Wirkungsvolles Lernen entsteht dort, wo Menschen sich austauschen, Verantwortung übernehmen – und gemeinsam wachsen. Bei HelloFresh ist genau das gelungen: Ein Peer Learning-Format für People Leaders bringt reale Herausforderungen, agiles Coaching und strukturierten Wissenstransfer in Einklang. Inga Pfleiderer und Dr. Inez von Weitershausen berichten auf der LEARNTEC 2025, wie diese neue Form des Lernens den Alltag von Führungskräften verändert hat. Und wie jede Organisation den Grundstein für eine eigene, lernende Community legen kann.
eLearning Journal: Guten Tag Frau Dr. von Weitershausen und Frau Pfleiderer, bevor wir inhaltlich einsteigen: Könnten Sie sich unseren Leserinnen und Lesern bitte kurz vorstellen?
Julia Pfleiderer: Gerne. Ich bin Senior Learning & Development Business Partner bei HelloFresh Deutschland in Berlin. Das bedeutet u.a., dass ich mich auf die Förderung von Lernen und persönliche Entwicklung spezialisiert habe. Als Agile Learning & Community Manager und Strategic L&D Business Partner bringe ich meine Expertise in die Gestaltung effektiver Lernstrategien für Einzelpersonen und Gruppen ein. Ich bin außerdem Trainerin für OKRs (Objectives and Key Results), eine Methode zur Zielsetzung und Leistungsmessung in Organisationen und Insights Discovery Coach, wodurch ich Menschen dabei unterstütze, ihre Persönlichkeitsprofile besser zu verstehen und zu nutzen.
Inez von Weitershausen: Ich arbeite als Senior Consultant bei den QualityMinds, einem Tech-Unternehmen aus Bayern, das sich auf die Ausarbeitung und Durchführung von Lernformaten spezialisiert hat, die sich eng an den Prinzipien der agilen Softwareentwicklung orientieren. Konkret bedeutet das, dass wir Lernprozesse flexibel, user-zentriert und iterativ gestalten – so wie man es aus dem agilen Arbeiten in der Softwareentwicklung kennt. Da ich lange in der Wissenschaft tätig war und mich in diesem Rahmen mit der Frage beschäftigt habe, wie Lernen zielführend gestaltet werden kann, finde ich diesen Ansatz besonders spannend.
eLearning Journal: In Ihrem Vortrag „Learning Never Stops: Agiles Peer Learning für People Leaders bei HelloFresh“ geben Sie Einblick in ein innovatives L&D-Konzept. Was dürfen wir uns unter agilem Peer Learning in diesem Kontext konkret vorstellen – und was war der Ausgangspunkt für seine Entwicklung?
Julia: Wir arbeiten bereits seit 2022 mit QualityMinds zusammen und haben in dieser Zeit verschiedene agile Lernformate miteinander umsetzen dürfen. Dabei hat sich herausgestellt, dass agiles Peer Learning besonders gut zu HelloFresh passt, da es verschiedene Elemente zusammenbringt, die für uns essentiell sind.
Inez: Bei HelloFresh haben wir es mit einer Unternehmenskultur zu tun, die einerseits auf die Eigenverantwortung der Lernenden setzt und gleichzeitig den gemeinsamen Austausch fördern möchte. Eine Herausforderung ist dabei, dass alle Mitarbeitenden unheimlich beschäftigt sind und die zur Verfügung stehende Lernzeit begrenzt ist. In einer solchen Konstellation bietet agiles Peer Learning ein sehr hilfreiches Format, da es ermöglicht, sowohl Inhalte als auch Methoden leichtgewichtig anzupassen. Gleichzeitig gibt es, wie in der agilen Softwareentwicklung auch, klare, aber anpassbare Ziele, regelmäßige Überprüfungen und Personen, die den Prozess mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl unterstützen. In der IT sind das Scrum Master oder Agile Coaches, und beim agilen Lernen sind es Lerncoaches.
eLearning Journal: Was waren aus Ihrer Sicht die entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Umsetzung eines agilen Peer-Learning-Programms – speziell im Kontext einer global aufgestellten Organisation wie HelloFresh?
Julia:
• Community Management: gutes Zeitmanagement, die richtigen Fragen und eine gute Koordination der Gruppen, um jedes zweistündige Treffen so produktiv und so lehrreich wie möglich für die Teilnehmenden zu gestalten.
• Die Inhalte sollten sich aus den realen, aktuellen Herausforderungen der Mitarbeitenden ableiten, damit das Lernen sich fließend in den Workflow einfügt und die Zeit fürs Lernen nicht als zusätzliche Belastung wahrgenommen wird.
• Es ist wichtig, die Gruppe richtig auszuwählen. Das war auch ein Learning für uns. Einige Kolleg*innen sind nach den ersten vier Wochen ausgestiegen, weil die Arbeitsweise der Mitarbeitenden im Headquarter und die der Mitarbeitenden in der Produktionsstätte sehr unterschiedlich ist.
Inez: Wir wissen aus der Hirnforschung, dass es eine Vielzahl von Faktoren gibt, die das Lernen erleichtern oder erschweren. So kann z.B. übermäßiger Stress Menschen davon abhalten, sich auf Themen einzulassen. Wer beim Lernen an anderes denkt, z.B. an Aufgaben, die es noch zu erledigen gilt oder Zukunftsängste, die einen umtreiben – etwas, da im Zeitalter von KI und Stellenabbau ja leider Realität ist – wird es grundsätzlich schwerer haben sich auf den Lernprozess zu fokussieren. Gleichzeitig kann ein Austausch über solche Themen helfen, mit einer Herausforderung umzugehen. In jedem Fall ist es wichtig für L&D-Verantwortliche immer die Umstände mitzudenken, unter denen eine Weiterbildungsmaßnahme stattfindet und ggf. voran daran arbeiten, Störfaktoren auszuschalten.
eLearning Journal: Besonders spannend: Sie arbeiten mit Learning Coaches und Gruppen-Aktivitäten. Was steckt genau hinter diesem Format und wie wirkt sich diese Kombination auf das Lernen und den Wissenstransfer aus?
Inez: Learning Coaches spielen in der Tat eine wichtige Rolle im agilen Lernprozess. Sie sind zentrale Begleitpersonen, die Lernende dabei unterstützen, ihre eigenen Lernprozesse aktiv zu gestalten. Ihre Aufgabe ist es nicht, Wissen zu vermitteln oder Inhalte frontal zu lehren. Stattdessen schaffen sie den Rahmen, in dem selbstorganisiertes, zielgerichtetes und reflektiertes Lernen überhaupt möglich wird, indem sie begleiten, moderieren und den Prozess mit ihrer Erfahrung unterstützen, ohne ihn direkt zu steuern. So fördern sie Selbstverantwortung, Motivation und kontinuierliche Weiterentwicklung.
Julia: Eine der gewünschten Wirkungen des Programms war, dass die Lernenden auch an ihren einzigartigen, individuellen Herausforderungen während des Programms arbeiten können. Es war wichtig, dass es so eine Art “Schneeball” Effekt gibt, also dass die Lernenden das Gelernte anwenden und an ihre jeweiligen Mitarbeitenden weitergeben. Die Learning Coaches haben die Kolleg*innen dabei individuell begleitet und unterstützt, ihre Lernziele und die Anwendung im Alltag nicht aus den Augen zu verlieren, Fortschritte regelmäßig zu reflektieren und die Erkenntnisse zu nutzen.
Die Gruppenaktivitäten hatten einen starken Fokus auf Kollaboration und Wissenstransfer. Den Lernenden wurde sehr schnell deutlich, dass sie im Alltag alle mit ähnlichen Herausforderungen zu tun haben. Ein Austausch ist also unglaublich wichtig, damit sie nicht immer wieder neue Lösungen für bereits bekannte Probleme erfinden müssen. Die Teilnehmenden teilten ihre Ergebnisse in kurzen iterativen Intervallen miteinander, in einem unvollendeten Zustand. Damit wurde ihr Lern- und Arbeitsfortschritt schnell und regelmäßig für alle sichtbar und sorgte für viele kleine, regelmäßige Erfolgserlebnisse. Es war auch schnell erkennbar, wenn in Gruppen etwas nicht funktioniert hat, so konnten wir schnell reagieren und entsprechend unterstützen, z.B. die Gruppenstruktur anpassen oder mehr Supervision anbieten.
eLearning Journal: Wie sah die Resonanz der Teilnehmenden konkret aus? Gab es Aha-Momente oder Rückmeldungen, die Sie besonders überrascht oder bestärkt haben?
Julia: Besonders nach den Impuls-Vorträgen der internen Gastredner, gab es positive Aha-Momente. Die Teilnehmenden haben uns oft berichtet, dass ihnen deutlich wurde, dass die Senior Führungskräfte mit ähnlichen Herausforderungen zu tun haben und ähnliche Werkzeuge nutzen. Ihre Ratschläge und Erfahrungsberichte wurden als sehr wertvoll empfunden. Außerdem wurde die Unterstützung der Lerncoaches als sehr hilfreich wahrgenommen, da individuelle Themen so nochmal detaillierter angegangen werden konnten.
eLearning Journal: Viele Unternehmen suchen derzeit nach skalierbaren, praxisnahen Lernlösungen. Was macht Ihren Ansatz besonders anschlussfähig für andere Organisationen – und was braucht es, um ihn erfolgreich zu übertragen?
Julia: Die Impulse und die Inhalte des Programms kamen aus unserer eigenen Organisation, nicht durch externe Trainer. Die meisten Unternehmen haben bereits alles, was sie brauchen, und die Herausforderung besteht darin, dieses Wissen richtig abzurufen und in Kombination mit strukturgebende Lernprozesse zu nutzen. Wenn Sie Lernformate als iterative, kollaborative und leichte Rituale aufbauen, verschmelzen Arbeit und Lernen zu einem ganzen, kontinuierlichen, lehrreichen Arbeitsprozess.
Inez: Es ist wichtig zu verstehen, dass skalierbar nicht bedeutet, dass ein und dasselbe Format 1:1 immer wieder umgesetzt wird und dass dabei individuelle Bedarfe – seien sie von Einzelpersonen oder Gruppen – außer Acht gelassen werden. Das zu erklären, kann schwierig sein. Es ist aber möglich, wenn L&D Verantwortliche das Vertrauen des Management genießen und natürlich, wenn die Erfolge für sich sprechen.
eLearning Journal: Warum sollte man Ihren Vortrag auf der LEARNTEC nicht verpassen?
Julia & Inez: Uns geht es nicht darum, einfach eine Erfolgsgeschichte zu erzählen. Wir möchten Raum geben, um Erfahrungen zu teilen, nachzufragen und so – zumindest für einen Augenblick – eine eigene Peer Learning Community zu schaffen.
Vortrag: Learning Never Stops: Agiles Peer Learning für People Leaders bei HelloFresh
Zeit: 06.05.2025, 16:00 – 16:45 Uhr
Ort: Konferenzsaal 10/11
Kontakt der Referent:innen:
Julia Pfleiderer
Senior Learning & Development Business Partner
HelloFresh Deutschland SE & Co. KG
julia.pfleiderer@hellofresh.de
Dr. Inez von Weitershausen
Senior Consultant
Qualityminds GmbH
inez.weitershausen@qualityminds.de