Virtual Reality in der betrieblichen Bildung
Das zukunftsorientierte VR-Projekt des saz und der ANOVA GmbH

Realitätsnahes Training – Durch das eLearning können die auszubildenden Mechatroniker:innen das Arbeiten an einem Schaltschrank auf sichere und ressourcensparende Weise trainieren.

Die Nutzung von Virtual Reality beim Lernen erschließt viele didaktische Potentiale dieser Technologie. Um diese Potentiale auch für die betriebliche Aus- und Weiterbildung nutzen zu können, hat das saz – Schweriner Aus- und Weiterbildungszentrum e.V. zusammen mit dem Entwicklungspartner ANOVA GmbH das Projekt „Prozessorientierte Mechatroniker/-innenausbildung für die Industrie“ initiiert. Hierbei wurde ein innovatives Trainingssystem entwickelt, das Auszubildenden eine effektive Vorbereitung auf die Prüfung und Vorbereitung auf reale Arbeitssituationen in der Praxis ermöglicht.

Seitdem VR-Technik auch außerhalb von Forschungseinrichtungen verfügbar ist und im Consumer-Bereich genutzt wird, sind auch Anwendungen von VR für die Bildung entstanden, da diese Art von Lernanwendung viele didaktische Potentiale mit sich bringt. Oftmals formulierte Lernziele sind u.a. das Bestreben, Lernende zu begeistern und ihre Aufmerksamkeit zu fesseln sowie das Lernen nahe an den Anwendungssituationen in der Praxis zu ermöglichen. Diese Anliegen lassen sich mit Hilfe von VR-Technik erreichen. Dennoch ist die Nutzung von VR in der beruflichen Bildung eher eine Seltenheit, weswegen die Potentiale hier nicht voll ausgeschöpft werden. Deshalb sind weitere Anstrengungen von Seiten der Ausbildungseinrichtungen sowie von Seiten der Dienstleister für Digitale Medien erforderlich, damit die Anwendungsmöglichkeiten von VR auch innerhalb der beruflichen Qualifizierung zum Tragen kommen. Vor diesem Hintergrund wurde das Projekt „Prozessorientierte Mechatroniker/-innenausbildung für die Industrie“ („ProMech-I“) des saz – Schweriner Aus– und Weiterbildungszentrum e.V. mit der ANOVA GmbH als Entwicklungspartner initiiert.

Lernbedarfe

Das übergreifende Ziel des Projekts bestand darin, die Ausbildung von Mechatroniker:innen an die aktuellen Anforderungen der Berufswelt anzupassen, die sich insbesondere aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung ergeben haben. Hierbei standen die Kompetenzen von Ausbildungskräften, die Ausstattung der berufsbildenden Einrichtungen und die methodischen Kompetenzen in der Ausbildung im Vordergrund. Es wurde das Ziel verfolgt, digitale Technologien methodisch und didaktisch sinnvoll in die überbetriebliche Ausbildung zu integrieren.

Ein Lernziel mit besonderer Priorität beim Aufbau von Kompetenzen bei der Zielgruppe bezog sich auf die Herausbildung von Prozess- und Systemverständnis sowie die Problemlösefähigkeit der Mechatroniker:innen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte eine Simulationsanwendung beim digitalen Training eingesetzt werden. Entstanden ist ein immersives Lernsystem, mit dem die Auszubildenden in die Lernumgebung eintauchen können. Mit den dadurch aufkommenden realitätsnahen Interaktionen sollten die Lernenden einerseits Zusammenhänge erkunden können sowie andererseits dazu befähigt werden, Fehler zu finden und ihre Arbeit durch wiederholtes Training zu optimieren. Weitere Anforderungen bezüglich der Didaktik lauteten folgendermaßen: Die Auszubildenden sollen in einem „geschützten Raum“ lernen, was bedeutet, dass die Lernenden Fehler machen und aus diesen, ohne nachteilige Konsequenzen oder Beeinträchtigung ihrer Gesundheit, lernen können. Außerdem soll das selbstständige und möglichst flexible Lernen gefördert werden, während trotzdem genügend Möglichkeiten zur Betreuung, Fortschrittskontrolle und Unterstützung angeboten werden. Dabei ist weiterhin die Skalierungsmöglichkeit der Komplexität der Lerneinheiten von Relevanz, damit diese an die Bedürfnisse und Kompetenzen der Lernenden angepasst werden kann. Letztendlich soll das digitale Trainingsangebot attraktiv auf die Zielgruppe der Mechatroniker:innen wirken und sie dazu anregen, sich intensiv mit dem Training zu beschäftigen.

Ein weiteres, auf die Wirtschaft bezogenes Ziel von Seiten des überbetrieblichen Ausbildungszentrum saz lag darin, das vorhandene Ausbildungsangebot für Mechatroniker:innen anzupassen und zu modernisieren. Zusätzlich sollten aber auch neue Angebote für die betriebliche Ausbildung entwickelt und erprobt werden, um diese im Regelbetrieb bereitstellen zu können.

Die Zielgruppe bestand vornehmlich aus den Auszubildenden zur Mechatroniker:in. Weitere Gruppen, die von dem Projekt profitieren können, umfassen das Bildungspersonal, das die VR-basierten Trainingsszenarien didaktisch bzw. methodisch entwickelte und erprobte, sowie Unternehmen, die den IHK-Beruf Mechatroniker:in ausbilden.

Projektverlauf

Das Projekt „ProMech-I“ wurde als Entwicklungs- und Erprobungsprojekt vom Bundesinstitut für Berufsbildung gefördert und fand im Zeitraum von September 2020 bis Juni 2023 statt. Es startete mit einem Online-Kickoff-Meeting, bei dem die Projektverantwortlichen, das Ausbildungspersonal des saz und der Dienstleister ANOVA GmbH eine Ideenfindung anhand didaktischer Potentiale von digitalen Medien durchführten. Das Ergebnis dieser Ideenfindung war die Verständigung darauf, eine komplexe Aufgabenstellung umzusetzen, in der die beruflichen Anforderungen des Teil 1 der Abschlussprüfung der Mechatroniker:in trainiert werden können. Darauf aufbauend wurde die Projektplanung erstellt.

Im Anschluss daran erfolgte die Konzeptentwicklung unter Zuständigkeit der ANOVA GmbH. Hierbei wurde ein didaktisches Konzept entwickelt, das beschreibt, welche Inhalte mit welchen Methoden vermittelt werden sollen. Diesbezüglich war die voll ausschöpfende Nutzung der Stärken von digitalen Medien relevant. Deshalb wurden die technischen Möglichkeiten im Zusammenhang mit den Projektzielen in Betracht gezogen und sich für eine Umsetzungstechnologie entschieden, mit der die didaktischen Potentiale von VR aufgegriffen werden können.

Basierend auf diesem Konzept wurde ein Prototyp entwickelt, indem eine Teilaufgabe des Gesamttrainings ausgewählt, umgesetzt und erprobt wurde. Dieser Prototyp wurde dann im Rahmen von Projekttreffen diskutiert, wobei das Feedback hierzu sowie das Feedback, das durch eine „Ausbildungswerkstatt“ gewonnen werden konnte, genutzt wurde, um das Trainingssystem zu optimieren und es an die Bedingungen in anderen berufsbildenden Einrichtungen anzupassen. Anschließend folgte die vollständige Umsetzung des digitalen Trainings.

Da für die Nutzung des Trainingssystems eine spezielle Organisations- und Verwaltungsumgebung benötigt wurde, kam es zur Entwicklung eines zusätzlichen Teilsystems, dem „Classroom Manager“. Hierdurch konnte das eLearning erfolgreich beim saz implementiert werden. Das Projekt endete mit der Überführung in ein Produkt- bzw. Dienstleistungsangebot für den Regelbetrieb am saz.

Bezüglich des Rollouts war von Bedeutung, dass in dem Projekt nicht ausschließlich das saz im Fokus stand, sondern auch andere Lernorte der beruflichen Bildung. Deshalb fanden neben den internen Rolloutmaßnahmen auch verschiedene Workshops und Veranstaltungen statt, bei denen Projektergebnisse vorgestellt und erprobt wurden. Außerdem wurde sich u.a. mit anderen überbetrieblichen Bildungsstätten vernetzt sowie mögliche Geschäftsmodelle und Nutzungskonzepte mit potentiellen internen wie externen Anwendenden diskutiert und anschließend umgesetzt. Das Dienstleistungsangebot konnte somit für alle Beteiligten innerhalb der Zielgruppe bereitgestellt und vermarktet werden.

Projektergebnis

Mit dem Projekt „ProMech-I“ hat die ANOVA GmbH als Entwicklungspartner ein VR-basiertes Trainingssystem für Auszubildende entwickelt, das die Vorbereitung von angehenden Mechatroniker:innen auf die praktische IHK-Abschlussprüfung unterstützt. Der Trainingsinhalt umfasst die Komplettierung und Inbetriebnahme einer elektromechanischen Anlage unter Einhaltung gültiger Sicherheitsvorschriften. Die Auszubildenden erlangen dabei verschiedene, für ihre Arbeit relevante Handlungskompetenzen und können alle in einer IHK-Abschlussprüfung geforderten Handlungen trainieren, ausgenommen der Handhabung von ein paar spezifischen Werkzeugen, da die Entwicklung von Hardware-Attrappen nicht vorgesehen war. Um die Komplexität des Trainingsablaufs steuern zu können, wurde der gesamte Trainingsinhalt in 13 Module unterteilt, die separat durchlaufen werden können. Hierbei werden alle im System ausgeführten Handlungen automatisch protokolliert und den Lernenden und Lernbegleitern zur Verfügung gestellt. Das entwickelte Teilsystem „Classroom Manager“ dient zur Verwaltung der Teilaufgaben, Anwender und Protokolle und bietet den direkten Zugriff auf das Trainingssystem über Webbrowser und VR-Brille.

Die Akzeptanz des Projekts konnte innerhalb von erfolgten Tests mit Auszubildenden und im Rahmen von überbetrieblichen Workshops seitens des saz ermittelt werden. Die direkten Rückmeldungen von den Auszubildenden waren positiv und konstruktiv, wobei besonders die Realitätsnähe des Trainings in Bezug zu dem realen Schaltschrank Anerkennung fand. Bei den Workshops waren die Rückmeldungen auch zumeist positiv, besonders von Seiten externer Lehrkräfte. Häufige Nachfragen nach einer möglichen Lizensierung des Systems weisen darauf hin, dass auch extern ein direktes Interesse an der Nutzung des digitalen Trainings besteht.

Fazit

Mit dem digitalen Trainingsangebot können die auszubildenden Mechatroniker:innen realitätsnah, aber ungefährlich lernen und neue Kompetenzen erlangen. Durch die Anwendung von VR können Ressourcen im Bereich der benötigten technischen Ausrüstung für die Ausbildung eingespart sowie die Aufmerksamkeit und das Einprägungsvermögen der Lernenden erhöht werden. Mit dem Ergebnis des Projekts kann das saz demnach auf ein attraktives Dienstleistungs- bzw. Ausbildungsangebot zurückgreifen, das einerseits für die auszubildenden Mechatroniker:innen genutzt werden kann und andererseits, mittels Anpassung der eingesetzten Methoden und Inhalte, für Ausbildungen anderer Berufsgruppen verwendbar ist. Für die ANOVA GmbH konnte das Projekt einen besonderen Mehrwert leisten, indem nutzbare Effekte für die Schaffung und Weiterentwicklung von Produktionsgrundlagen für VR-basierte Lernsysteme entwickelt wurden. Demnach gelang es mit „ProMech-I“, ein Dienstleistungs- und Ausbildungsangebot zu konstruieren, dessen Potentiale für die Aus- und Weiterbildung weitreichend im überbetrieblichen Bereich genutzt werden können. Aus diesem Grund verleiht die Jury der ANOVA GmbH in Zusammenarbeit mit dem saz – Schweriner Aus– und Weiterbildungszentrum e.V. den eLearning AWARD 2024 in der Kategorie „Ausbildung“.


Vorgaben und Besonderheiten:

Vorgaben:
Das Ziel des Projekts bestand in der Anpassung der Ausbildung von Mechatroniker:innen an die aktuellen Anforderungen der Berufswelt. Dabei sollte die Anwendung von VR-Techniken dazu dienen, ein immersives Lernsystem zu schaffen, mit dem die Auszubildenden das Arbeiten mit mechatronischen Systemen möglichst realitätsnah trainieren können. Außerdem war geplant, mithilfe des Projekts neue Angebote für die betriebliche Ausbildung zu entwickeln und zu erproben.

Besonderheiten:
In dem digitalen Training werden sämtliche Lernhandlungen automatisch protokolliert. Die Protokolle enthalten alle richtig und falsch ausgeführten Montageschritte oder Handlungen und können durch die Lernenden selbst oder mit Unterstützung einer Lehrkraft ausgewertet werden.


Projektverantwortliche:

saz – Schweriner Aus– und Weiterbildungszentrum e.V.

Ralf Marohn
Geschäftsführer

saz – Schweriner Aus– und Weiterbildungszentrum e.V.
Ziegeleiweg 7
D-19057 Schwerin

info@sazev.de
www.sazev.de

ANOVA GmbH

Dr. Volker Gries
Projektmanager

ANOVA GmbH
Joachim-Jungius-Straße 10
D-18059 Rostock

gries@anova.de
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