Strategischer Wissenstransfer in Umbruchphasen: On- und Offboarding als Hebel für nachhaltiges Lernen

Onboarding ist mehr als Einarbeitung, Offboarding mehr als Abschied – beide Prozesse bieten zentrale Chancen für den Aufbau und Erhalt organisationalen Wissens. In ihrem Vortrag auf der LEARNTEC 2025 zeigen Dr. Manuel Kaiser und Caroline Raps vom Fraunhofer IAO, wie Unternehmen Übergänge gezielt als Lern- und Transfermomente gestalten können. Im Fokus: der systematische Wissenserhalt, intergenerationales Lernen und die entscheidende Rolle der Führungskraft. Im Interview erläutern die Expert:innen, wie formelle Strukturen, kulturelle Offenheit und psychologische Sicherheit ineinandergreifen – und welche Methoden in der Praxis besonders wirksam sind.

eLearning Journal: Guten Tag Frau Raps und Herr Dr. Kaiser. Würden Sie sich zum Start kurz vorstellen und uns einen Einblick in Ihre derzeitige Tätigkeit und Ihren Bezug zum Thema On- und Offboarding geben?

Caroline Raps: Mein Name ist Caroline Raps und ich bin Wirtschaftspsychologin mit über zehn Jahren Berufserfahrung im Bereich Transformation, mit einem besonderen Fokus auf Culture Change. Ich leite und begleite Transformationsprojekte in Unternehmen, bei denen Wissenstransfer, Leadership und intergenerationelles Lernen als integrale Bestandteile eines nachhaltigen Kulturprozesses betrachtet werden. Dabei unterstütze ich den Aufbau eines interdisziplinären internen Netzwerks, um den Austausch von Wissen zu fördern und so den organisationalen Lernprozess zu stärken.

Dr. Manuel Kaiser: Ich bin Dr. Manuel Kaiser, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) im Team Business Education und Innovation. Meine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Innovationsmanagement und berufliche Weiterbildung. In meiner Arbeit begleite ich Unternehmen und Organisationen dabei, ihre Innovations- und Zukunftsfähigkeit in Veränderungsprozessen zu stärken und nachhaltig auszubauen. Ein zentraler Hebel in diesen Transformationsprojekten ist für mich der gezielte Kompetenzaufbau und -erhalt.

eLearning Journal: In Ihrem Vortrag beleuchten Sie On- und Offboarding nicht nur als administrative Prozesse, sondern als strategische Schlüsselphasen für den Wissenstransfer. Was macht diese Übergänge so zentral für eine lernende Organisation?

On und Offboarding sind Knoten- und Übergabepunkte, an denen neues Wissen gezielt eingeführt und gleichzeitig wertvolles Erfahrungswissen systematisch bewahrt wird. Es geht darum, Wissen aktiv zu teilen, zu kultivieren und weiterzugeben.

Während das Onboarding der Startpunkt für den Kompetenzaufbau darstellt, ist das Offboarding von Mitarbeitenden ein häufig unterschätzter Moment für die Kompetenzsicherung. In diesen Phasen findet nicht nur der fachliche Transfer statt, sondern auch das implizite, kulturell verankerte Wissen, das häufig verloren geht, wenn Mitarbeitende austreten.

So werden beide Übergänge zu Motoren organisationalen Lernens: Neue Mitarbeitende werden schneller produktiv und kulturell eingebunden, während ausscheidende Experten ihr Wissen systematisch weitergeben – ein zentraler Baustein für nachhaltige Innovationskraft.

Entscheidend ist, dass beim On- und Offboarding nicht nur fachliches Know-how vermittelt wird, sondern auch aktiv Werte, Kommunikationsstile sowie Grundlagen für interdisziplinäre Zusammenarbeit weitergegeben werden. So entsteht ein Umfeld, das kontinuierliche Lern- und Entwicklungsprozesse fördert und Organisationen nachhaltig stärkt.

eLearning Journal: Ein besonderer Fokus liegt auf dem intergenerationalen Lernen. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Potenziale – aber auch Herausforderungen – beim Zusammenwirken verschiedener Generationen im Kontext von Wissensweitergabe?

Das Zusammenwirken unterschiedlicher Generationen schafft einen einzigartigen Wissensaustausch: Ältere Mitarbeitende verfügen über ein langjähriges Erfahrungswissen und ein feines Gespür für den organisationalen Kontext, während jüngere oft neue Perspektiven und digitale Kompetenzen einbringen können. Dieses Zusammenspiel fördert Kreativität und innovative Lösungsansätze.

Gleichzeitig können unterschiedliche Kommunikationsstile, Erwartungen und Arbeitsweisen zu Missverständnissen führen. Erfolgreiches intergenerationales Lernen erfordert deshalb eine offene Kommunikation, ein gegenseitiges Verständnis und gezielte Austauschformate – ergänzt durch Führungskräfte, die Brücken bauen und psychologische Sicherheit gewährleisten.

So wird die Vielfalt als Innovationsmotor genutzt: Die verschiedenen Erfahrungen, das Wissen und die Ansichten der Generationen werden als Bereicherung angesehen und führen zu kreativen Lösungsansätzen sowie zu einer gesteigerten Innovationskraft der Organisation.

eLearning Journal: Sie betonen die Rolle der Führungskraft in diesen Prozessen. Welche Kompetenzen oder Haltungen sind hier besonders gefragt, um sowohl Onboarding als auch Offboarding wirksam und nachhaltig zu gestalten?

Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle im On und Offboarding, indem sie den Fluss von explizitem und implizitem Wissen sicherstellen. Sie organisieren strukturierte Übergabeprozesse, integrieren neue Mitarbeitende in bestehende Netzwerke und verabschieden ausscheidende Teammitglieder wertschätzend. Durch Empathie und das Schaffen psychologischer Sicherheit fördern sie ein offenes Umfeld, in dem Fragen gestellt und aktiv Wissen geteilt wird.

Mit ihrer Kommunikationskompetenz sorgen Führungskräfte dafür, dass implizites Wissen sichtbar und nutzbar gemacht wird. Gleichzeitig befähigen sie die Mitarbeitenden, selbstständig zu lernen und ihr Wissen sowie ihre Erfahrungen aktiv weiterzugeben und zu teilen, sodass ein kontinuierlicher Lern- und Austauschprozess in der Organisation entsteht. Sie verstehen diese Übergänge als Chancen für kontinuierliches Lernen und fördern die interdisziplinäre Zusammenarbeit.

eLearning Journal: Welche konkreten Methoden oder Tools empfehlen Sie für Unternehmen, die ihre On- und Offboarding-Prozesse gezielt als Lern- und Transfermomente gestalten möchten? Gibt es Best Practices aus Ihrer Erfahrung, die besonders wirksam waren?

  • Erfolgsversprechend sind kombinierte Formate aus formellem Wissenstransfer und informellen Austauschgelegenheiten:
    Formelle und informelle Maßnahmen: Wir kombinieren strukturierte Maßnahmen wie Mentoring-Programme und Onboarding-Prozesse mit informellen Austauschformaten. Diese Methoden sind Teil eines umfassenden Kulturprozesses, der den intergenerationalen Dialog und die kulturelle Vielfalt als Innovationsquelle begreift.
  • Kulturprozesse aktiv gestalten: Workshops und Sensibilisierungsmaßnahmen fördern das gegenseitige Verständnis der unterschiedlichen Generationen und kulturellen Hintergründe. Dies ist essenziell, um das implizite Wissen, das im täglichen Miteinander entsteht, sichtbar und nutzbar zu machen.
  • Vermeidung von Wissenssilos: Durch aktive Förderung interdisziplinärer Teams und informeller Austauschformate (wie Community of Practices oder Kaffee-Roulette) wird sichergestellt, dass Wissen fließt und kulturelle Barrieren überwunden werden.

eLearning Journal: Warum lohnt es sich, Ihren Vortrag auf der LEARNTEC 2025 nicht zu verpassen – und was dürfen die Teilnehmenden ganz konkret mitnehmen?

In unserem Vortrag präsentieren wir konkrete Gestaltungsfelder zur effektiven Umsetzung von On- und Offboarding-Prozessen. Teilnehmende erfahren, wie nachhaltiger Wissenstransfer, intergenerationales Lernen und die zentrale Rolle von Führungskräften zusammenwirken. Konkret zeigen wir praxiserprobte Methoden, Tools und Best Practices, die direkt in der eigenen Organisation angewendet werden können – inklusive Tipps zur aktiven Einbindung der Mitarbeitenden und Hinweise, wie mögliche Stolpersteine überwunden werden können.


Vortrag:On- und Off-Boarding in Organisationen: Wissenstransfer, Generationsmanagement und die Rolle der Führungskraft
Zeit: 08.05.2025, 15:00 – 15:45 Uhr
Ort: Konferenzsaal

Kontakt der Referent:innen:

Caroline Raps
Wirtschaftspsychologin, Business Education und Innovation
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation

 

 

 

 

Dr. Manuel Kaiser
Senior Researcher
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation