Lernen, auf den Punkt zu kommen
Öffentliche Rede in einem geschützten virtuellen Raum

Photorealistische Immersion – Man bewegt sich in realitätsgetreuen Umgebungen. Gesichts- und Körperanimationen simulieren auf authentische Weise die Reaktionen des Publikums. Auch die eigenen Körperbewegungen werden in der virtuellen Welt genau gespiegelt.

Mit einem Mal findet man sich vorne in einem Vortragsraum und beginnt zu reden. Zuerst wirkt das Publikum aufmerksam, doch dann schweifen die Blicke ab, zur Decke oder zum Smartphone. Man versucht wieder Augenkontakt herzustellen, man hebt die Stimme, weicht ab vom Skript. Dass man aus Verlegenheit viele Füllwörter benutzt, macht es nicht besser. Plötzlich ist die Zeit abgelaufen, viel zu früh, und man nimmt die VR-Brille ab. Die exakte Analyse des Systems folgt sofort.

Die Kalaidos FH in Zürich ist spezialisiert auf hochwertige Aus- und Weiterbildungsangebote für Berufstätige, die sich den Herausforderungen der andauernden digitalen Transformation stellen wollen. Dort kann man nicht nur ein Diplom oder einen Abschluss als Master of Advanced Studies (MAS) erwerben, sondern auch einzelne, in sich abgeschlossene Zertifikatsmodule (CAS) absolvieren, für die man ECTS-Punkte erhält.

Damit die Lernenden ihre Studien optimal in den eigenen Alltag integrieren können, erprobt das hochschuleigene Kompetenzzentrum New Learning innovative Lern- und Trainingsmethoden, die den Einsatz von digitalen Medien und anspruchsvolle didaktische Konzepte miteinander verbinden. Seit 2020 wurde der VR Speech Trainer der Grünwalder Extend Reality Training-Experten von straightlabs zu einem wichtigen Baustein im crossmedialen Studienmodul „CAS Business Performance Skills“. Im Lauf eines Semesters erwirbt man sich dort Schlüsselfähigkeiten für die weitere Karriere durch eine besondere Kombination aus einem Storytelling-Ansatz, digitalen Lernmethoden und Virtual Reality-Technologien.

Lernbedarfe

In einer zunehmend digitalisierten Welt wird die Überzeugungskraft der freien Rede nicht weniger wichtig. Ganz im Gegenteil: Man wird sich in Zukunft viel seltener von Angesicht zu Angesicht treffen, aber wenn man es doch tut, dann zu besonders wichtigen Anlässen. Umso kostbarer und wichtiger sind die Momente, in denen man die eigene Botschaft nicht allein durch den Inhalt, sondern vor allem auch durch die Performance in die Köpfe und Herzen pflanzen kann.

Dem Lehrplan des „CAS Business Performance Skills“ liegt ein Storytelling-Konzept zugrunde: Spielerisch erleben die Studierenden zuerst den Einstieg in ein neues Unternehmen und übernehmen dann die Projektleitung für ein neues Verarbeitungssystem. Dafür müssen die wichtigsten Stakeholder überzeugt, Terminvereinbarungen getroffen, der passende Change Prozess identifiziert und sogar schwerwiegende Umstrukturierungsmaßnahmen, etwa Entlassungen und Versetzungen, ergriffen werden. Durch Learning by doing erwirbt man dabei Spezialkenntnisse zur geschäftlichen und persönlichen Kommunikation in einem digitalisierten Umfeld. Am Ende gipfelt die Story in einer eigenen Live-Präsentation, die alles entscheidet. Aber wie kann man sich eine so komplexe Fähigkeit erwerben, wenn man nur online studieren kann?

Das war die Herausforderung, der sich die Kalaidos FH zusammen mit dem Partner straightlabs gestellt hat. Das Grünwalder Educational Technology Team hat sich auf das Lernen in „erweiterten Realitäten“ (xR Training) spezialisiert. Im Studienprogramm von Kalaidos FH wurde es 2020/21 erstmals gezielt eingesetzt.

Die Anforderungen sind hoch, denn eine erfolgreiche Rede oder Präsentation ist ein komplexes Gebilde. Wichtige Kriterien, die menschliche Trainer beurteilen, sind etwa:

  • Klare Struktur, reicher Wortschatz, Vermeidung von Floskeln;
  • Körpersprache, Bewegung im Raum, Blickkontakt, Mimik und Gestik
  • Tonlage, Beweglichkeit und Lautstärke der Stimme, deutliche Aussprache;
  • Vortrag, Sprachfluss und Tempo, Lebendigkeit, selbstbewusster Tonfall;
  • Einhaltung der Zeit.

Dieses Coaching-Feedback musste auch die VR-Anwendung, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und mittels KI, geben können. Zugleich sollte sie das Echtzeit-Feedback der Zuhörer simulieren, um so die Soft Skills der Vortragenden trainieren zu können. Zielgruppe waren Studierende, die besondere Ansprüche an moderne und flexible Formen der Unterweisung stellen, aber durchaus auch ältere „digitale Immigranten“, die sich mit der Technik möglichst wenig beschäftigen wollen.

Projektumsetzung

Der VR Speech Trainer wurde zweifach in das Studienmodul eingebunden: Die Erstellung und Performance einer Präsentation vor den wichtigsten Stakeholdern ist Teil des fiktiven Übungsprojekts, das den narrativen roten Faden des Kurses darstellt. Auf diese Übung folgt dann als Abschluss des Moduls eine reale Präsentation, die vor der Prüfungskommission vorgetragen wird. Dabei geht es um ein Konzept für den Change Prozess in einem realen Unternehmen, das zeigt, wie dort solche crossmediale Technologien eingeführt werden könnten, wie sie im Kurs bereits Verwendung finden.

In beiden Fällen kann der Speech Trainer in zwei Einstellungen verwendet werden: Einmal als Trainingsplattform, in der das System während der gehaltenen Rede eine Vielzahl von direkten Rückmeldungen gibt, an denen man eigene Fehler eindeutig ablesen kann. Dazu gibt es auch einen Modus, in dem man den Ernstfall übt und nur auf das indirekte Feedback des virtuellen Publikums reagieren kann. Dabei bietet der VR Speech Trainer vielfache Unterstützung:

Plug & Play: Zur Nutzung ist nur ein Standalone-VR-Headset erforderlich, es braucht keine zusätzlichen Geräte oder technische Kenntnisse.

Gamification: Mehrfach wurden Game-Elemente verwendet, um die realitätsgetreue Erfahrung zu erweitern und die Lernenden zu unterstützen. Industrieweit einzigartig ist eine besondere Warnanzeige: Bestimmte Symbole leuchten rot auf, sobald gemessene Parameter negativ abweichen. Zum Beispiel, wenn man zu laut/leise oder zu schnell/langsam wird, wenn man zu viele/wenige Gesten einsetzt, wenn mangelnder Augenkontakt besteht, etc.

Reporting: Alle wichtigen Parameter werden während des Redens aufzeichnet und gemessen, so dass am Ende ein exakter Report entsteht, aus dem man die eigenen Verhaltensmuster genau ablesen kann.

Am wichtigsten ist aber die Immersion-Erfahrung selbst: Um ein möglichst starkes Gefühl des Eintauchens in die virtuelle Realität zu erzeugen, wurden mit sehr viel Liebe zum Detail realitätsgetreue Umgebungen und nahezu fotorealistische Charaktere entwickelt. Gesichts- und Körperanimationen simulieren auf authentische Weise die Reaktionen des Publikums. Auch die eigene Körperbewegungen werden in der virtuellen Welt genau gespiegelt. Für das gezielte Vortragstraining können eigene Folien hochgeladen und präsentiert werden. Wie in einer echten Vortragssituation kann man die Folien weiterschalten, einen Laserpointer oder Notizzettel verwenden. Und vor allem reagiert jeder einzelne Avatar im Publikum individuell auf den persönlichen Blickkontakt durch den Vortragenden.

Projekterfolg

Der erste reale Einsatz des VR Speech Trainers fand unter den Dozierenden und Studierenden der Kalaidos FH großen Anklang. Die Lernenden zeigten sich stark beeindruckt von dieser außergewöhnlichen Erfahrung, die das Lernen der Zukunft vorwegnimmt.

Von Beginn an wurde die aufwändige Entwicklung von der TU München mit einer wissenschaftlichen Forschung begleitet. Die Auswertung der Ergebnisse aktueller internationaler Studien belegt, dass virtuelle Trainingsanwendungen zunehmend als wirksames Trainingsinstrument akzeptiert werden und dabei ein wertvolles direktes Feedback liefern. Sie senken zudem merklich das Stressniveau innerhalb von Trainingssituationen und stärken das Selbstvertrauen.

Fazit

Das Studienmodul „CAS Business Performance Skills“ mit der nahtlosen Einbindung des VR Speech Trainer beweist überzeugend, dass xR (extended Reality) keine futuristisch anmutende Methode mehr ist, xR ist tatsächlich in der Realität der beruflichen Weiterbildung und des Corporate Learning angekommen – und zwar auch und gerade für komplexe Soft Skills-Szenarios.

Die Jury des eLearning Journals würdigte die Verwendung von Immersion- und Gamification-Elementen auf höchstem Niveau, die menschliches Einzelcoaching in vieler Hinsicht ersetzt und sogar erweitert. Denn vor allem der lernpsychologische und didaktische Gewinn des VR Speech Trainers für Soft Skills Training erschien der Jury als besonders preiswürdig. Wenn man das öffentliche Auftreten und Reden lernen will, braucht man die Publikumsreaktionen, aber zugleich hemmt gerade dieses Publikum sehr stark die eigene Bereitschaft, aus sich herauszugehen, zu experimentieren und Fehler zu machen, aus denen man dann lernen kann. Das Eintauchen in einen geschützten Raum mit virtuellen Zuhörern, die ganz persönlich auf die Ansprache und Performance reagieren, verbindet das Beste aus beiden Welten. Dafür erkennt die Jury diesem Projekt den Preis in der Kategorie „Immersive Learning“ zu.

 


Vorgaben & Besonderheiten

Vorgaben:
Einüben von Tonfall, Körpersprache, Wortschatz, die nahtlose Integration in Storytelling-Kontext; auch für „digitale Immigranten“ geeignet.

Besonderheiten:
Nach einer intensiven Trainingsphase schließt der Kurs ab mit der Live-VR-Abschlusspräsentation eines Change-Projekts unter realistischen Bedingungen.


Projektverantwortliche

Kalaidos Fachhochschule Wirtschaft AG

Prof. Dr. Dr. Andrea Rögner
Prorektorin

Kalaidos Fachhochschule AG
Kompetenzzentrum New Learning
Jungholzstrasse 43
CH-8050 Zürich

andrea.roegner@kalaidos-fh.ch
www.kalaidos-fh.ch

straightlabs GmbH & Co. KG

Prof. Dr. Peter Niermann
Geschäftsführer

straightlabs GmbH & Co. KG
Tölzer Str. 12
D-82031 Grünwald

peter.niermann@str8labs.com
www.straightlabs.com