Wie digital ist die Personalentwicklung von morgen?

Wie in der Wirtschaft allgemein schreitet auch die digitale Transformation der Personalentwicklung im deutschsprachigen Raum unbeirrt voran und während sich in der Vergangenheit für eLearning noch die Frage der Daseinsberechtigung stellte, scheinen digitale Lerninhalte heutzutage in mittelständischen bis Großunternehmen weitgehend etabliert zu sein. Doch stimmt das überhaupt? Wie verbreitet ist digitales Lernen in der Personalentwicklung tatsächlich? Und welche Argumente sprechen eigentlich für und gegen den Einsatz digitaler Lerninhalte? Die Ergebnisse der eLearning BENCHMARKING Studie 2019 geben Antworten.

DigitalisierungViel Potential nach oben

Seit Jahren geht es für die deutschsprachige eLearning-Branche nach oben, was sich nicht zuletzt auch an der Entwicklung und den Zukunftserwartungen der hiesigen Anbieter und Dienstleister ablesen lässt. Denn seit drei Jahren zeigen die Ergebnisse unserer jährlichen Anbieterstudie, dass sich der Anbietermarkt sowohl bei der Umsatz- als auch bei der Mitarbeiterentwicklung auf Wachstumskurs befand. Ähnlich scheint es auch auf der Seite der Unternehmen auszusehen, diese Vermutung legen zumindest die Ergebnisse der eLearning BENCHMARKING Studie 2019 nahe. Denn mit 94,3 % Nennungen gab beinahe jedes befragte Unternehmen an, dass der Anteil digitaler Lernangebote an der Personalentwicklung im eigenen Haus vermutlich steigen wird. In weiteren 5,3 % der Unternehmen wird dieser Anteil in absehbarer Zeit voraussichtlich ungefähr gleichbleiben, während er in lediglich 0,5 % der Fälle vermutlich sinken wird. Aktuelle Entwicklungen rund um die Corona-Krise dürften diese Entwicklung sogar noch zusätzlich beschleunigen.

Gleichzeitig zeigen die Studienergebnisse allerdings auch, dass der positiven Entwicklung in den letzten Jahren noch immer nur einen vergleichsweise geringen Anteil an der Personalentwicklung der befragten Unternehmen ausmacht. Die eLearning BENCHMARKING Studie 2019 zeigt auch, dass es in der Personalentwicklung deutschsprachiger Unternehmen noch ein großes Digitalisierungs-Potential gibt. Denn nach eigenen Angaben macht digitales Lernen in rund 75 % der befragten Unternehmen weniger als 30 % der Personalentwicklung aus. Der durchschnittliche Digitalisierungswert liegt bei rund 24 % und bietet damit noch viel Luft nach oben.

Alles in allem scheinen diese Zahlen einen klaren Trend zu zeigen. Einerseits ist die Bedeutung der digitalen Transformation für die Personalentwicklung deutschsprachiger Unternehmen ungebrochen hoch und nahezu alle Studienteilnehmer gaben an, dass sich der Anteil von eLearning zukünftig vermutlich erhöhen wird. Gleichzeitig zeigen die Studienergebnisse allerdings auch, dass eLearning noch einen großen Aufholbedarf hat bzw. ein großes Wachstums-potential besitzt, denn aktuell scheinen in der Personalentwicklung noch immer überwiegend Präsenzveranstaltungen zum Einsatz zu kommen.

BMS Grafik
Aus Sicht der Studienteilnehmer sprechen eine ganze Reihe von Argumenten für den Einsatz von eLearning. In erster Linie können örtliche und zeitliche Flexibilität, Kostenersparnisse sowie die Unterstützung von selbstbestimmtem Lernen überzeugen.

Klare Argumente für eLearning

Dass der Anteil von eLearning an der Personalentwicklung beinahe in allen befragten Unternehmen steigen wird, ist insoweit nicht verwunderlich, da aus Sicht der Studienteilnehmer eine ganze Reihe von Vorteilen für den Einsatz digitaler Lernformate sprechen. Allen voran die zeitliche und örtliche Flexibilität von eLearning können mit jeweils über 90 % Nennungen demnach überzeugen und einen echten Mehrwert darstellen. Insbesondere durch die zunehmende Kompatibilität mit mobilen Endgeräten sowohl bei den Lerninhalten als auch bei der Bildungsinfrastruktur (z.B. das LMS) können sich Mitarbeiter heutzutage theoretisch überall und jederzeit weiterbilden. Zwar mag nicht jeder Ort oder jede Situation wirklich zum Lernen geeignet sein, aber zumindest stellt die Technik immer seltener eine Hürde da.

Ein weiterer, oft genannter Vorteil von eLearning ist mit 75,2 % Nennungen die Förderung von selbstgesteuertem bzw. selbstbestimmtem Lernen. Eine größere Mitbestimmung im eigenen Lernprozess ist ein aktueller Trend in der betrieblichen Bildung. Wenn Mitarbeiter sich basierend auf ihren konkreten Bedarfen und unter Berücksichtigung der eigenen Kompetenzen und Erfahrungen weiterbilden, kann sowohl die Lernmotivation als auch der Lernerfolg gesteigert werden. Mit Präsenzangeboten kann dieser Ansatz in der Praxis insbesondere bei größeren Lernzielgruppen nur schwer bis überhaupt nicht umgesetzt werden. Im Gegensatz dazu können digitale Lerninhalte in Form von unverbindlichen Lern- oder Wissensportalen zugänglich gemacht werden, die anschließend von jedem Mitarbeiter freiwillig und selbstbestimmt genutzt werden können.

Auch das klassische Argument der Kostenersparnisse wurde mit 70 % Nennungen von einer deutlichen Mehrheit der Studienteilnehmer genannt. Zwar können die Initialkosten beim eLearning-Einstieg, etwa aufgrund der Anschaffung eines Lernmanagementsystems, durchaus beträchtlich sein und auch die Produktion von hochwertigen Lerninhalten kann unter Umständen nicht billig sein. Allerdings sind diese Kosten oftmals unabhängig oder nur in geringem Maße von der Anzahl der Lerner, weshalb eLearning in den meisten Fällen sehr kosteneffizient skaliert werden kann. Bei größeren Lernzielgruppen können Präsenztrainings demgegenüber für ein Unternehmen äußerst kostspielig sein, insbesondere wenn die Seminare mit Reiseaufwand und damit entsprechenden Fahrt- sowie Unterbringungskosten verbunden sind.

Limitierungen und Grenzen von eLearning

Trotz dieser klaren Argumente für digitales Lernen haben die Studienergebnisse allerdings auch gezeigt, dass der Anteil von eLearning in den befragen Unternehmen bisher auf geringem, wenn auch steigendem, Niveau liegt. Wie lässt sich also diese Diskrepanz erklären? Wenig überraschend gibt es aus Sicht der befragten Unternehmen für den Einsatz von eLearning nicht nur Vorteile, sondern vielmehr handfeste Argumente, die dagegensprechen.

Mit stolzen 81,7 % Nennungen hat demnach die große Mehrheit der Studienteilnehmer die Erfahrung gemacht, dass noch immer nicht alle Lernbedarfe adäquat mit eLearning abgedeckt werden können. Bereits vor drei Jahren hat die Studie 2016 ergeben, dass Unternehmen insbesondere bei IT-Trainings (64,6 %), Produktschulungen (60,3 %) sowie Compliance-Trainings (58 %) eLearning als Unterstützung einsetzen. Dabei handelt es sich um Einsatzgebiete, in denen es vornehmlich um die Vermittlung von Faktenwissen geht, welches außerdem relativ einfach standardisiert und damit optimal im Rahmen einer digitalen Lerneinheit vermittelt werden kann. Anders sah es dagegen bei Lernbedarfen wie Führungskräftetraining (30 %), dem Lernen einer Fremdsprache (15,7 %) sowie Verhaltenstrainings (24,4 %) aus. Bei diesen und ähnlichen Lernbedarfen sind nicht nur Faktenwissen, sondern auch Verhaltensänderungen sowie der Austausch mit Kollegen und dem Trainer bzw. Coach relevant, womit sich digitale Lerninhalte traditionell schwergetan haben. Es ist daher nicht verwunderlich, dass eLearning von den befragten Unternehmen nicht in allen Bereichen als adäquate Alternative zu Präsenztrainings gesehen wird.

Doch nicht nur bei den Lernbedarfen, sondern auch bei den Lernern selbst gibt es für den Einsatz von digitalem Lernen Einschränkungen. Denn 59 % der befragten Unternehmen gaben an, dass eLearning nicht für alle Lerner bzw. Lernertypen geeignet sei. Demnach erfordert digitales Lernen in der Regel mehr Selbstlernkompetenzen, was für manche Mitarbeiter ein Problem darstellen kann, da ihnen beispielsweise der persönliche Ansprechpartner in der Form des Trainers oder Coaches fehlt. Diese Vermutung scheint sich durch die Studienergebnisse zu bestätigen, denn 42,6 % der Studienteilnehmer gaben an, dass unzureichende Kontaktmöglichkeiten mit anderen Lernern, aber auch mit dem Trainer zu den Nachteilen von digitalem Lernen gehören. Flexibilität und selbstbestimmtes Lernen mögen zwar insgesamt für ein Unternehmen positiv sein, aber in dieser Entwicklung dürfen dennoch nicht die Mitarbeiter vergessen werden, die mehr Leitplanken bzw. Struktur in ihrem Lernprozess benötigen.

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