Compliance-Training mit kreativem Aha-Effekt

Ein Training in 29 Sprachen – Die Darstellerin wurde so ausgewählt, dass sie in allen Kulturen gut ankommt. Der Sprachfluss der 29 Sprecherinnen dazu kommt aus dem Off und wird wahrgenommen wie eine „innere Stimme“ dieser Figur.

Wie soll man aus einem hochabstrakten Thema wie „Pharmakovigilanz“ ein Lernerlebnis machen, das sich einprägt? Wenn die weltweite Zielgruppe extrem groß ist, und so divers wie nur möglich? Selbst bei Bayer weiß kaum jemand, warum das wichtig ist. Bei den meisten Mitarbeitenden scheint es auf den ersten Blick nichts mit der täglichen Arbeit zu tun zu haben, und in der Regel haben sie davon noch nicht einmal etwas gehört.

Gewünscht wird ein verpflichtendes jährliches E-Learning für alle Mitarbeitenden von Bayer und den Partnerfirmen in 29 Sprachen und entsprechend diversen Kulturen, zusätzlich mit speziellen Inhalten für verschiedene Sonder-Zielgruppen. Die Mehrheit derjenigen, die das lernen sollen, ist eher unintereressiert am Thema „Pharmakovigilanz“, schon weil die meisten im Alltag kaum damit zu tun haben, aber für das Unternehmen ist es von fundamentaler Wichtigkeit. Das Ganze muss in allen möglichen IT-Umgebungen und auf allen möglichen Gerätetypen laufen. Zeit dafür, inklusive der laufenden Abstimmungen innnerhalb eines Großkonzerns: alles in allem 22 Wochen. Ach ja, und es soll sich ganz klar abheben von konventionellem E-Learning, damit die Leute sich das Wichtigste wirklich einprägen und nicht von vornherein abwinken. Ein Himmelfahrtskommando? Nein! Bayer und Mynd haben gezeigt, wie das gehen kann.

Lernbedarfe

„Pharmakovigilanz“ meint die Überwachung eines Arzneimittels nach der Marktzulassung, während der praktischen Anwendung. Ein moderner Pharmakonzern begleitet also die eigenen Produkte während ihres gesamten Lebenszyklus, d.h. auch nachdem das Produkt schon geprüft und erhältlich ist. Das Nutzen-Risiko-Profil wird kontinuierlich überwacht. Alle Rückmeldungen von Patienten, Apothekern, Ärzten müssen erkannt, gesammelt und ausgewertet werden. Bayer geht hier weit über die Einhaltung weltweiter Vorschriften hinaus, um die jeweils aktuellsten Sicherheitsinformationen zur Verfügung stellen zu können.

Damit das geschehen kann, müssen alle Beschäftigten und externen Partner wissen, welche Bedeutung diese „Pharmakovigilanz“ für den Konzern hat und welche Rolle sie darin einnehmen. Und das ist auch bei denjenigen Lernenden wichtig, deren eigentlicher Tätigkeitsbereich erst einmal wenig Berührung mit diesem Thema hat. Auch von ihnen allen fordert Bayer das ständige Mitdenken und Mitwirken.

Das Thema ist also sehr wichtig, aber die Ausgangslage ist ungünstig. Niemand klickt sich gern jedes Jahr durch ein verpflichtendes Compliance-Lernprogramm, und viele betrachten das nur als lästige Pflichtübung, die man möglichst schnell hinter sich bringt.

Im Mai des letzten Jahres schrieb Bayer den Auftrag für ein Web Based Training aus. Bereits fünf Wochen später sollte die Konzeptphase starten. Die Projektdauer war auf fünf Monate angesetzt. Das bedeutete einen Zeitplan, der für ein komplexes Großprojekt dieser Art sehr eng getaktet war: Konzeptionsphase KW 25/27, Storyboard KW 30/31, parallel dazu Drehvorbereitung & Shooting. Dann Postproduction & Animation KW 31/36, Screendesign & Programmierung KW 30/40, Sounddesign & Sprachversionen KW 36/44, LMS-Testing (SCORM) KW 44/46. Der Kickoff hat in der KW 25 stattgefunden.

Weiterhin musste der E-Learning Partner Mynd noch einige schwierige Vorgaben beachten: Trotz der 29 Sprachen wollte Bayer keine reinen Animationen, sondern Real-Videos als Kern des WBT. Damit stellte sich das Problem der Synchronisation. Dabei sind die grob geschätzt ca. 100.000 Lernenden in mehrfacher Hinsicht sehr divers: ihre Kulturen, ihre Arbeitsplätze, ihre Aufgaben im Unternehmen und ihre Motivation unterscheidet sich stark. Divers sind aber auch die IT-Umgebungen: Viele User absolvieren das Training über ein LMS (SAP Success Factors), aber nicht wenige haben gar keinen Zugang zu einem LMS, und viele nutzen dabei keinen PC, sondern mobile Netz-Geräte aller Art. Und trotz dieser Komplikation sollte das Ergebnis für die Lernenden trotzdem kurz und unterhaltsam sein, die Aufmerksamkeit weckend, damit die Botschaften möglichst schnell und direkt ins Hirn gehen.

Projektverlauf

An dem Projekt waren insgesamt über 100 Personen beteiligt. Das erforderte höchste Effizienz. Voraussetzung war eine klare Rollenverteilung auf Dienstleister- und Kundenseite. Jeweils eine Person bündelte alle Funktionen – bei Mynd war es eine leitende Producerin, bei Bayer eine Projektverantwortliche, die zugleich die Rolle der Fachexpertin (SME) übernahm. Dazu kam ein sogenannter „Sponsor“, der die Richtigkeit und Qualität des Trainings gegenüber der Geschäftsleitung verantwortete.

Entscheidend für den Erfolg war die minimalistische Grundidee: Alles wird von Videosequenzen getragen. Dabei wurden gerade die Einschränkungen zu einer Stärke gemacht. Lippensynchronisation in 29 Sprachen ist viel zu aufwändig und geht auf Kosten der emotionalen Direktheit. Mynd setzte deshalb auf Pantomime in ständiger Großaufnahme: eine Schauspielerin, die nur mit Mimik und Gesten direkt zu den Lernenden „spricht“. Der Sprachfluss der 29 Sprecherinnen dazu kommt aus dem „Off“ und wird wahrgenommen wie die „innere Stimme“ dieser Figur.

Durch sorgfältige Greenscreen-Technik wurde der visuelle Raum um diese Figur herum verfügbar für Texte, Grafiken, Tricks und Animationen. Die wurden aber erst im Nachhinein erstellt, so dass sie immer sehr direkt auf jede Aktion der Figur bezogen sind. Auf diese Weise ergibt sich ein dichter Fluss von einzelnen Aussagen und Botschaften, die im Prinzip auch ohne die Tonspur verständlich sind.

Die Lernenden konzentrieren sich unwillkürlich auf das Gesicht. Alle begleitenden Informationen werden so viel besser im visuellen Gedächtnis verankert. Das Resultat ist emotional und witzig zugleich. Der Flow und die Dynamik der Videos erzeugt einen ungewöhnlichen „Aha-Effekt“, der sich klar von gewohnten Erklärvideos abhebt.

Der Videoplayer mit integrierter Untertitel-Funktion wurde mit Web-Technologien programmiert (HTML, CSS, Javascript), also ganz ohne zusätzliche Autorentools. Das eröffnete maximale Freiheiten in der Gestaltung und im Funktionsumfang. So konnte das Training am Ende auch in zweifacher Form ausgeliefert werden: einerseits als LMS-Inhalte nach SCORM-Standard, andererseits als klassische HTML-Pakete für den Stand-Alone-Betrieb auf beliebigen Servern. Beide Formate sind abspielbar auf allen mobilen Geräten und in allen gängigen Browsern.

Projektergebnis

Der ehrgeizige Zeitplan wurde eingehalten, die vorgegebenen Ziele wurden in vollem Umfang erreicht. Vor dem Launch des Trainings wurde noch ein User Acceptance Test mit Kollegen aus diversen Abteilungen wie Marketing, Learning Academy und Medical Affairs durchgeführt, um sicherzustellen, dass das WBT im Detail für alle Kontexte und Kulturen geeignet ist. Die modulare Produktionsweise erlaubte es, Anmerkungen und Rückmeldungen der Pre-Test-„Kunden“ in die finale Lösung einfließen zu lassen.Die Inhalte werden in Zukunft jedes Jahr aktualisiert. In der Fortgeschrittenen-Version werden zusätzliche interaktive Bausteine eingebunden, die über eine Wissensabfrage hinausgehen und Kenntnisse auf spielerische Weise vertiefen.

Fazit

Ein sperriges Thema, höchst diverse Zielgruppen mit sehr unterschiedlicher Grundmotivation, eine uneinheitliche IT-Landschaft und dann noch die besonderen He-rausforderungen, die sich aus der inneren Organisation eines Großkonzerns ergeben: Bayer und Mynd haben mit ihrer Zusammenarbeit vorgeführt, wie gerade aus einer so schwierigen Ausgangslage heraus eine ungewöhnlich kreative E-Learning-Lösung mit einem unverwechselbaren Look & Feel entstehen kann.

Die Jury hat sich deshalb entschlossen, das „Pharmakovigilanz“-WBT mit dem Award in der Kategorie „International“ auszuzeichnen. Herzlichen Glückwunsch!


Vorgaben & Besonderheiten

Vorgaben:
Ein WBT in 29 Sprachen, das schwierige Thema attraktiv darstellen sowie der Zeitraum von 5 Monaten für ein Großprojekt.

Besonderheiten:
Die Videos zeigen Pantomime in Großaufnahme, eine „Innere Stimme“ spricht aus dem Off und die ungewöhnlichen Animationen.


Projektverantwortliche

Bayer AG

Elisabeth Haass
Pharmacovigilance Training &
Learning Manager

Medical Affairs & Pharmacovigilance Learning Academy
D-13353 Berlin

elisabeth.haass@bayer.com
www.bayer.com

Mynd GmbH

Niklas von Nathusius
Head of E-Learning

Mynd GmbH
Hanauer Landstr. 175-179
D-60314 Frankfurt am Main

nvn@mynd.com
www.mynd.com