Blended Learning – Wie ein Methodenkurs zu mehr Integration im Sport beiträgt

Die digitale Transformation eröffnet zahlreiche Chancen in der Bildungsarbeit. Auch Sportorganisationen nutzen die Potenziale von Blended Learning, wie das Erfolgsprojekt “SMILE” des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Zusammenarbeit mit der Friedrich Alexander Universität und der Ghostthinker GmbH zeigt. Um die Integration von Geflüchteten im Sport zu fördern, entwickelten die Projektpartner einen Methodenkurs für Trainer:innen, der auf dem sogenannten Social Video Learning basiert. In diesem Interview verraten der DSOB und Ghostthinker, was sich hinter diesem Ansatz verbirgt und warum der Kurs als Vorlage für Blended Learning im gesamten Sport gilt.

Abbildung 1: Einbettung des Methodenkurses bei den unterschiedlichen Zielgruppen.

eLearning Journal: Die Ghostthinker GmbH hat zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund den eLearning AWARD 2023 in der Kategorie „Social Video Plattform“ gewonnen. Was unterscheidet Social Video Learning vom „typischen“ Video Learning?

Die Innovation “Social Video” kombiniert die Vorteile von Videos mit denen des persönlichen, direkten Austausches. Im Social Video Player werden rein konsumierbare Videos zu einem dynamischen, interaktiven Instrument, um Wissen und Ideen zu teilen, reflektieren, diskutieren und weiterzuentwickeln. Die Kernfunktion von „Social Video“ ist die Koordination von Gedanken zur Förderung von Verstehen und Verständigung. Diese neue Form des situierten Video Lernens ermöglicht eine enge Verzahnung von asynchronem und synchronem Lernen.

eLearning Journal: Der im Rahmen des Projekts entwickelte Methodenkurs setzt auf einen Blended Learning-Ansatz. Wieso wurde dieses Konzept gewählt?

Der Blended Learning Ansatz – eine Kombination aus Live-Sessions und asynchronem Lernen auf der edubreak® Lernplattform – bietet sowohl für Lehrende als auch Lernende viele Vorteile. Aus Lehrender-Perspektive entfallen zeitintensive Termine für Einzelberatungen der Trainer:innen. Denn der Methodenkurs übermittelt die Lerninhalte einer ganzen Gruppe von Trainer:innen simultan und eröffnet gleichzeitig den virtuellen Raum zum gegenseitigen Austausch der Teilnehmenden untereinander. Vor der Einführung von Blended Learning Angeboten im deutschen Verbandssport, gab es wesentlich weniger Austausch über Verbandsgrenzen hinweg.

Durch die verschiedenen Lernphasen in der Online-Lernumgebung haben die Teilnehmenden die Chance, ihre Lernspanne auf einen längeren Zeitraum auszudehnen. Außerdem entsteht durch den unmittelbaren Anwendungstransfer des Theoriewissens in die eigene Trainer:innen-Praxis eine enorme Praxisnähe, von der Teilnehmende als zunächst Lernende und später in der Trainer:innen-Rolle profitieren. Das entstandene Blended Learning Konzept ist auch außerhalb des Integrationskontextes anwendbar und kann damit als Vorlage für jegliche Blended Learning Formate im Sport fungieren.

eLearning Journal: Im Rahmen des Projekts sollte eine Lösung zur Schulung von ehrenamtlichen Trainer:innen und Übungsleiter:innen entstehen. Was waren die Gründe für das Projekt? Mit welchen Herausforderungen sieht sich diese Zielgruppe konfrontiert?

Das “SMILE”-Projekt nimmt ganz bewusst die Zielgruppe der Übungsleiter*innen und Trainer*innen im DOSB-Lizenzsystem in den Fokus und ist auf die Zielgruppe Geflüchtete ausgerichtet. Ein besonderes Anliegen für den DOSB und seine Mitgliedsorganisationen ist es, Geflüchteten im Sinne einer Willkommenskultur die Teilhabe an Sport- und Bewegungsangeboten in Deutschland zu ermöglichen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die rund eine Millionen Trainer*innen und Übungsleiter*innen, die in den Vereinen vielfältige Sportangebote organisieren und durchführen. Mit ihren Angeboten ermöglichen sie Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte einen Weg in den Sport, in die Vereine sowie in ehrenamtliches Engagement. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir Trainer*innen und Übungsleiter*innen bei ihrer Arbeit gezielt unterstützen und ihre Qualifizierung fortlaufend und zeitgemäß weiterentwickeln.

In der Qualifizierung von Trainer*innen und Übungsleiter*innen im Sport wird eine Weiterentwicklung der Bildungsmaßnahmen mit Blick auf Kompetenzorientierung und moderne Lehr-Lernformate wie Blended-Learning gefordert. Ausbilder*innen und Referent*innen (Zielgruppe) der DOSB-Mitgliedsorganisationen haben zukünftig die Aufgabe, kompetenzorientierte Qualifizierungsangebote zu konzipieren, die digitale Methoden und Werkzeuge nutzen.

Die entwickelten Blended Learning Kurse für Trainer:innen und Übungsleiter:innen haben – je nach Sportart – einen Umfang von sechs bis 15 Lerneinheiten, die über einen Monat verteilt absolviert werden. Damit ein hoher Lerntransfer gewährleistet ist, basieren die Kurse stets auf einer konkreten Anforderungssituation der Zielgruppe. In den Lernzielen und Lernaufgaben stehen beispielsweise Methoden des Wissenserwerbs im Fokus, die digitale Werkzeuge nutzen. Auf der anderen Seite ermöglicht Social Video Learning, das Handeln der Teilnehmenden in ihrem Verein in die Fortbildung zu holen und dort wissensbasiert zu reflektieren.

Ein wesentliches Element des “SMILE”-Projektes ist das Multiplikatorenkonzept. Dieses ermöglicht eine sehr weite Reichweite sowohl auf vertikaler Ebene der Wissensvermittlung von Ausbilder:innen über Trainer:innen zu Sportler:innen als auch auf horizontaler Ebene über die Vermittlung von Themenschwerpunkten an die jeweilige Zielgruppe. Auf diese Weise können Kompetenzen erst von der jeweiligen Zielgruppe (Ausbilder:innen, Trainer:innen, Sportler:innen) erlernt und anschließend in der nächsten Stufe an eine weitere Zielgruppe weitergegeben werden.

eLearning Journal: Das Projekt ist Teil des EU-geförderten Gesamtprojekts „SMILE – digitales Lehren und Lernen für Integration im Sport“ und wurde mit einem zyklischen Entwicklungsansatz (Design-Based Research) umgesetzt. Können Sie diesen Entwicklungsansatz kurz vorstellen? Welche Auswirkungen hatte dieser Ansatz auf die Projektumsetzung?

Design-Based Research: Als universitärer Spin-Off orientiert sich Ghostthinker schon früh an Prinzipien aus dem Design-Based Research (vgl. Reinmann & Vohle, 2012): Problem- und Bedarfsorientierung, theoretische Fundierung beim Design sowie mehrfache Iteration aus Planung, Durchführung, Evaluation und Redesign gehören zusammen, wenn sowohl ein Nutzen für die Praxis als auch lokale Erkenntnisse entstehen sollen. Lokale Erkenntnisse in Form von Designprinzipien sind eben nicht nur eine Ressource für die Wissenschaft, sondern sie stellen ein wichtiges Element im Rahmen unserer langfristigen Produktstrategie dar (Lernendes Unternehmen).

Das Gesamtprojekt SMILE basierte auf diesem zyklischen Entwicklungsansatz in einem interdisziplinären und transorganisationalen Team und umfasste innerhalb von drei Jahren zwei große Entwicklungszyklen: Entwurf (Design), Erprobung, Analyse und Redesign.

eLearning Journal: Auf welche Akzeptanz stößt der Methodenkurs bei den Lernenden?

Die beteiligten Sportverbände waren mit ihren Bildungsverantwortlichen und Referent*innen von Anfang an aktiv in den Prozess eingebunden. Dadurch wurde eine hohe Identifikation mit dem Projekt und den Projektergebnissen erreicht.

Konkrete Akteptanzermittlung fand durch eingebundene Feedbackaufgaben in den durchgeführten Kursen (sowohl auf Ebene des Methodenkurses als auch auf Ebene der Qualifizierungsmaßnahmen der Trainer:innen) statt. Hier ein paar Stimmen aus den teilnehmenden Sportverbänden:

“Was wir in SMILE gelernt und erarbeitet haben, ist eine Grundstruktur, die es uns ermöglicht, digitale Qualifizierungsangebote für unsere Verbandsstruktur zu gestalten und anzubieten – sowie ein gewisses Handwerkszeug, um diese Angebote zu begleiten. Die Werkzeuge und Methoden digitaler kompetenzorientierter Bildung ermöglichen es uns, zukunftsorientierte, spannende und motivierende Lernerlebnisse in Bildungsmaßnahmen zu gestalten.” Tim Böhme, BDR Bundestrainer Bildung

Romy Möbius, CCVD Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied: „Wir arbeiten schon seit einigen Jahren mit Qualifizierungsmaßnahmen im Blended Learning-Format in der Lehr-Lernumgebung edubreak. Durch die wissenschaftliche Begleitung bei der Entwicklung der Fortbildung mit Blick auf das DOSB-Kompetenzmodell und Blended Learning waren wir aufgefordert unsere „Komfort-Zone“ zu verlassen – wir sind sensibler für unser didaktisch-methodisches Vorgehen geworden und können das Feedback der Teilnehmenden nun anders einschätzen, hinterfragen und für Weiterentwicklungen nutzen“.

Franziska Hoffmann, CCVD Vize-Jugendreferentin: “Mit dem Thema Geflüchtete aus der Ukraine haben wir in der Fortbildung eine reale und akute Anforderungssituation unserer Trainer:innen in den Vereinen aufgegriffen. Gleichzeitig war dies für uns ein erster Schritt, Integration von Geflüchteten zum Thema einer Fortbildung zu machen. Wir nehmen daraus eine große Motivation mit, das Thema weiter zu öffnen und auf unterschiedlichen Ebenen des Verbandes auszuweiten.”