Die Zukunft des Lernens – selbstgesteuert, digital und messbar?

In einer Welt, die von ständigem Wandel und technologischer Innovation geprägt ist, gewinnt selbstgesteuertes Lernen zunehmend an Bedeutung. Es befähigt Lernende, flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren, individuelle Lernziele zu setzen, ihren Fortschritt zu überwachen und ihre Lernmethoden anzupassen, um diese Ziele zu erreichen. Joseph Greve von der Evonik Industries AG präsentierte in seinem Vortrag auf der LEARNTEC 2024 verschiedene Ansätze zur Förderung selbstgesteuerten Lernens im digitalen Umfeld sowie die Messbarkeit durch KPIs. Zudem stellt er die Initiative des Digital Skills Kompass vor und erläutert, wie diese zum betrieblichen Performancemanagement beiträgt. Sein Vortrag bot einen Einblick in die Erfolge und Herausforderungen der digitalen Lernförderung bei Evonik Industries AG, sowie Möglichkeiten, den Erfolg verschiedener Initiativen im Bereich selbstgesteuertes Lernen messbar zu machen.

eLearning Journal: Guten Tag Herr Greve. Können Sie zunächst sich und Ihre Tätigkeiten bei der Evonik Industries AG kurz vorstellen?

Joseph Greve: Aktuell arbeite ich bei Evonik im Digital Learning Team und kümmere mich dort um den Betrieb und die Weiterentwicklung unsere Lernsysteme, die Analyse und das Reporting unserer Lernkennzahlen sowie die Förderung einer selbstgesteuerten, digitalen Lernkultur. Ich bin seit zehn Jahren in verschiedenen internationalen Konzernen als Projektmanager im Personalbereich tätig und hatte hierbei den Fokus auf HR-Strategie, -Transformation und -Digitalisierung. Seit vier Jahren widme ich mich verstärkt den Themen digitale Lerntechnologien und digitales Lernen.

eLearning Journal: Ihr Vortrag lautet „Bonus fürs Lernen? KPIs und Förderung selbstgesteuerten Lernens“. Welche konkreten Maßnahmen können ergriffen werden, um selbstgesteuertes digitales Lernen zu fördern, insbesondere unter Berücksichtigung von Plattformen wie LinkedIn Learning?

Joseph Greve: Eine der Kernaufgaben ist Kommunikation. Kontinuierlich und auf verschiedenen Kanälen gemäß dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“. Hierbei ist es einerseits wichtig, die Vorteile und den Nutzen von selbstgesteuertem, digitalem Lernen zu erläutern. Vor Kurzem haben wir zum Beispiel eine „Learning Stories“ Kampagne gestartet mit kurzen, inspirierenden Videos, in denen Mitarbeitende aus der ganzen Welt, unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen sowie Tätigkeitsprofilen sehr authentisch ihre persönlichen Geschichten bzw. Erfolgserlebnisse zum Thema „Digitales Lernen“ teilen.                                                                                                                                                        Andererseits geben wir auch konkrete Tipps dazu, wie kontinuierliches Lernen in den Berufsalltag integriert werden kann, welche Plattformen wir haben und wie diese funktionieren. Zudem bewerben wir im Rahmen unserer Kommunikation relevante und konkrete Lernangebote, um den Start möglichst leicht zu gestalten. Hierbei hat uns das breit gefächerte digitale Lernportfolio von LinkedIn Learning enorm geholfen, denn erst durch attraktive, leicht zugängliche und didaktisch gut aufbereitete Angebote können wir unsere Mitarbeitenden zum Lernen motivieren.             Darüber hinaus nehmen wir unsere Führungskräfte in die Verantwortung und vermitteln die Bedeutung in ihrer Rolle als Vorbilder und Multiplikatoren bzw. Treiber für das Thema Lernen und Weiterentwicklung. Diese Verantwortung spiegelt sich seit letztem Jahr auch in finanzieller Hinsicht im Long Term Incentive unseres Top Managements wider.                                                                                                          Zudem ist das Thema digitales Lernen sogar in einer Gesamtbetriebsvereinbarung über „Einführung und Nutzung digitaler Lernmedien“ geregelt. Damit stellen wir u.a. sicher, dass unsere Belegschaft Zeit und Raum für selbstgesteuertes Lernen hat.

eLearning Journal: Was genau hat es mit dem Digital Skills Kompass auf sich und inwieweit trägt dieser zum Performancemanagement bei?

Joseph Greve: Der Digital Skills Kompass ist eine intern entwickelte App, die unseren Mitarbeitenden eine Übersicht über vorhandene Lernangebote und -Plattformen bietet, um  essenzielle digitale Kompetenzen zu erwerben und diese kontinuierlich weiterzuentwickeln. Die Angebote sind kategorisiert nach verschiedenen Themengebieten, wie z.B. Zusammenarbeit über digitale Medien, Umgang mit Daten oder virtuelle Teamführung. Eine Selbsteinschätzung hilft unseren Lernern dabei, ihr aktuelles Skill-Level zu bestimmen und dazu passende Lernangebote zu finden.                                                                                                                                                                              Die Weiterentwicklung von digitalen Kompetenzen im beruflichen Kontext ist für Evonik aktuell besonders relevant, um sicherzustellen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in digitalen Umgebungen sicher, effektiv und effizient arbeiten, damit wir die digitale Transformation von Evonik vorantreiben. Gerade angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen die Chemiebranche steht, ist es besonders wichtig, dass wir noch effizienter arbeiten. Im Kontext des Performancemanagements ist es natürlich extrem hilfreich, wenn Führungskräfte und Mitarbeitende gemeinsam mit Hilfe der Selbsteinschätzung (digital) „skill gaps“ identifizieren und dazu passend konkrete sowie relevante Lernangebote  entdecken können. So können klare (Weiterbildungs-)ziele formuliert und abgestimmt werden.

eLearning Journal: Wie kann der Erfolg der Initiativen zur Förderung des selbstgesteuerten Lernens gemessen werden, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung von Digital Skills?

Joseph Greve: Aktuell fokussieren wir uns vor allem auf die Bewerbung und Nutzung unserer Plattformen und Angebote, da wir längst noch nicht alle erreicht haben und das Thema kontinuierliches Lernen noch nicht bei allen Kolleg*innen verankert ist. Vor diesem Hintergrund schauen wir uns insbesondere die Zugriffszahlen (u.a. unique user) und gelernte Stunden an. Erfolg ist für uns, wenn es uns gelingt, unsere Belegschaft regelmäßig zu kontinuierlichem Lernen zu motivieren und zu aktivieren.

eLearning Journal: Welche Rolle spielen Tracking und Reporting in Bezug auf die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Förderung des digitalen Lernens, und welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?

Joseph Greve: Vor einiger Zeit haben wir bspw. eine Analyse derjenigen Lerner durchgeführt, die in unserer zentralen Lernplattform LILY in den letzten 12 Monaten noch kein Training abgeschlossen haben. Hier zeigte sich u.a. ein Effekt der Tätigkeitsgruppe („blue collar“ Mitarbeitende), da der Zugang zu digitalen Lerninhalten an den Produktionsstätten aufgrund technischer sowie organisatorischer Gegebenheiten noch nicht flächendeckend gegeben ist. Zudem haben wir herausgefunden, dass wir auch unsere Führungskräfte weiter in die Pflicht nehmen müssen – insbesondere aufgrund ihrer Rolle als Vorbilder und Treiber für (digitales) Lernen. Wir sehen aber auch Erfolge, z.B. hat eine unserer Divisionen letztes Jahr eine groß angelegte Kampagne zur (Weiter-)Entwicklung digitaler Fähigkeiten mit unserem Digital Skills Kompass durchgeführt. Diese Division hatte drei Mal so viele Lernstunden pro Mitarbeiter und teils doppelt so viele Lerner aktiviert als andere Divisionen.                 Durch die quantitativen Auswertungen im Digital Skills Kompass können wir bspw. erkennen, welche Themen oder konkrete Lernangebote mehr und welche weniger genutzt werden. Dies hilft uns sehr dabei, unser Lernportfolio noch zielgerichteter zu kuratieren. Darüber hinaus holen wir auch direkt qualitatives Feedback unserer Lernenden ein, was äußerst wertvoll für die Pflege und Weiterentwicklung der App ist. Einige Features hätten wir ohne die Verbesserungsvorschläge oder Ideen unserer Nutzer*innen nicht entwickelt.                                                        Insgesamt sollte meines Erachtens die Rolle von Tracking und Reporting nicht überschätzt werden, da ein großer Teil des Lernens bzw. Lernerfolgs nicht (gut) erfassbar ist. Gemäß dem 70-20-10 Modell sollte formales Training einen Anteil von 10% ausmachen. Das informelle Lernen – 20% durch Austausch mit Kolleg*innen sowie 70% durch Erfahrungen „on-the-job“ – lässt sich kaum operationalisieren und messbar machen. Dabei liegen hier die größten Lerneffekte.


Kontakt:

Joseph Greve
Evonik
joseph.greve@evonik.com
www.evonik.com