutzt. Uns war es wichtig, so intensiv wie möglich von Anfang an die Marktperspektiven zu integrieren, um möglichst gut deren Qualifizierungsbedarfe zu treffen. Konkret gesagt, wenn wir einen „truck-dedicated“ Ansatz gestalten wollten, dann mussten wir auch verstehen, was dies in den Märkten bedeutet. Welche Herausforderungen gibt es im Verkaufsprozess, was sind erfolgskritische Verhaltensweisen, wie „ticken“ die Kunden in den Märkten? All diese Aspekte wurden in den Marktworkshops eingesammelt. Aus diesen Ergebnissen leitet sich erst das Grobkonzept, später das Feinkonzept ab. Zu diesen Stufen wurden immer wieder das Feedback der Märkte eingesammelt, aber auch deren Kunden-Beispiele, um später Rollengespräche so realistisch wie möglich zu gestalten. Abgerundet wurde dieser Prozess durch eine gemeinsame Community in unserem Daimler Truck Social Intranet, in der stets über Projektfortschritte informiert wurde („Blick in die Garage“).

Insgesamt sind wir fest davon überzeugt, dass dieser Projektansatz maßgeblich zum Erfolg und zur Akzeptanz in den Märkten beigetragen hat. Es entstand eben kein Trainingskonzept aus der Headquarter-Perspektive, sondern ein gemeinsames Ergebnis. In der Vergangenheit durchaus bekannte Einwände, wie „der Ansatz ist ganz gut, aber passt überhaupt nicht zu unserem Markt“, sind dadurch ausgeblieben.

eLearning Journal: Im Rahmen des Projekts wurden drei Kunden-Personas entwickelt, welche die Lernenden durch das gesamte Qualifizierungsprogramm begleiten. Wieso wurde dieser didaktische Ansatz gewählt?

Sabrina Schwarz: Unsere Zielgruppe, die Mercedes-Benz LKW-Verkäufer sollen mit Hilfe von C-Sales 3.0 unsere B2B-Kunden besser verstehen und durch die Customer Journey gezielt begleiten können. Dafür ist es wichtig, dass sich unsere Teilnehmer in jedem Schritt der Customer Journey in den Kunden hineinversetzen, die Erwartungen und Ansprüche nachvollziehen können und verstehen, was den Kunden aus seinem geschäftlichen Umfeld heraus bewegt. Damit dies im Training mit konkreten Beispielen geschieht, haben wir unsere drei Kunden-Personas entwickelt. Jede Persona hat eigene geschäftliche Rahmenbedingungen, Kaufmotive, Anforderungen an das Produkt sowie entsprechende Service- & Finanzierungslösungen. Im Rahmen der Learner Journey treffen unsere Teilnehmer immer wieder auf diese Kundenpersonas und lernen diese immer besser kennen und verstehen. Analog eines realen Kaufprozesses vertieft sich die Kundenbeziehung und das Verständnis zwischen dem Verkäufer und seinem Kunden über die Schritte wie beispielsweise der Bedarf- & Bedürfnisanalyse, der Angebotserstellung, etc. Uns war es wichtig, hier mit möglichst konkreten Beispielen zu arbeiten, gleichzeitig haben aber auch hier die Märkte wieder die Möglichkeit, die Kundenpersonas wo nötig zu adaptieren.

eLearning Journal: Wie wurde in dem Projekt der nachhaltige Lerntransfer sichergestellt?

Sabrina Schwarz: Das C-Sales Programm war schon immer als duales Ausbildungskonzept angelegt, d.h. Trainingsphasen wechseln sich mit begleitenden Praxisphasen im Händlerbetrieb ab. Wir haben mit C-Sales 3.0 dieses Konzept weiter verfeinert. Die Praxisphasen im Betrieb werden durch das „Praxisphasenhandbuch“ für die Lerner begleitet, Selbstreflexionen angeleitet und die Umsetzung anhand von Beispielen aus dem Arbeitsalltag reflektiert. Darüber hinaus wird auch zu Beginn jedes Qualifizierungselements die Lernerfahrungen der vorangegangenen Praxisphasen verarbeitet. Ebenso unterstützen Wissenstests die Lerner dabei, den eigenen Lernerfolg zu überprüfen. Das „Finale“ des Lerntransfers stellt sicherlich für die Lerner die Zertifizierungsprüfung dar. Auch hier wird anhand von konkreten Simulationen aus dem Verkäuferalltags die Umsetzung des Gelernten in reales Verhalten überprüft.