Wenn das HWS – das Halbwissensyndrom – zuschlägt, wird in Unternehmen oft reflexhaft zur Trainings-Therapie gegriffen. Doch diese wirkt selten nachhaltig, meint Meike Leue alias Wiebke Willma – und greift stattdessen zur Systemdiagnose mit Humor und Tiefgang. In ihrer Keynote auf der LEARNTEC 2025 analysiert sie betriebliche Lernschmerzen mit medizinischer Präzision und zeigt, wie ein gesunder Lern-Stil als präventive Maßnahme wirkt. Warum Kompetenz nicht auf Knopfdruck entsteht, wie Führungskräfte Lernräume schaffen – und weshalb man bei Fluktuation nicht nur an Personalkosten denken sollte. Eine ungewöhnliche Perspektive auf ein hochaktuelles Thema – charmant, kritisch und garantiert nicht rezeptfrei.
eLearning Journal: Guten Tag Frau Willma – oder sollen wir lieber Frau Leue sagen? Ihre Bühnenfigur steht ja im Zentrum Ihres Vortrags. Wie kam es zur Idee, betriebliche Lernprobleme durch die Brille der Medizin zu betrachten – und war fasziniert Sie an dieser Analogie?
Meike Leue: Immer dann, wenn man Komplexität verständlich machen möchte, helfen Analogien. Sie knüpfen an Bekanntes an und verdeutlichen Muster. Und betriebliche Lernprozesse SIND komplex. Als ich mich Anfang 2023 selbstständig gemacht habe, fragte mich eine sehr gute Freundin, was ich denn nun genau täte. Sie selbst ist Chefärztin und so bin ich auf die Idee gekommen, mein Metier in der Analogie der Medizin zu erläutern – und es gibt dort wirklich viele Parallelen. Der Weg zur Bühnenfigur war dann gar nicht mehr so weit, denn ich spiele seit 15 Jahren Improvisationstheater. Ich musste „nur“ noch eine passende Identität erschaffen. So entstand mein alter ego Wiebke Willma.
eLearning Journal: Ihr Vortrag trägt den provokanten Titel „Trainings-Therapien sind unzureichend.“ Was genau verstehen Sie unter diesem Begriff – und warum greifen diese Maßnahmen in Unternehmen Ihrer Meinung nach so häufig ins Leere?
Wiebke Willma: Nun, Trainings-Therapien sind durch 3 Dinge gekennzeichnet:
1.: Sie werden durch jemand anderen verschrieben.
2.: Meist wird man von jemandem behandelt (der Lernende ist eher im Passiv-Modus).
3.: Therapien fokussieren sich i.d.R. auf Problempunkte.
Diese Kombination aus Fremdbestimmtheit, Passivität und Defizit-Orientierung zeigt – wenn überhaupt – nur kurzfristige Effekte.
eLearning Journal: Wenn Sie in Ihrer „Sprechstunde“ Diagnosen rund um betriebliche Bildung stellen – welche Symptome fallen Ihnen am häufigsten auf? Wo ist der unternehmerische „Bewegungsapparat“ am meisten eingeschränkt?
Wiebke Willma: In meine Praxis kommen häufig Organismen, die über konkrete oder diffuse Produktivitäts-Schmerzen klagen in Kombination mit sinkender Bindungsfreudigkeit der Mitarbeitenden, die ja den unternehmerischen Kreislauf am Laufen halten und mit Fähigkeiten versorgen. Die Ursachen dafür liegen zum Teil in Versäumnissen weit in der Vergangenheit, nicht selten zurückzuführen auf das HWS – Halbwissensyndrom der Steuerungsinstanzen, das vor allem im Hinblick auf wirksame Enablement-Methoden immer noch weit verbreitet ist. Dann soll die talentologische Einheit schnelle Lösungen gegen die Schmerzen finden, aber eine klaffende Wissens-Wunde schließt man nicht mit einem Pflaster.
eLearning Journal: Sie sprechen sich für einen gesunden Lern-Stil als präventive Maßnahme aus. Wie könnte dieser in der Unternehmenspraxis konkret aussehen – und was unterscheidet ihn grundlegend von den üblichen Weiterbildungsformaten?
Wiebke Willma: Lernen hat keinen Selbstzweck. Es geht um das Erreichen der Bewegungs-Ziele des Organismus‘ sowie der Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden. Allein das ist immer noch für viele etwas Neues: vom Ergebnis auszugehen (messbare Handlungskompetenz zu erreichen) und nicht vom Wissens-Input.
Die Umsetzung erfolgt über den Dreiklang der Talentologie:
1.: Verschultes Lernen, ggfs. inklusive entsprechender Medikation.
2.: Alternatives Lernen und Naturlernverfahren, die auf der Erkenntniskraft von Alltagssituationen beruhen.
3.: Ein geistig-aktiver Arbeitsstil mit regelmäßiger und gehaltvoller Skill-Aufnahme.
eLearning Journal: Wie gelingt es, Mitarbeitende aus der „Trainings-Therapie-Spirale“ zu befreien und stattdessen eine Kultur zu schaffen, in der das Lernen Teil des gesunden Arbeitsalltags wird? Welche Rolle spielen Führungskräfte dabei?
Wiebke Willma: Die Führungsinstanzen spielen eine entscheidende Rolle, weil sie ihren Mitarbeitenden die entscheidende Orientierung geben, welches Verhalten gewünscht ist und welches nicht. Es liegt i.d.R. nicht an mangelnder Motivation eines Organismus‘, sich zu bewegen, sondern an den Rahmenbedingungen in der Aufrechterhaltung der alltäglichen Unternehmens-Funktionen. Auf die Gestaltung des Umfeldes und darauf, woran Mitarbeitende gemessen werden, haben im Wesentlichen die Führungskräfte Einfluss.
eLearning Journal: Ihr Vortrag verspricht nicht nur fundierte Impulse, sondern auch eine unterhaltsame Perspektive auf ein ernstes Thema. Warum lohnt es sich besonders, Ihrer Session auf der LEARNTEC 2025 beizuwohnen?
Wiebke Willma: Aus 2 Gründen:
1.: Als letzte Session des Tages bildet sie einen unterhaltsamen Konferenz-Abschluss und inspiriert die Teilnehmenden möglicherweise zu weiteren Analogien.
2.: Haben Sie schon mal etwas von Kompetenzkörperchen gehört? Nein? Dann ist es DIE Gelegenheit für ein Upskilling in Sachen „organisationales Fluktuationssystem“: Kompetenz-Identifikation und Aufnahme, Kompetenz-Anreicherung, Kompetenz-Verwertung.
Ich freue mich auf viele Interessierte. Ihre Wiebke Willma – manchmal will-ma, manchmal will-ma nicht.
Vortrag: Trainings-Therapien sind unzureichend. – Halten Sie Ihr Unternehmen beweglich durch einen gesunden Lern-Stil.
Zeit: 07.05.2025, 16:45 – 17:30 Uhr
Ort: Konferenzsaal
Kontakt der Referentin:

Meike Leue
Geschäftsführung
Meike Leue – wirksame Lernkonzepte