Aus der Biologie lernen, um im digitalen Lernen erfolgreich zu sein

Oder: Was machen Eisbären, Polardorsche und Krill in der Wüste?!

Die Welt des digitalen Lernens war schon immer voll von bunten Schlagwörtern. Seit den Tagen computerbasierter Trainings finden sich immer wieder neue Begriffe wie Rapid E-Learning, Social Learning, informelles Lernen oder Microlearning. Es scheint fast so, als ob wir neue Trends mit neuen Buzz-Words (meist Anglizismen) versehen, um das zu unterstützen, was die betriebliche Weiterbildung gerade beschäftigt. Hiergegen sind natürlich auch Analysten nicht gefeit, obwohl wir uns bei Fosway immer bemühen, den Hype zu durchdringen. Aber manchmal ertappen auch wir uns dabei, den einschlägigen Jargon zu verwenden.

Learning Ecosystem oder Lernökosystem ist vielleicht ein solcher Begriff. Es ist ein Thema, über das wir tatsächlich schon seit 25 Jahren sprechen und das in den letzten 12 Monaten immer wichtiger geworden ist. Aber was verstehen wir wirklich darunter?

Die „ursprüngliche“ Definition von Ökosystem kommt natürlich aus der Biologie: eine biologische Gemeinschaft von interagierenden Organismen und ihrer physischen Umgebung. Aber es ist ein Begriff, der schon seit langem auch in der IT-Branche verwendet wird – zum Beispiel, um sich auf ein komplexes Netzwerk (Gemeinschaft) von miteinander verbundenen IT-Systemen (Organismen) in der Umgebung eines Unternehmens zu beziehen. Dabei gibt es noch weitere Parallelen zur Biologie: Einige der IT-Systeme ergänzen sich gut, arbeiten also geradezu symbiotisch zusammen, andere stehen eher in einem Verdrängungswettbewerb und ähneln Raubtieren. Jeder, der schon einmal die Rechnung eines Implementierungshauses bezahlen durfte, welches zwei „Raubtier-Systeme“ miteinander integrieren musste, wird verstehen, was gemeint ist. In einem IT-Ökosystem bestehen Integrationsbeziehungen zwischen den einzelnen IT-Systemen – diese sollen miteinander agieren und zusammenarbeiten.

Es kommt aber auch ganz entscheidend auf den Unternehmenskontext an, in dem die Systeme zum Einsatz kommen. Handelt es sich um einen europaweit tätigen Einzelhändler, bei dem die Mitarbeiter in vielen Sprachen auf ihren mobilen Endgeräten lernen sollen, oder aber um ein kleines produzierendes Unternehmen, das in nur einem Land produziert und die Waren über Großhändler vertreibt? Die Systeme, die im einen Unternehmenskontext gut funktionieren, sind im anderen vielleicht nur mäßig geeignet. Das kann genauso schwierig werden wie Krill, Fische, Pinguine, und Seeleoparden im Gebirge oder Krill, Polardorsche, Seehunde und Eisbären in der Wüste anzusiedeln.

Ein digitales Learning-Ökosystem aufzubauen ist nicht so leicht wie es erscheint…

Wie kann die Idee der IT-Ökosysteme nun auf die betriebliche Weiterbildung übertragen werden? Nun, digitales Lernen hat schon immer ein eigenes Ökosystem unter dem Dach der Biosphäre der Personalwirtschaft. Learning Management Systeme (LMS), Learning Experience Plattformen (LXPs), Autorenwerkzeuge, Performance-Support-Plattformen, Kollaborationstools… die Liste der Technologieoptionen für L&D ist schier endlos. Aber die Welt scheint übersät mit Organisationen, die schlechte Entscheidungen in Bezug auf ihre Learning-Technologien getroffen haben, insbesondere wenn es darum geht, verschiedene IT-Systeme effektiv zu verzahnen. Fast 70 % der Unternehmen glauben, dass ihre Learning Systeme nicht für die moderne Belegschaft geeignet seien und lediglich 50 % der Unternehmenskäufer stufen die Qualität ihrer Learning Systeme als gut oder besser ein. Anscheinend läuft hier ganz eindeutig etwas falsch.

Um Unternehmen dabei zu unterstützen, ein gut funktionierendes Learning-Ökosystem aufzubauen, müssen wir zunächst die Einzelteile herausarbeiten und die verschiedenen Schlüsselelemente herausfinden, die dazu benötigt werden. Viele Jahre lang galt das LMS als das Herzstück.

Eine moderne Lernerfahrung und eine einfache Architektur – der Trugschluss bei der Trennung von LMS und LXP

Heutzutage sind Präsenz- und Compliance-Schulungen sicher keine neuen oder gar aufregenden Bereiche der betrieblichen Weiterbildung. Sie sind aber wichtig und notwendig und Organisationen müssen sie unabhängig von neuen digitalen Trends weiterhin umsetzen. Gleichzeitig aber beschäftigen sich handelnde Personen in Organisationen natürlich lieber mit neuen Ideen, Konzepten und Möglichkeiten um modernere Lernerfahrungen zu erschaffen – im Moment vielleicht rund um Trends wie Kollaboration, Mobile, Künstliche Intelligenz (KI) oder Kuratierung.

Das LMS-Akronym ist schon seit längerem zum Unwort auf Learning-Technologie-Konferenzen avanciert. Wenn Käufer von Learning-Systemen anfangen, über die Weiterentwicklung ihrer Systemlandschaft nachzudenken, ist dies typischerweise der Punkt, an dem heutzutage die Learning Experience Plattform (LXP) ins Gespräch kommt. Die Anzahl der Anbieter, die den LXP-Label verwenden, um von schlechten LMS-Erfahrungen abgeschreckte moderne Käufer anzusprechen, ist förmlich explodiert. Die LXPs kombinieren dabei disruptive (und oft neue) Ideen und Methoden, Lerninhalte anzubieten – mobil, sozial, videobasiert, adaptiv, kuratiert – die Liste wächst ständig weiter. Aber was sie auch sein mögen, LXPs stellen keine eigenständige Kaufkategorie dar. Wir benötigen also genauere und besser zutreffendere Begriffe, um LXPs zu beschreiben, und ein besseres Modell, um ihre Auswirkungen und Unterschiede zu analysieren. Anstelle der Marketingbegriffe LMS und LXP hat sich Fosway entschieden, alle Learning-Systeme entweder als Suiten oder als Spezialisten zu klassifizieren.

Learning System Suiten sind Plattformen, die eine große Bandbreite traditioneller und moderner Next-Generation-Learning-Ansätze unterstützen und miteinander verbinden. Ihr Ziel ist es, alle Kernbereiche der betrieblichen Weiterbildung abzudecken, inklusive des traditionellen Learning Managements, einer verbesserten Learning Experience sowie alte und neue Lernkanäle gleichermaßen zu bedienen. Bei den Suiten handelt es sich also einerseits um die nächste Evolution klassischer Learning-Management-Systeme (LMS), die um Funktionalitäten des Next-Generation-Learning ergänzt und in der Learner Experience verbessert wurden, aber andererseits auch um die Evolution moderner LXPs, die um klassische Funktionalität von Learning-Management-Systemen erweitert wurden. Somit handelt es sich bei Suiten um eine „One Stop Shop“-Lösung für modernes Learning.

Learning System Spezialisten sind das Gegenstück dazu. Sie fokussieren sich unverhohlen auf einen einzelnen Funktionsbereich, der eine disruptive Agenda verfolgt. Ob es nun darum geht, der beste Anbieter im Bereich Mobile Learning zu sein oder darum, Lerninhalte durch Unterstützung künstlicher Intelligenz adaptiv zum individuellen Lernfortschritt und Wissensstand anzubieten oder darum, eine vereinheitlichte Lernerfahrung für Inhalte aus unterschiedlichsten Quellen zu schaffen. Diese Spezialisten bieten ein fokussiertes Wertversprechen und haben den Anspruch, führend in ihrem Spezialgebiet zu sein. Spezialisten werden in den seltensten Fällen das einzige Learning System in einer Organisation sein. Sie decken nicht alle Bereiche ab, die ein Unternehmen benötigt, um die Weiterbildung und das Lernen ihrer Mitarbeiter zu unterstützen, zu planen und zu steuern. Stattdessen ist das Ziel der Spezialisten, disruptiv auf die Suiten zu wirken und einen deutlich höheren Wertbeitrag in einer Einzeldisziplin moderner Weiterbildung zu bieten.

Während es für große Unternehmen mit komplexen Strukturen meistens einfacher ist, eine zusätzliche Spezial-Lösung einzuführen, um einen bestimmten Teilaspekt im Bereich Learning zu verbessern, bevorzugen alle anderen Käufer ein einziges System, das möglichst alles erledigt – eine Suite. Mitnichten ist der Begriff „bevorzugen“ hier nachdrücklich genug: Mittelgroße Unternehmen haben einfach nicht die Ressourcen oder Budgets, um mehrere Learning Systeme wirksam zu managen und zu integrieren. Es ist zu schwierig und zu teuer. In Wahrheit möchten natürlich auch große Unternehmen das nicht wirklich. Allerdings ist es viel zu schwierig, das unternehmensweite LMS zu reparieren, damit Lernen im erforderlichen Umfang stattfinden kann, parallel dazu noch alle Neuerungen umzusetzen und gleichzeitig auch noch die Learning Experience zu transformieren. Supertanker lassen sich eben nur sehr langsam wenden. Daher mag die Idee separater Schichten für Learning Management und Learning Experience theoretisch gut klingen, sie lässt sich aber nur schwierig von Kunden in die Praxis umsetzen und beibehalten.

Stattdessen reden wir also lieber von Learning-System-Spezialisten. Hier haben wir sieben Bereiche identifiziert, mit denen wir uns im Jahr 2020 eingehend beschäftigt haben (siehe Tabelle Unten).

Unser Ziel ist es, hervorzuheben, was Käufer von Learning Systemen über diese verschiedenen Spezialgebiete wissen müssen; was jeden einzelnen Bereich im Kern wirklich ausmacht und warum er für die Zukunft der betrieblichen Weiterbildung wichtig ist und was Sie aus Unternehmenssicht beachten müssen. Verschiedene Anbieter können ein und dasselbe Spezialgebiet auf unterschiedliche Weise angehen, und sie alle haben potenziell einen Einfluss darauf, wie sich diese Lösung mit anderen verbindet, die Ihre Organisation bereits im Einsatz hat, d. h. wie die Speziallösung in Ihr Learning-Ökosystem passt.

Und während die Idee separater Spezialbereiche für die unterschiedlichen Aspekte des Learning Managements und der Learning Experience zunächst gut klingt, ist es für Organisationen mitunter problematisch, sie in einem Ökosystem in ihrem Unternehmenskontext zu implementieren, zu betreiben und zu warten. Die Anbieter werden Ihnen sagen, dass ihre Systeme mit anderen „out of the box“ integriert werden können, aber die Realität ist nicht immer so einfach.

Das Wiederzusammenfügen des Ökosystem-Puzzles

Das letzte Puzzleteil im Ökosystem-Puzzle besteht nun darin, dass wir jetzt, nachdem wir die verschiedenen Spezialbereiche des Lernen dekonstruiert haben, alles wieder zusammensetzen und die Learning Systeme als ein Ökosystem und nicht bloß als ein einzelnes System betrachten müssen. Das war natürlich schon immer so. Selbst in den alten Tagen des LMS ging es bei der Lerntechnologie immer um viel mehr als nur um Learning Management. Es gab Content-Tools, Assessments, Virtual Classrooms, Lernevaluation und so weiter. In der Welt des modernen Lernens ist das noch komplexer geworden sowohl durch die Vielfalt des digitalen Lernens als auch durch die unterschiedlichen Kontexte, in denen das geschieht. Disruptive Spezialisierungen haben das noch weiter hervorgehoben, und infolge von COVID-19 ist ein digitales Angebot aktuell für einen Großteil der Lernbedarfe ohnehin der einzig gangbare Weg.

Ganz egal, wie die Größe und der Reifegrad Ihrer Organisation ist – es wird beim Lernen nie um nur ein System gehen, sondern immer um ein Ökosystem. Je komplexer und diverser das Lernen wird, umso wichtiger wird das Ökosystem ebenso wie die Fähigkeit von Learning Suiten und Spezialisten, in einem breiteren Ökosystem wirksam zu funktionieren – im Rahmen von Lernen, von HR- und Talentmanagement und in den umfassenderen Geschäftsanwendungen eines Unternehmens. Uns wurde klar, dass die Fähigkeit von Learning Systemen, innerhalb eines breiteren Ökosystems effektiv zu funktionieren (ihre „Ökosystembefähigung“, wie wir es jetzt nennen) inzwischen so wesentlich ist, dass sie selbst zu einer disruptiven Kraft wurde.

Nehmen Sie sich die Zeit, die verschiedenen Spezialgebiete zu betrachten, die wir oben dargelegt haben, und überlegen Sie, wie Ihre aktuellen oder potenziellen zukünftigen Systeme diese unterstützen. In der Tabelle im Fosway 9-Grid™ für Learning Systeme 2021 (Siehe unten) wird aufgeschlüsselt, welche Lösungen Suiten sind und welche in die verschiedenen Spezialisten-Kategorien fallen.

Wenn Sie also zum Beispiel verstärkt Lerninhalte kuratieren möchten, Ihr aktuelles Lernsystem diese Funktion aber nicht bietet, dann schauen Sie sich an, wie ein Spezialist diese Lücke schließen könnte. Aber tun Sie das nicht isoliert. Denken Sie über das Ökosystem nach und darüber, wie Ihre verschiedenen Lernlösungen zusammenarbeiten sollten, um etwas zu schaffen, das zusammen funktioniert – und eine Wirkung erzeugt, die sogar größer ist als die Summe seiner Teile.

Beachten Sie dabei den Kontext Ihres Unternehmens, in dem dieses Ökosystem existiert. Überlegen Sie, mit welchen anderen Lösungen das Spezialsystem interagieren muss und falls Sie einen Anbieter einführen möchten, der mehrere Spezialbereiche abdeckt, überlegen Sie auch, ob es Überlappungen zu anderen Systemen gibt und ob nicht andere Systeme ersetzt werden könnten.

Fosway-seitig werden wir in den kommenden Monaten weitere Ergebnisse unserer Ökosystem-Studie veröffentlichen und hoffen, dass diese Erkenntnisse Ihre Überlegungen zur Gestaltung Ihres zukünftigen Lern-Ökosystems leiten werden, so dass sie letztendlich Ihre Lernaktivitäten verändern und weiterentwickeln und transformative Ergebnisse für Ihre Lernenden und Ihr Unternehmen schaffen.

Kontakt:

Dr. Sven Elbert
Fosway Group

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