Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst – Stadt Düsseldorf entwickelt agiles Projekt für Onboarding-Maßnahmen

Die Bewältigung des Fachkräftemangels ist in der aktuellen Arbeitswelt eines der vorherrschenden Themen, das auch den öffentlichen Dienst betrifft. Um diesem so wirksam wie möglich entgegenzuwirken, bedarf es gezielter Maßnahmen und Lösungsansätze. Die Stadt Düsseldorf hat vor diesem Hintergrund agiles Projekt initiiert, das im Rahmen eines Blended Learning-Ansatzes das Onboarding neuer Mitarbeitender, insbesondere von Quereinsteigern, erleichtern soll. . In unserem Interview liefern Stefan Wittstock und Pascal Vogel einen Einblick in den Werdegang des Projektes sowie die Entscheidungsprozesse, die damit für die Stadt Düsseldorf einhergingen und berichten von den Herausforderungen, Vorteilen und Learnings agiler Methoden bei der Content-Produktion in der öffentlichen Verwaltung, mit konkreten Beispielen und Empfehlungen für andere Organisationen.

eLearning Journal: Guten Tag Herr Vogel und Herr Wittstock. Können Sie zunächst sich und Ihre Tätigkeiten kurz vorstellen?

Stefan Wittstock: Mein Name ist Stefan Wittstock und ich bin Leiter der Personalakademie der Landeshauptstadt Düsseldorf (LHD). Damit bin ich verantwortlich für die Personalentwicklung der rund 12.000 Beschäftigen der LHD.

Pascal Vogel: Mein Name ist Pascal Vogel und ich arbeite in der Stabsstelle Digitalisierung der Personalakademie. Zu meinen Aufgaben zählen die Produktion, Pflege und Evaluation von digitalen Bildungsprodukten.

eLearning Journal: Ihr Vortrag trägt den Titel „Content-Produktion im Rahmen von agilen Projekten in der öffentlichen Verwaltung am Beispiel eines Onboarding WBT“. Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie bei der Content-Produktion innerhalb agiler Projekte im Vergleich zu traditionellen Ansätzen?

Pascal Vogel: Das agile Arbeiten in Projekten wie der Content-Produktion bietet viele Möglichkeiten und Vorteile. So entstehen die konkrete Methodik und der Rahmen für das Produkt im laufenden Produktionsprozess auf Basis von vereinbarten Standards. Dabei ist es besonders spannend, dass zu Beginn des Projektes der Ausgang eben nicht zu 100 Prozent vorhersehbar ist und Veränderungen zum Tagesgeschäft gehören.
Das kann aber nur erfolgreich sein, wenn die kontinuierlichen Controlling-Zyklen von allen Beteiligten auch wirklich ernst genommen werden.

Stefan Wittstock: Darauf aufsetzend bietet aus Sicht einer Führungskraft die agile Form von Projekten den klaren Vorteil, dass ein stetiger Zugriff und Überblick auf den Fortschritt des Projektes verfügbar ist. „Falsche Fährten“ können so schnell erkannt, korrigiert und Ressourcen entsprechend gespart werden. Bei der Definition des Projektziels kann man den Beteiligten viel Raum lassen, um eigene Ideen und Ansätze mit einzubringen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass durch dieses Empowerment der Mitarbeitenden, diese die Gelegenheit erhalten, ihre vorhandenen Kompetenzen auch über den eigenen Arbeitsbereich hinaus sehr eigenverantwortlich nutzen zu können. Gleichzeitig dienen Projektarbeiten grundsätzlich der Vernetzung und Kompetenzstärkung der Kolleg*innen und ist daher auch im Rahmen der internen Personalentwicklung sinnvoll.

eLearning Journal: Welche Strategien setzen Sie ein, um sicherzustellen, dass der Content, der in agilen Projekten produziert wird, den Qualitätsstandards und Richtlinien der öffentlichen Verwaltung entspricht?

Stefan Wittstock: Besonders wichtig ist die Transparenz in Richtung der weiteren Beteiligten. So legen wir besonders hohen Wert darauf die Gremien, wie Personalrat, Schwerbehindertenvertretung und Arbeitssicherheit, sehr früh, transparent und kontinuierlich in den Prozess einzubinden. Gleiches gilt natürlich auch für die jeweiligen Fachexpert*innen zu den diversen Themen. Diese Einbindung stärkt die Akzeptanz der (immer noch neuen) Methode der digitalen Personalentwicklung in unserer Dienststelle.

Pascal Vogel: Unsere interne Qualitätskontrolle ist dann wieder stufenweise aufgebaut. So durchlaufen alle unsere Produkte einen internen Review-Prozess. Dieser beginnt natürlich bei den Beteiligten, folgend durch weitere Personen, die bisher keinen Kontakt zu dem Produkt und einen ungetrübten Blick auf den produzierten Content hatten. Im Erstellungsprozess kann dieser Schritt beliebig oft wiederholt werden, bis das Ergebnis für diese Gruppen zufriedenstellend ist. Anschließend, oftmals parallel, schaue ich über die jeweiligen Produkte. Dabei überprüfe ich, ob die eingangs mitgegebenen Rahmenbedingungen wie Corporate Design, Methodenmix, geschlechtergerechte Sprache und Barrierefreiheit Berücksichtigung gefunden haben oder passe dies entsprechend an.

Stefan Wittstock: Zu diesem Aspekt ist auch wichtig zu erwähnen, dass wir bei der Produktion immer das Ziel eines durchführbaren Piloten vorgeben. Dabei setzen wir auf das Pareto-Prinzip – ein guter, nicht perfekter, Prototyp bringt uns mehr als ein bis ins letzte Detail ausgearbeitetes Produkt, das allerdings erst zwei Jahre später seinen Weg in die Testphase findet. Dabei ist dann aber entscheidend, dass man über diese Rahmenbedingungen gegenüber allen Beteiligten Transparenz schafft.

eLearning Journal: Welche Learnings haben Sie aus der Umsetzung des Onboarding WBT in agilen Projekten gewonnen und welche Empfehlungen würden Sie anderen öffentlichen Verwaltungen geben, die ähnliche Projekte planen?

Stefan Wittstock: Einfach mal machen! Der intensive Austausch mit anderen Kommunen hat uns hierbei nur bestätigt. Innerhalb der kommunalen Familie stehen wir alle vor dem grundsätzlichen Problem des Fachkräftemangels. Dadurch bekommt insbesondere das Thema Onboarding neuer Mitarbeitenden, auch und gerade von Menschen außerhalb der klassischen Verwaltung immer mehr Gewicht. Erschwerend kam ein „Stau“ von Qualifizierungsanforderungen aus der Zeit der Pandemie hinzu. Daher war uns klar, dass wir hier mit einer schnell umsetzbaren und skalierbaren Lösung, die somit nicht perfekt sein konnte, Abhilfe schaffen müssen. Eine reine Präsenzveranstaltungsreihe fiel ebenfalls raus, da wir diese bei der Summe an Nachfragen schon aus organisatorischen Kapazitätsgrenzen nicht hätten bedienen können.  Somit war schnell klar, dass wir hier nur eine digitale Lösung anbieten können. Mir ist dabei aber wichtig zu betonen, dass die Arbeit nach dem Pareto Prinzip nicht bedeutet, dass wir dann mit der Erstellung fertig sind. Die Einholung von Feedback ist hier entscheidend und wichtig, um das WBT auf dieser Basis zielgerichtet und zielgruppenorientiert weiterzuentwickeln.

eLearning Journal: Inwiefern glauben Sie, dass agile Ansätze und Methoden auch in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung abseits der Content-Produktion anwendbar sind und welche Potenziale sehen Sie dabei?

Pascal Vogel: Die stetige und schnelle Veränderung der Arbeitswelt führt dazu, dass Entscheidungsprozesse und produktive Lösungen schneller abrufbar sein müssen. Wir sehen die Lösung hierbei in der Organisation. Durch das Arbeiten in agilen Projekten mit agilen Methoden, lassen sich zielgerichtete, schnelle und qualitativ gute Lösungen erzielen. Dabei darf der Anspruch nicht sein, die 120-prozentige Lösung im ersten Durchlauf zu erreichen.

Stefan Wittstock: Hier kann ich mich nur anschließen. Der Vergleich darf nicht zwischen dem Piloten und der 120 Prozent Lösung gezogen werden. Wir stellen uns eher die Fragen: „Ist die Lösung für uns eine Verbesserung des Status Quo?“ und „können wir auf dieser Basis das Produkt dann zielgerichtet weiterentwickeln?“. Wenn beide Fragen bejaht werden, können wir damit in die erste Pilotierung starten. Für Agilität benötigen alle Beteiligten, aber auch insbesondere die betroffenen Führungskräfte, das entsprechende Bewusstsein. Es ist wichtig sich klar zu machen, dass in der Agilität Hierarchien aufgebrochen werden und Verantwortung wirklich delegiert wird. Durch eine höhere Verantwortung und größere Gestaltungsspielräume können Sie so auch eine größere Identifikation bei den Mitarbeitenden erzeugen. Das führte bei uns in der Vergangenheit zu einem großen Zugewinn an neuen Fähigkeiten innerhalb der Abteilung.


Kontakt:

Pascal Vogel
Stadtverwaltung Düsseldorf
pascal.vogel@duesseldorf.de
www.duesseldorf.de

Stefan Wittstock
Landeshauptstadt Düsseldorf
stefan.wittstock@duesseldorf.de
www.duesseldorf.de