So schafft die Deutsche Bahn moderne Arbeits- und Lernumgebungen

videoproductionIn der sich stetig wandelnden Arbeitswelt stehen Unternehmen vor der Herausforderung, die Potenziale der digitalen Transformation in ihre betrieblichen Strukturen zu integrieren und proaktiv mitzugestalten. Die Deutsche Bahn AG befindet sich inmitten dieses Transformationsprozesses von traditionellen Arbeitsumgebungen zu modernen Lernumfeldern durch Neu-Gestaltung interner Prozesse, Implementierung innovativer Lernplattformen und Förderung einer dynamischen Lernkultur. Auf der LEARNTEC bieten Prof. Dr. Anja Schmitz und Ulrike Stodt fundierte Einblicke in die Rahmenbedingungen, zusammenhängende Forschungsprojekte sowie zukünftige Entwicklungen für das Lernökosystem der Deutschen Bahn.

eLearning Journal: Guten Tag Prof. Dr. Schmitz und Frau Stodt. Können Sie sich und Ihre Tätigkeiten zum Start des Interviews kurz vorstellen?

Prof. Dr. Anja Schmitz: Ich bin Professorin für Human Resource Management an der Hochschule Pforzheim und beschäftige mich in Forschung und Beratung primär mit dem Thema Lernen. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie wir Lernen im betrieblichen Kontext vor dem Hintergrund der digitalen Transformation noch besser unterstützen können, z.B. über die ganzheitliche Gestaltung des Lernökosystems.

Ulrike Stodt: Ich bin Senior Expert Bildungspolitik & Bildungsprogramme im Vorstandsbereich Personal. Ich beschäftige mich unter anderem mit den Rahmenbedingungen von „neuem Lernen“, insbesondere auch an der Schnittstelle zur Interessenvertretung.

eLearning Journal: Wie hat die Deutsche Bahn den Übergang von der traditionellen Werkstattumgebung hin zu einem modernen Lernökosystem gestaltet? Welche spezifischen Rahmenbedingungen wurden geschaffen, um ein effektives Lernökosystem innerhalb der Deutschen Bahn zu etablieren?
Ulrike Stodt:  Zunächst einmal vorweggesagt, wir sind mittendrin im Transformationsprozess zum „neuem Lernen“, also hin zu einem „Lernökosystem“ insbesondere im betrieblichen Kontext. Dabei setzen wir auf den verschiedensten Ebenen an: Neu-Gestaltung der internen Prozesse, der internen Bildungsangebote für die einzelnen Zielgruppen (z.B.: plattformbasiert über eine neue LXP, für die Qualifizierungssteuerung Ausrollen des  TC-Managers), des Monitorings (u.a. implementierte Lernkennzahlen), der Rolle der Führungskräfte und natürlich auch der Gestaltung der Rahmenbedingungen für das Lernen unserer operativen Mitarbeitenden bspw. über die Einrichtung von übergreifenden Lernräumen und mobile Endgeräte für Alle.
Digitale und virtuelle Lernangebote spielen dabei eine zunehmend große Rolle insbesondere in Form von Blended-Learning-Angeboten aber auch in Form von Lernnuggets und User-Generated-Content. Lernangebote und Wissensvermittlung müssen auf die digitale Transformation reagieren und die Mitarbeitenden passgenau abholen. Wir haben die Koordinaten für unser Lernökosystem in einem großen Konzernprojekt (Lernen@DB) erarbeitet und überführen nun die Ergebnisse und die weitere Umsetzung in die Linienorganisation.

Prof. Dr. Anja Schmitz: Aus externer Perspektive finde ich an diesem Ansatz der Ökosystemgestaltung das simultane Adressieren der unterschiedlichen Gestaltungsebenen besonders wertvoll. Durch diesen Ansatz wird Lernen in der Organisation ganzheitlich betrachtet und Synergien können gehoben werden. Wichtig ist dabei allerdings, nicht per Gießkannenprinzip an allen Faktoren anzusetzen, sondern datenbasiert und zielgerichtet vorzugehen.

eLearning Journal: Welche Rolle hat dabei das Forschungsprojekt „Wie lernt die DB?“ gespielt?

Ulrike Stodt: Als DB war es uns genau dieser Punkt wichtig: in der Weiterentwicklung unseres Lernökosystems datenbasiert vorzugehen, statt lediglich zu sagen „wir brauchen eine Lernkultur“. Daher haben wir Prof. Dr. Anja Schmitz (HS Pforzheim), Dr. Julian Decius (Uni Bremen) und Prof. Dr. Timo Kortsch (Denkverstärker) als Forschungsteam beauftragt.

Prof. Dr. Anja Schmitz: In dem Forschungsprojekt haben wir auf Basis validierter Instrumente eine unternehmensweite umfassende Ist-Analyse lernrelevanter Faktoren durchgeführt. Diese Analyse hat es allen Stakeholdern ermöglicht, ein nach Zielgruppen differenziertes Bild des Ist-Zustands zu erhalten und dient als Grundlage für die strategische Weiterentwicklung des Lernökosystems der DB. Insbesondere stand dabei im Fokus, die wesentlichen Rahmenbedingungen und Unterstützungsfaktoren zu identifizieren, die für die Mitarbeitenden beim Lernen relevant sind. Dabei spielten individuelle Lernpräferenzen und Wünsche genauso eine Rolle wie verschiedene lernrelevante Rahmenbedingungen. Eine Besonderheit des Projektes lag darin, dass insbesondere die Zielgruppe der betrieblichen Mitarbeitenden im Fokus stand. Eine Zielgruppe, über deren Wahrnehmungen in vielen Organisationen keine systematische Datenbasis existiert und zu deren Perspektive bisher auch in der Forschung zu wenige Erkenntnisse vorliegen. Durch die Ergebnisse konnten wir für die DB herausarbeiten, genau welche Unterschiede zwischen indirekten und direkten Bereichen in Bezug auf die Förderung des Lernens relevant sind. Darunter fielen Unterschiede in organisationalen Faktoren, wie z.B. der wahrgenommenen Lernkultur und vorhandenen Lern-Infrastruktur, genauso wie Unterschiede in individuellen Faktoren, wie z.B. Erfahrungen in und Erwartungen an das Lernen.

eLearning Journal: Wie wird sichergestellt, dass die Rahmenbedingungen im Lernökosystem der Deutschen Bahn sowohl auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden als auch auf die strategischen Ziele des Unternehmens ausgerichtet sind?
Ulrike Stodt: Für uns stehen diese Ziele keinesfalls im Widerspruch, denn in unserer Auffassung und Gestaltung eines Lernökosystems steht der Mensch im Mittelpunkt und das gilt auch für die Gestaltung einer „starken Schiene“. Unser Anliegen ist es, vernetzter, transparenter, digitaler zu werden und auf den Punkt fokussiert zu sein. Das gilt für erfolgreiches Lernen genauso wie für die strategischen Unternehmensziele. Über unterschiedliche Projekte und Initiativen (z.B.: Ausbausteine der Mitarbeitenden) binden wir unsere Mitarbeitenden ebenfalls direkt ein.
Wir schaffen Rahmenbedingungen, mit denen unseren Mitarbeitenden Wissen & Lernen vor Ort einfach und passgenau zugänglich sein wird, um ihre Tätigkeiten motiviert und fachlich -fundiert auszuüben.

eLearning Journal: Welche zukünftigen Entwicklungen und Innovationen plant die Deutsche Bahn, um das Lernökosystem weiter zu optimieren und die Mitarbeitendenentwicklung voranzutreiben?
Ulrike Stodt: Das Lernökosystem bei der DB ist ein „lebendes System“, das sich an neue oder veränderte Rahmenbedingungen anpassen kann. Eine wichtige Säule ist beispielweise unsere neue LXP, die „DB Lernstation“, die im Herbst 2024 sukzessive gelauncht wird und ein verbessertes individualisiertes Lernerlebnis bringt. Der Zugang zu Lernangeboten wird niedrigschwelliger und passgenauer und zahlt dadurch auf die individuelle Entwicklung ein. Eine Implementierung von konzernweit einheitlichen Lernkennzahlen verbessert das Monitoring und steigert auch die Passgenauigkeit der Angebote.

eLearning Journal: Zum Abschluss: Warum sollte man Ihren Vortrag auf der LEARNTEC 2024 auf keinen Fall verpassen?

Prof. Dr. Anja Schmitz: Wir verdeutlichen in dem Best Practice-Beispiel zum einen wie angewandte Forschung genutzt werden kann, um das organisationale Lernökosystem datengestützt und damit zielgerichtet weiterzuentwickeln. Insbesondere gehen wir hier auf Ergebnisse im Thema Lernkultur ein und zeigen auf welche lernpsychologisch relevanten Variablen in Betracht gezogen werden müssen, um den Arbeits- und Lernprozess zu unterstützen. Zum anderen zeigen wir aus betrieblicher Sicht, welche Hebel sich zur Förderung des Lernens im betrieblichen Bereich als besonders relevant herauskristallisiert haben und wie der Umsetzungsprozess gestaltet werden kann. In den Fokus stellen wir dabei auch die besonderen Bedingungen der betrieblichen Mitarbeitenden.


Kontakt:

Prof. Dr. Anja Schmitz
Pforzheim University

anja.schmitz@hs-pforzheim.de