LXP vs. LMS – Welchem Lernsystem gehört die Zukunft?

Der Lerner und dessen individuelle Bedarfe statt lediglich das Management von Lernprozessen sollen in der zeitgemäßen Personalentwicklung immer stärker im Fokus stehen. Selbstbestimmtes, personalisiertes Lernen und insbesondere die Learning Experience sind in diesem Kontext gern benutzte Buzz-Wörter. Auf der Ebene der Bildungstechnologien spiegelt sich diese Entwicklung vorrangig in der Verbreitung von Learning Experience Platforms wider. Gleichzeitig scheint das Thema LXP im deutschsprachigen Raum noch vergleichsweise neu zu sein. Im Rahmen des Expertenpanels teilen 18 Experten ihre Erfahrungen, Einschätzungen und Prognosen zum Status quo von LXPs in der DACH-Region.

1. Was zeichnet Ihrer Einschätzung nach eine Learning Experience Platform (LXP) aus?

Bei einer LXP geht es um die Lernerfahrung, so die banale Zusammenfassung der Experten. „Eine LXP ist Lernerfokussiert. Es geht nicht um eine perfekte Lern-Verwaltung, sondern um ‚Lernimpact‘. Eine LXP schafft es, Lernenden und Trainern ein Erlebnis zu bieten, das über das reine Anbieten von Lerninhalt hinaus geht, so dass man gerne wiederkommt, sich erinnert, und – generell gesprochen – zum Lernen motiviert wird,“ so bringt Christoph Schmidt-Mårtensson, der CEO von CREATE.21st century, den generellen Tenor auf den Punkt.

Ein zentraler Aspekt in diesem Kontext scheint das Thema „Personalisierung“ zu sein, dem von mehreren Experten eine zentrale Rolle bescheinigt wird. Für Andreas Rothkamp, dem VP DACH-Region bei Skillsoft, sind LXPs beispielsweise „Plattformen der neuen Generation, die eine neue, unmittelbarere Art des Lernens in Form einer personalisierten Lernerfahrung, einschließlich Daten aus Bewertungen und Empfehlungen und eine hoch entwickelte Suchmaschine beinhalten.“ Ähnlich äußert sich auch Frank Pomereinke von der hydra newmedia GmbH. „Eine LXP spiegelt die Entwicklungen moderner Online-Plattformen der letzten Jahre wider: Der Einsatz von KI und Big Data ermöglicht, individuelle Fähigkeiten, Lernbedarfe oder Defizite automatisiert zu erkennen, zu analysieren und darauf basierend maximal persönliche Lernpläne zu generieren. Aus Onlineshops ist das Prinzip der Personalisierung schon lange bekannt und vom Nutzer akzeptiert. Damit findet er neue Inhalte und Angebote von selbst, anstelle umständlich in großen Bibliotheken danach suchen zu müssen,“ so seine Einschätzung zur Bedeutung von Personalisierung für LXPs.

Auch Jörg Nörthemann von der GoodHabitz Germany GmbH sieht die Lernerfahrung sowie die Personalisierung als zentrale Merkmale einer LXP an. „Das ist ganz klar die ‚Experience‘ bei der Learning Experience Plattform. Mit ‚Experience‘ meinen wir das Nutzererlebnis, dass sich durch Personalisierung und Individualisierung auszeichnet, aber auch zur selbstgesteuerten Weiterentwicklung anregt und diese unterstützt. Anhand des Bedarfs werden dem Lerner passende, auf ihn zugeschnittene Angebote aus einer Vielzahl von Ressourcen unterbreitet. Das Erlebnis zeichnet sich dadurch aus, dass die angebotenen Inhalte genau die Fragestellung bzw. Weiterentwicklungsziele des Nutzers bedienen. Überflüssiges Vorratslernen wird so reduziert. Weiterentwicklung passiert interessens- und bedarfsgesteuert on-the-fly und wird so nicht als „schwerfälliges Lernen“ […] empfunden, sondern als Performance Support, Hilfestellung und gezielte, passgenaue Weiterentwicklung. Der Nutzer entscheidet, was er braucht,“ so seine Definition der USPs einer LXP.

Einen weiteren interessanten Aspekt bringt Björn Kohnen, Learning Experience Specialist und Product Owner bei der Haufe Akademie, in die Diskussion ein, denn seiner Erfahrung nach spielt auch die Vernetzung eine wichtige Rolle. „Wer ein bestimmtes Spezialgebiet hat und dafür bekannt ist, sich in einem Thema auszukennen, den fragt das System, ob er oder sie Mentor werden möchte. Lautet die Antwort ‚Ja‘, wird man als Mentor sichtbar. Eine gute Plattform deckt also sowohl das Lernen durch Austausch als auch erfahrungsbasiertes Lernen ab. Das geschieht, indem sich Menschen mit ähnlichen Interessen abteilungsübergreifend über die Plattform finden und vernetzen. Ihr Wissen können sie anwenden, indem sie z.B. für eine bestimmte Zeit in einem Projekt arbeiten, dass gar nicht zu ihrem Bereich gehört,“ so Björn Kohnen.

Nicht alle Anbieter sehen in der Learning Experience Platform allerdings etwas grundlegend Neues. Für Julien Boppert von der Magh und Boppert GmbH ist LXP in erster Linie ein Marketing-Begriff. „LXP ist ein neuer Name für alten Wein in neuen Fässern. Die Idee, dass sich eine Lernplattform an den Nutzer nähert und ihm passende Empfehlungen bereitstellt, ist keine neue Erfindung. Auch die Nutzung verschiedener Content Quellen oder aber die Möglichkeit, User Generated Content anzubringen, sind keine Neuerungen, die überraschen,“ so seine Einschätzung. Ähnlich sieht es auch Patrick Walther von Walther Learning Solutions: „Generell sind viele Learning Experience Plattformen nur alter Wein in neuen Schläuchen. Die Bezeichnung LXP nutzen weitestgehend Unternehmen, welche frisch am Markt sind, aber ähnliche Funktionen bieten wie LMS.“

Zusammengefasst lässt sich also feststellen, dass bei einer LXP scheinbar der Lerner und dessen individuellen Lernerlebnisse sowie -bedarfe im Vordergrund zu stehen scheinen. Offen scheint an dieser Stelle jedoch die Frage zu sein, ob es dafür jedoch ein neues System braucht oder ob bereits bestehende Lernmanagementsysteme diese Aufgaben ebenfalls meistern können.

2. Was unterscheidet eine LXP von einem LMS? Stehen LXP und LMS in Konkurrenz zueinander?

In vielerlei Hinsicht steht die Unterscheidung zwischen LMS und LXP im Zentrum der Diskussion, die noch zusätzlich dadurch erschwert wird, dass der LMS-Markt äußerst umfangreich und heterogen ist, da sich die am Markt verfügbaren Systeme oftmals deutlich im Funktionsumfang unterscheiden können. Eine gute Unterscheidung bietet vor diesem Hintergrund Martin Kundt, Vorstand der Know How! AG. „Ein LMS konzentriert sich, wie der Name schon sagt, auf das Management, also die Verwaltung, Protokollierung und Auswertung von Lerninhalten, vorzugsweise im SCORM-Format. Es ist stark auf die Bedürfnisse des Unternehmens ausgelegt,“ so Definition eines LMS. Demgegenüber richtet ein Learning Experience System „den Fokus auf die Nutzererfahrung. Es hat den Anspruch, Lernen ganzheitlich zu erfassen und alle Bedarfe der Mitarbeiter abzudecken. Damit geht ein Paradigmenwechsel einher, weg von der Objektorientierung hin zur Subjektorientierung.“ Zusammengefasst bedeutet dies, dass eine „LXP deutlich offener und integrativer [ist], wenn es um die Abbildung verschiedener Lernangebote geht. Während das LMS ein geschlossenes System mit proprietären Protokollen ist, setzt die LXP auf Schnittstellen und offene Standards.“

In diesem Kontext bringt Annette Bouzo von der SoftDeCC Software GmbH noch den wichtigen Punkt der regulatorischen Anforderungen mit ein. „LMS unterstützen vorwiegend auch die formalen Prozesse der Lernorganisation, bilden also sowohl organisationale als auch regulatorische Anforderungen ab. Die Lernorganisation bzw. komplexere unternehmenseigene Prozesse werden von LXP nicht abgebildet,“ so ihr Input zur Unterscheidung von LMS und LXP. Ähnlich äußert sich auch Geoffroy de Lestrange, Product Marketing & Communication Director EMEA bei Cornerstone OnDemand. „Im Gegensatz zur LXP stellt ein klassisches LMS zuverlässig sicher, dass die Belegschaft durch die Lernprozesse weiterentwickelt wird. Die Stärke liegt hier in der Analyse und der Evaluation der absolvierten Module. Die Lernprozesse werden hier entlang einer Top-Down-Hierarchie zur Verfügung gestellt – also vom Unternehmen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,“ so seine Einschätzung.

Selbstbestimmtes und personalisiertes Lernen mögen klare Vorteile sowohl für Mitarbeiter als auch Unternehmen bieten, jedoch werden auf absehbare Zeit verpflichtende Schulungen, wie z.B. Compliance-Themen, weiterhin fester Bestandteil der betrieblichen Bildung bleiben. Doch gerade in diesem Bereich scheint das „klassische“ LMS punkten zu können. Stehen LXP und LMS daher in Konkurrenz zueinander?

Interessanterweise scheinen sich die befragten Experten weitgehend einig zu sein, dass LMS und LXP weniger in direkter Konkurrenz stehen, sondern sich vielmehr gegenseitig ergänzen. „Ich würde nicht sagen, dass der Unterschied zwischen den beiden Plattform-Typen sie in direkte Konkurrenz zueinander stellt. Vielmehr bieten beide verschiedene Möglichkeiten, was bei der Vielzahl von Anforderungen beim E-Learning eine gute Ergänzung zueinander ist. So vielfältig wie die Anforderungen sind auch die Lösungsansätze. Je nach Vorhaben der Unternehmen ist dann entweder ein LMS oder eine LXP die richtige Lösung,“ bringt Sina Burghardt von der Viadesk GmbH den generellen Tenor auf den Punkt. Ähnlich sieht es auch Tom Heyer, der Geschäftsführer der innovation mecom GmbH. „Nein, sie sind nicht [in Konkurrenz zueinander]. Ganz im Gegenteil. Eine LXP komplettiert ein LMS. Während der LMS-Part die verpflichtenden Inhalte wiedergibt, vom Administrator hochgeladen und von Experten erstellt und für gut befunden, steht die LXP als zusätzliches Instrument zur Verfügung, um nutzergetriebene Inhalte zur Verfügung zu stellen. Beide Systeme gehen eine Symbiose miteinander ein,“ so seine Bewertung der Lage.

Demgegenüber sieht Annette Bouzo LXP und LMS weniger als konkurrierende Systeme, sondern vielmehr als Konkurrenten um die kommunizierten USPs. Denn ihrer Meinung nach werden LXPs allzu oft Eigenschaften zugesprochen, die sich auch in flexiblen und erweiterbaren LMS implementieren lassen. Typische „Selling Points“, wie z.B. die Integration von Künstlicher Intelligenz, eine Benutzeroberfläche im Kachelstil à la Youtube oder Netflix sowie eine vielseitige und einfach zu bedienende Suchfunktion, die auch plattformübergreifend Inhalte angebundener Lernplattformen vorschlägt, können je nach Bedarf eines Unternehmens möglicherweise auch vom bestehenden LMS abgedeckt werden. Eine ähnliche Ansicht vertritt auch Beate Bruns, die Geschäftsführerin der time4you GmbH. Ihrer Erfahrung nach gibt es eine umfassende Heterogenität im LMS-Markt, weshalb es schwierig ist, pauschale Aussagen zu treffen. „Die Fragen zum Entweder/oder, zum klassischen LMS oder LXP lässt sich nur bedingt mit der Schwarz-Weiß-Variante beantworten. Warum? Es gibt sehr unterschiedliche LMS-Systeme am Markt – und je nachdem wie gut sie Learning-Experience beherrschen, ist dies ein Differenzierungsmerkmal der Systeme. Ein LXP ist nach meinem Verständnis eine Teilmenge des LMS“, so ihre Einschätzung.

3. Welche konkreten Mehrwerte bietet eine LXP für Unternehmen? Wann lohnt sich die Anschaffung einer LXP?

Die befragten Experten konnten mehrere konkrete Mehrwerte identifizieren, welche eine LXP für Unternehmen interessant machen sollte. Wie bereits erwähnt, steht bei LXPs insbesondere der Lerner im Mittelpunkt. Dieser Fokus auf den Lerner spricht für Frank Pomereinke daher aus Unternehmenssicht auch für den Einsatz einer LXP. „Die wichtigste Frage ist: Was hat der Lernende davon? Passendere, inspirierende Lernangebote bei gleichzeitig besserem Nutzererlebnis, Pull statt Push! Die Mitarbeiter werden motivierend in die Lernumgebung gezogen, anstatt durch uninspirierte und verpflichtende Angebote zum Lernen gezwungen zu werden. Der notwendige Lerneffekt wird durch intrinsische Motivation maximiert: Akzeptanz durch Relevanz. Die LXP führt also eher zu freiwilligem und nachhaltigen Lernen als das klassische LMS und darin liegt der Mehrwert für das Unternehmen. Einfache Redaktionssysteme, das Generieren individueller Lernpfade bei überschaubarem Aufwand sowie die neuen Tracking-Möglichkeiten zur statistischen Auswertung der Lernaktivitäten ergänzen die Argumentation pro LXP,“ so seine Argumentation.

Ähnlich sieht es auch Andreas Rothkamp, für den LXPs ein effektives Werkzeug zum lebenslangen Lernen der Mitarbeiter darstellen: „LXPs erlauben es, Lernende anzuleiten und einzubinden, indem sie ihnen ermöglichen, während ihrer gesamten beruflichen Laufbahn das Beste aus sich herauszuholen, und zwar durch angepasste Lernpfade und optimale Karriereverfolgung. LXPs erfüllen spezielle Bedürfnisse bei der Aus- und Weiterbildung am Arbeitsplatz, insbesondere durch das Angebot von Mikro-Lernen, das besonders effektiv für hard skills ist.“

Darüber hinaus sieht Björn Kohnen durch die digitale Transformation und die daraus entstehenden neuen Lern- und Arbeitsformen einen Bedarf für LXPs. „Unser Arbeitsumfeld verändert sich in der Digitalisierung immer schneller. Das Erlernte von gestern ist heute schon nicht mehr relevant. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen ihre Organisation und ihre Mitarbeiter permanent weiterentwickeln. Vor diesem Hintergrund ist es überlebenswichtig, dass sowohl aktuell benötigtes Wissen als auch das Erlernen neuer Kompetenzen am Arbeitsplatz effektiv möglich werden. Dafür sind Erkenntnisse aus der Lernpädagogik wichtig: Lernen ist dann besonders effektiv, wenn es aus eigenem Antrieb erfolgt, also intrinsisch motiviert und selbstgesteuert ist, und zugleich von Erfahrungen begleitet wird. Sich theoretisches Wissen anzueignen und es nicht zu nutzen, ist am Ende nicht nachhaltig. Weder für die Organisation noch für den Lernenden. Nachhaltige Lernerfahrungen werden durch zeitliche Relevanz, berufliche Herausforderungen und den Austausch mit anderen Menschen geprägt. Formelle Kurse oder Seminare dienen oft als Startpunkt oder Ergänzung in der individuellen Lernreise – alleine und losgelöst führen sie aber nicht zu einer nachhaltigen Kompetenzentwicklung. Diese wichtige Erkenntnis liegt Learning Experience Plattformen zugrunde“, so seine Erkenntnis zu dem Spannungsfeld, in dem sich LXPs bewegen.

Einen weiteren Mehrwert sieht Annette Bouzo im technischen Zusammenspiel von LMS und LXP, um für die Mitarbeiter eine einheitliche Bildungslandschaft zu schaffen. „LXP ist dann besonders nützlich, wenn ein umfassendes Angebot, welches auf verschiedenen LMS und externen Lernplattformen basiert, unter einem Dach integrieren werden soll. Die LXP dient dabei der Visualisierung der Oberfläche, spielt also in konsolidierter Optik die Inhalte der darunter liegenden LMS oder Veranstaltungsorganisationstools aus,“ so ihre Erfahrung. In einem solchen Kontext kann die Anschaffung einer LXP auch aus Kostgründen für ein Unternehmen interessant sein. „Die Erweiterung eines LMS um eine LXP kann dann sinnvoll sein, wenn man seine Bildungslandschaft um eine standardisierte Oberfläche erweitern will, ohne individuelle Entwicklungskosten zu generieren. Voraussetzung dafür ist, dass eine individualisierte Bildungslandschaft nicht als zwingend notwendig gesehen wird,“ so Anette Bouzo.

4. Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Hürden für den Einsatz einer LXP? Braucht es bestimmte Rahmenbedingungen in einem Unternehmen?

Obwohl es sich bei LXPs um ein technisches Thema handelt, stellt die Technik nach Erfahrung der befragten Experten jedoch in der Regel keine größere Hürde dar. „Die technischen Hürden für die Implementierung eines LXP sind in der Regel recht niedrig, auch die erforderliche IT-Infrastruktur ist im Vergleich zum LMS oft weniger komplex,“ fasst Andreas Rothkamp diesen Punkt zusammen.

Ganz anders sieht es dagegen beim Thema Datenschutz aus. Da die individuelle Lernerfahrung ein Grundpfeiler von LXPs darstellt, spielen dementsprechend Daten und Datenauswertung eine wichtige Rolle, was wiederum zu Konflikten führen kann. „Der Freund Datenschutz und die Kollegen vom Betriebsrat bilden hier eine natürliche Hürde. Das liegt einfach darin begründet, dass moderne Lernwelten sich an den Nutzer orientieren wollen, aber keine Daten sammeln dürfen. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Ein System kann nur so gut und dienlich sein, wie es seinen Anwender also Nutzer kennt,“ so Julien Boppert. Ähnlich sieht es auch Andreas Rothkamp, weshalb es sich seiner Meinung nach empfiehlt zu überprüfen, „ob die Plattform den Datenschutzrichtlinien der Organisation entspricht oder z. B. barrierefreien Zugang ermöglicht. Hierbei sollten relevante Partner, wie z. B. der Betriebsrat, von Anfang an eingebunden werden.“

Ähnlich äußert sich auch Johannes Schulte, der Geschäftsführer der VOCANTO GmbH sowie der AEVO Digtal GmbH. Für ihn stellen technische Voraussetzungen ebenfalls kein nennenswertes Problem dar und IT-Sicherheit sowie Datenschutz sollten bei der System-auswahl auf jeden Fall berücksichtigt werden. Darüber hinaus stellt für ihn vor allem die Lernkultur eine weitere Hürde für die Einführung einer LXP dar. „Eine Herausforderung liegt eher darin, im Unternehmen eine digitale Lernkultur zu etablieren, sich von alten Lernstrukturen mit reinem Präsenzunterricht zu lösen und digitalen Formaten eine Chance zu geben. Durch den Corona-Virus haben viele Unternehmen in letzter Zeit vermehrt digitale Lösungen eingesetzt und es hat sich gezeigt, dass die vielen Vorteile (kostengünstig, Zeitersparnis, vielfältige Mediennutzung möglich, Flexibilität, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben) von Mitarbeitenden sehr geschätzt werden,“ so seine Einschätzung.

Ein weiteres wichtiges Thema ist außerdem die Akzeptanz sowohl bei den Mitarbeitern aber auch bei der Geschäftsführung. Denn für die Mitarbeiter stellt die Einführung einer LXP erstmal eine Umstellung dar, was schlimmstenfalls zu Widerständen führen kann. Für Beatrice Kemner, Head of Product Development bei der Headstart Studios GmbH, sind daher Aufklärung und Kommunikation von immenser Bedeutung. „Die Lernenden müssen wissen, WARUM sie überhaupt in einer neuen Umgebung Zeit mit Lernen verbringen sollen. Erst wenn das Warum klar ist, sind Lernende bereit, überhaupt in einer solchen Umgebung zu agieren. Man kann das beste LXP im Einsatz haben – wenn der Lerner nicht weiß, warum er damit Zeit verbringen soll und was all dies für seine Arbeit bedeutet, wird keine Veränderung stattfinden,“ so ihr Hinweis zur LXP-Einführung. Demgegenüber muss auch die Geschäftsführung den Mehrwert einer LXP klar erkennen und daran glauben, dass „die Mitarbeiter etwas Produktives gestalten und nicht nur Zeit verplempern“, wie Tom Heyer es schön auf den Punkt bringt. Aus diesem Grund ist für Geoffroy de Lestrange vor allem die Messbarkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor. „Als kleinsten gemeinsamen Nenner muss der Lernerfolg messbar und kongruent zur späteren Performance sein – die Lernerfahrung und die Qualität müssen steuerbar sein. Daher muss man sich vorher immer fragen: Was will ich mit dieser Learning-Strategie erreichen? Welche KPIs werden sowohl für HR als auch für das Geschäft Sinn machen? Hier ist es jedoch wichtig zu verstehen, dass die Währung nicht unbedingt Euros sind, sondern die Zeit: Sind Unternehmen demnach dazu bereit, Zeit ins Learning und die personelle Weiterbildungen zu investieren? Denn natürlich ist Lernzeit auch gleichzeitig Arbeitszeit,“ so seine Erfahrung.

5. Wie bewerten Sie die Qualität aktuell in der DACH-Region verfügbarer LXP? Wie wird sich ihrer Einschätzung nach der hiesige LXP-Markt in den nächsten Jahren entwickeln?

Das Thema LXP scheint im deutschsprachigen Markt noch vergleichsweise am Anfang zu stehen, während das Thema international bereits deutlich weiter zu sein scheint. Nach der Erfahrung von Tim Burmeister von GP Strategies wird der globale LXP-Markt bislang von den USA und UK dominiert, was für deutsche Anbieter möglicherweise problematisch sein könnte. „Da die DACH-Region recht spät mit eigenen Plattformen an den Markt kommt, bin ich mir nicht sicher, ob es noch Platz gibt für Anbieter aus der DACH-Region. Es wird in den nächsten Jahren eine weitere Konsolidierung des LXP-Marktes geben, also eher noch schwieriger, sich als neuer Anbieter zu platzieren,“ so seine Bewertung der Lage. Demgegenüber sieht Martin Kundt dagegen eine positive Entwicklung in der DACH-Region. „Sowohl die Anzahl als auch die Qualität der am Markt verfügbaren LXPs nimmt deutlich zu. Neben starken amerikanischen Anbietern bieten auch immer mehr deutsche Unternehmen entsprechende Lösungen an“, so seine Einschätzung.

Interessanterweise stellen mehrere der befragten Experten die Vermutung auf, dass sich zumindest in der DACH-Region die verfügbaren LMS und LXP angleichen werden. Christoph Schmidt-Mårtensson sieht diese Entwicklung beispielsweise vor allem bei Lernmanagementsystemen: „Wir sehen aktuell einen Markt, auf dem LMSe zunehmend mit LXP-Features angereichert werden. Diese Systeme leisten einiges und haben ihre Qualitäten. Unserer Meinung nach drängen reine LXP, also Systeme, bei denen LXP-Features eindeutig im Vordergrund stehen, erst auf den Markt. Dieser LXP-Markt wird sich in den kommenden Jahren etablieren.“ Ähnlich äußert sich auch Geoffroy de Lestrange, der sich die Frage stellt, ob LXPs überhaupt einen eigenen Markt darstellen. Er schlussfolgert, dass dies „vor einigen Jahren vielleicht so gewesen sein [mag], aber heute immer weniger. Aber die ehemaligen LXP-Anbieter werden von ihren Kunden gefragt, ob sie LMS herstellen können. Man könnte es also auf den Punkt bringen, dass die LMS- und XP-Märkte stetig mehr miteinander verschmelzen.“ Auch Sönke Petersen von der p-didakt GmbH kann sich eine Annährung der beiden Systemwelten vorstellen. „Die aktuellen LXP im hiesigen Markt sind (noch) keine Plattformen für alle Dimensionen des Lernens. Vielen Unternehmen fehlen Auditsicherheit und effizientes Administrieren strukturierter Lernprozesse. Ich gehe davon aus, dass die LXPs zukünftig bei diesen Funktionen nachziehen. Gleichzeitig sehe ich Initiativen bei den LMS-Anbietern, Funktionen aus der Welt der LXP zu integrieren. Die Welten bewegen sich aufeinander zu,“ so die Prognose des Experten.

Möglicherweise bedeutet eine Annährung von LMS und LXP am Ende, dass neue LXP-Anbieter von der etablierten LMS-Konkurrenz einfach aufgekauft werden. Eine solche Entwicklung kann sich zumindest Frank Pomereinke vorstellen. „Ein LMS als Administrationsbasis wird weiterhin notwendig sein. Aber: Die bestehenden LMS sind wie die meiste gewachsene Software schwerfälliger und nicht kurzfristig um LXP-Funktionen erweiterbar, auch wenn einige Anbieter bereits versuchen, hier nachzuziehen. Sie müssen sich noch deutlich mehr bewegen, um zukunftsfähig zu bleiben. Vermutlich werden einige agilere, noch kleine Anbieter für LXP von großen LMS-Anbietern übernommen, um deren Features und Möglichkeiten schneller integrieren und anbieten zu können,“ so seine Einschätzung. Sollte er mit seiner Vermutung Recht behalten, könnten dem hiesigen Markt einige spannende Jahre bevorstehen.