Compliance, aber viel komplexer …
Validierung von Prozessen rund um ein LMS für einen Hersteller von Medizinprodukten

Employee Self Service – Die eSignature macht es möglich, dass Teilnehmende für die Dokumentation und Archivierung von externen Schulungsmaßnahmen selbst Nachweisdokumente hochladen und bestätigen.

Valide heißt, dass ein Wert nachprüfbar gegeben ist. Auch für eine alltägliche Compliance-Schulung muss der Prozess „valide“ sein. Für den jederzeit überprüfbaren Nachweis, dass die Schulung erfolgreich absolviert wurde, reicht meist die Validität, die im LMS quasi eingebaut ist. Komplex wird es dann, wenn bloße Dokumentation und Aufbewahrung nicht mehr genügt. Bei Herstellern von Medizintechnik-Produkten ist das der Fall: Hier geht es ja am Ende um die Verantwortung für Leben oder Tod.

pfm medical ist eine mittelständische Firma, die hochsensible Medizinprodukte für den Weltmarkt herstellt – z.B. Katheter, Implantate, Instrumente für die Chirurgie u.v.a. Solche Produkte unterliegen äußerst strengen Richtlinien: In der EU ist das die Medizinprodukte-Verordnung (MDR), in den USA heißt das FDA. Damit diese Produkte überhaupt zugelassen werden, muss pfm medical deshalb ein besonders komplexes Qualitätssicherungssystem haben.

Das betrifft nicht nur die Produktion selbst, sondern auch alles, was daran hängt. Letztlich muss die Qualität aller Systeme und Prozesse innerhalb des Unternehmens laufend und immer neu zertifiziert werden, sofern diese aufeinander aufbauen und am Ende Einfluss auf die Sicherheit der Medizinprodukte haben. Validität wird nicht nur einmal festgestellt, sondern muss in permanenten Qualitätsmanagement-Prozessen permanent neu nachgewiesen werden.

Lernbedarfe

Ein Unternehmen wie pfm medical muss eine sogenannte „Produktakte“ führen, die alle Nachweisdokumente zu Schulungsmaßnahmen rechtssicher aufbewahrt, wenn sie auch nur im Entferntesten mit Qualitätsmanagementprozessen zu tun haben. Das gilt auch für Tochterunternehmungen und betrifft letztlich alle fachlichen Schulungen in den Bereichen der Produktentwicklung, Studienabteilung, dem Bereich Regulatory Affairs, Produktion, der Produktkommunikation, dem Marketing & Vertrieb bis hin zu Medizinprodukt-Berater:innen, die am Ende selbst Anwender:innen auf das Produkt schulen.

Die Aufbewahrungsfrist beträgt mehrere Jahrzehnte bis hin zu 100 Jahren bei Hochrisikoimplantaten. Schnell haben sich da Zehntausende von Nachweisen angesammelt, die zerstörungssicher aufzubewahren sind und im Zweifel nach vielen Jahren in einem Überwachungsaudit präsentiert werden müssen. Diese strengen Dokumentationspflichten betreffen alle Schulungen.

Wie viele vergleichbare Unternehmen wickelte man die Validierung bisher in Papierform ab. Mitarbeitende mussten nach Beendigung eines Trainings, egal ob online oder in Präsenz, ein Papier selbst ausdrucken und den erfolgreichen Abschluss per Unterschrift bestätigen. Schon nach knapp zwei Jahren bedeutete das ca. zehn laufende Meter an DIN-A4-Ordnern. Jeden Zettel musste man händisch abheften und eintragen – eine ebenso ressourcenintensive wie fehleranfällige Praxis.

Darum entschied sich pfm medical Mitte 2020 dazu, das bestehende LMS in eine validierbare Lernplattform umzuwandeln, die zugleich alle notwendigen Nachweise in geeigneter Form speichert. Theoretisch hätte das Unternehmen diesen Prozess selbst übernehmen können, aber auch hier hätte die nötige Dokumentation, die bei jeder Änderung und jedem Update erneut anfällt, sehr schnell den Rahmen gesprengt. Aus diesem Grund fiel die Wahl eines geeigneten Projektpartners auf die imc AG, die über die nötige Expertise und Erfahrung in der Planung und Umsetzung solch komplexer Trainingsumgebungen verfügt.

Prozesse, die für die Validierung der Lernaktivitäten relevant sind, mussten digitalisiert und automatisiert werden, um Zeit und Ressourcen zu sparen und die Sicherheit und Zuverlässigkeit zu erhöhen. Das geht weit über die bloße Implementierung einer Lehr- und Lernplattform hinaus, sondern erfordert anspruchsvolle Beratung, die weit in das Qualitätsmanagement hineinreicht.

Projektumsetzung

Ein Validierungsprojekt geht in der Komplexität über die Einführung eines Learning Management Systems hinaus und erfordert eine anspruchsvolle Beratung sowie intensive Analyse von Prozessen, die weit in das Qualitätsmanagement hinreichen.

Zum Beispiel muss dafür Sorge getragen werden, dass für jeden Prozess und jede Funktion schon vor Inbetriebnahme eine Risikoanalyse durchgeführt wird. Was passiert, wenn ein User aus Kategorie Y mit Rechten X auf den Button Z klickt? Welche möglichen Fehler gibt es und was ist der daraus resultierende Effekt? Welches Risiko, welche Gefahr entsteht bei einem Fehler für den Patienten? Damit dies gelingt sowie nachvollziehbar und überprüfbar ist, müssen Rollen, Prozesse und Rechte klar definiert werden. Gleiches gilt unter anderem für Berechtigungskonzepte und Patches.

Zugleich fand eine umfangreiche Anforderungsanalyse der betrieblichen Lernprozesse statt, inklusive Organisationsstruktur und Struktur der Lerninhalte. Im Zuge dieser Analysephase wurden seitens pfm medical einige Prozesse angepasst und verschlankt, um bei der Digitalisierung maximale Effizienz zu ermöglichen. Als nächstes wurden die notwendigen Validierungsdokumente abgeglichen. Als entscheidende Voraussetzung für eine vollständige Digitalisierung wurde die Einführung der eSignature identifiziert.

Darüber hinaus mussten pfm medical und die imc AG bei der Projektumsetzung eine Reihe von Herausforderungen bewältigen:

1. Für Qualitätsmanagement-Beauftragte (QMB) wurde eine eigene Rolle mit weitreichenden Rechten definiert. Ein Problem bestand jedoch darin, dass die Teile der Unternehmensgruppe jeweils ein eigens QM haben und QMBs nur Zugriff auf die Lernstände der Mitarbeiter im eigenen Verantwortungsbereich haben, es aber auch Mitarbeiter gibt, die in verschiedenen Gruppenunternehmen QM-Tätigkeiten erbringen. Hier musste ein Konzept entwickelt werden, das auch bei Änderungen über Nutzerattribute, Ziel- und Organisationsgruppen die automatische Zuordnung zu den entsprechenden QMB ermöglicht.

2. Moderne LMS entwickeln sich laufend weiter, was allerdings zur Folge hat, dass jedes Update wieder re-validiert werden muss. Das bedeutet für pfm medical einen nicht zu unterschätzenden Aufwand. Deshalb werden Innovationen durch die imc vorvalidiert und in einem sogenannten Golden Image bereitgestellt. Dadurch kann pfm medical jederzeit selbst entscheiden, zu welchem Zeitpunkt man diese Updates und Innovationen testen und installieren will.

3. Neben den internen Schulungen müssten auch externe Qualifizierungsmaßnahmen der Mitarbeiter:innen dokumentiert werden. Aus diesem Grund wurde mit der Einführung des validierten LMS ein Employee Self Service zur Dokumentation und Archivierung von externen Schulungsmaßnahmen eingeführt. Damit können Mitarbeiter:innen selbst Nachweisdokumente hochladen und mittels eSignature die Teilnahme bestätigen.

Der operative Start des Projekts war im Oktober 2020. Mitte Januar 2021 ist das neue validierte System schließlich live gegangen.

Projekterfolg

Resümee von Hans-Heiko Müller, Team Manager Organisational Learning: „Wir haben während des Umstellungsprozesses viel gelernt. Wir haben unsere Prozesse an das System angepasst, nicht umgekehrt, und uns dadurch weiterentwickelt. Wir mussten aber akzeptieren, dass wir damit ein Stück Flexibilität einbüßen. Kleinigkeiten, die ich vorher in 20 Sekunden selbst geändert habe, laufen heute über einen Change-Prozess und werden im 4-Augen-Prinzip geprüft und dokumentiert. Trotzdem überwiegen klar die Vorteile. Mit dem System und den von imc erstellten Dokumentationen sind wir bei Audits auf der sicheren Seite.“ Der gesparte Aufwand beträgt etwa einen Arbeitstag pro Woche.

Fazit

Mit dem Projekt ist es gelungen, die vielfältige und komplexe Validierungsprozesse der pfm medical AG erfolgreich zu digitalisieren und zu automatisieren. Alle notwendigen Abläufe sind nun komplett digital durchführbar und sämtliche Lerndaten werden unkompliziert an einem zentralen Ort automatisch gesammelt. Das spart nicht nur Zeit und Ressourcen, sondern erhöht vor allem auch die Zuverlässigkeit und Sicherheit, was letztlich auch den den Ärzt:innen und Patient:innen zugutekommt, die von den Medizinprodukten von pfm profitieren.

Gemeinsam haben pfm medical und die imc AG demonstriert, dass eLearning viel mehr bedeutet als nur Online-Kurse mit Multiple Choice-Tests. Richtig verstanden, sind Lehr- und Lernprozesse immer auch Bestandteil von übergeordneten, missionskritischen Prozessen. Je besser diese definiert und optimiert werden, desto mehr lohnt sich die Einführung von avancierten Lernumgebungen. Der eLearning AWARD2022 in der Kategorie „Validierung“ ist dafür die verdiente Anerkennung.

 


Vorgaben & Besonderheiten

Vorgaben:
Dokumentation aller Schulungen rechtssicher digitalisieren, Validierung und Re-Validierung des LMS sowie die Versionierung (approved records).

Besonderheiten:
Einführung von eSignatures, abgestufte Rollendefinitionen und Updateprozess mit Golden Image.


Projektverantwortliche

pfm medical ag

Hans-Heiko Müller
Team Manager Organisational Learning

pfm medical ag
Wankelstraße 60
D-50996 Köln, Germany

hans-heiko.mueller@pfmmedical.com
www.pfmmedical.de

 

imc information multimedia communication AG

Roman Muth
Director Cloud Solutions & Architecture

imc information multimedia communication AG
Scheer Tower
Uni-Campus Nord
D-66123 Saarbrücken

roman.muth@im-c.de
www.im-c.com/de