„Wer immer nur nach dem Bedarf fragt, bekommt schnellere Pferde statt Autos“
Prof. Dr. Wolfgang Prinz vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) über das Potenzial dezentraler IT-Technologien für die betriebliche Bildung.
Können Blockchains neue Erlösmodelle für Lernangebote erschaffen? Wie ist es um die Kompatibilität der unterschiedlichen technologischen Ansätze bestellt? Und können sich Bildungsangebote in Zukunft tatsächlich selber abrechnen? Der Blockchain-Wissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Prinz stellt sich diesen und weiteren spannenden Fragen im Gespräch mit dem eLearning Journal und spannt gekonnt den Bogen zum Status quo des deutschen Forschungsstandortes bezüglich der zukunftsträchtigen, möglicherweise gar revolutionären IT-Technologie.
eLearning Journal: Hallo Herr Prof. Dr. Prinz. Wir haben uns vorgenommen mit Ihnen über Blockchain zu sprechen und gegenwärtige wie künftige Einsatzfelder zu beleuchten. Doch können Sie uns zunächst einmal erklären, wofür das Fraunhofer FIT, Ihr Arbeitgeber steht?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Fraunhofer FIT steht als Kürzel für das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik. Wir beschäftigen uns mit sehr vielen Fragestellungen rund um Digitalisierung von Unternehmen. Darunter Datenmanagement, Data Science, Usability-Fragestellungen und auch ganz aktuell im Moment in Zeiten von Corona mit der Frage: Wie können wir Unternehmen und Menschen sinnvoll mit innovativen Kooperationstechnologien unterstützen, sodass sie im Homeoffice genauso gut arbeiten können wie auch im normalen Büro?
eLearning Journal: Das klingt interessant. Doch lassen Sie uns bitte zunächst die Grundlagen zum Thema Blockchain klären! Wofür steht der Begriff und was kann man sich darunter vorstellen?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Blockchain, das ist eine interessante neue Technologie, die es uns ermöglicht, dezentral, also nicht zentral in einem Clouddienst, sondern dezentral von verschiedenen Partnern oder mit verschiedenen Partnern gemeinsam Daten und Transaktionen sicher, nachvollziehbar und unverfälschbar zu verwalten. Und diese Eigenschaften macht die Technologie sehr interessant, um in Netzwerken vertrauensvoll miteinander zu kooperieren. Das war auch der Grund, warum wir innerhalb unseres Institutes vor fünf Jahren das Fraunhofer Blockchain Lab gegründet haben, um uns mit dieser Technologie intensiver auseinander zu setzen. Neben diesen mehr passiven Eigenschaften der Blockchain, also der dezentralen, nachvollziehbaren und unverfälschbaren Verwaltung von Daten und Transaktionen, bietet sie auch die Möglichkeit zur Automatisierung mit den „Smart Contracts“. Das sind kleine Programmbausteine, die wir mit Transaktionen verknüpfen können und die dann automatisch auf neue Daten reagieren können, also auf Ereignisse reagieren können und dann automatisch Transaktionen einleiten können.
eLearning Journal: Die auf Blockchain fußende Kryptowährung Bitcoin, kennen wir ja mittlerweile alle. Was sind andere Einsatzbereiche, wo letztendlich Blockchain-Technologie dahintersteht?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Wir können die Blockchain immer dort einsetzen, wo wir in einem Netzwerk Daten sicher verwalten müssen, um das Vertrauen zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern gegenüber Fälschungen an Transaktionen zu sichern. Das ist zum Beispiel, wenn wir an Maschinenbau oder Industrie 4.0 denken, der Austausch von Daten zwischen Maschinen, zum Beispiel wenn es darum geht 3D-Druckdaten zu übermitteln, um nachzuvollziehen, ob das tatsächlich wie gewünscht die Originaldruckdaten sind. Es geht auch darum, in Produktionsprozessen Qualitätssicherung vorzunehmen, das heißt also, wurde das Produkt mit den Qualitätsdaten hergestellt, wie ich es möchte? Und später bei der Nachverfolgung des Produktes, kann ich dann dezidiert feststellen, wo und wie wurde das Produkt eigentlich zunächst hergestellt und wohin weitergeleitet? Das spielt nicht nur im Maschinenbau eine Rolle, sondern beispielsweise auch im Bereich der Nahrungsmittel und entsprechender Lieferketten. Auch hier gibt es sehr interessante Anwendungsbeispiele für die Blockchain, wo sie dazu dienen kann, die Herkunft von Lebensmitteln nachvollziehbar, sicher und unverfälschbar zu dokumentieren und den Transportweg zu dokumentieren. Und wenn wir das noch weiterspinnen, dann kann man die Blockchain auch dazu nutzen, neue Pay per Use-Modelle umzusetzen, indem ich in Zukunft ein Gerät produziere, das später einmal automatisch seine Nutzung abrechnet. Das also Protokoll darüber führt, wie es genutzt wurde und diese Nutzung dann automatisch dem Nutzer in Rechnung stellt und demjenigen, der es dem Nutzer zur Verfügung gestellt hat, dann automatisch den damit verbundenen Geldwert überweist.
eLearning Journal: Sie haben ja auch bereits zum Thema Blockchain und Bildung geforscht. Welche Themenbereiche im Bereich Bildung scheinen Ihnen geeignet zu sein, Blockchain zu erforschen oder entsprechende Forschung und Entwicklung zu betreiben?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Ja, also hier geht es eigentlich um eine Art low hanging fruit bei der Nutzung der Blockchain. Denn heute bekommen wir im Bereich der Bildung eigentlich immer ein Zertifikat, das ein bestimmtes Bildungslevel nachweist oder aber eine Teilnahmebescheinigung. Nun das sind heutzutage meist Papierdokumente. Ich hatte schon erwähnt, dass die Blockchain es uns ermöglicht, Dinge nachvollziehbar, sicher und unverfälschbar zu dokumentieren. Wir wissen alle, dass Bildungsdokumente in Papierform sehr einfach fälschbar sind. Sei es, dass der Student und Bewerber es fälscht, um sich im Erwerbsleben unberechtigt einen Vorteil zu verschaffen, sei es, dass wir auch nicht genau wissen, wer eigentlich überhaupt der Aussteller des Dokuments ist. Nun, wenn wir diese Dokumente digitalisieren und über die Blockchain verwalten, kann jeder schnell und einfach nachvollziehen: Wo kommt dieser Bildungsnachweis her? Ist das wirklich von der dort angegebenen Institution? Und wurde das Dokument vielleicht zwischenzeitlich verfälscht? Denn wir sind heute alle in der Lage, ein PDF-Dokument zu fälschen – dort eine andere Note, ein anderes Datum oder aber auch einen anderen Namen einzutragen. Wenn wir aber die Bildungsnachweise schon bei der Erzeugung, bei der Herausgabe, in einer Blockchain absichern, dann kann jeder, der das Dokument nachher erhält, prüfen, ob das Dokument, das ihm dort vorgelegt wurde, wirklich von der Universität oder von dem Ausbilder in dieser Form ausgestellt wurde. Und damit haben wir mit Blockchain eigentlich eine wunderbare Möglichkeit, Ausbildungsnachweise, Zertifikate, Urkunden und Dokumente allgemein sicher zu machen. Und die Blockchain wird damit gleichzeitig zu einer Art Datennotar. Für die Beglaubigung eines Ausbildungszertifikat einen Notar zu bemühen, wäre viel zu aufwendig, aber durch die Digitalisierung wird es per Blockchain eigentlich für alle mit sehr geringem Aufwand und Kosten möglich.
eLearning Jounal: Das hört sich fast zu gut an, um wahr zu sein. Wir als Redaktion waren Anfang März, bevor es zum coronabedingten Lockdown kam, auf der Statuskonferenz des BMBF in Bonn. Auf der zweitägigen Veranstaltung wurde anmoderiert, dass das BMBF satte 500 Millionen Euro für 300 F&E-Vorhaben ausgegeben hat. Doch im Gespräch mit den Akteuren vor Ort, die alle mit Herzblut bei der Sache waren, wurde oft deutlich, dass es noch an zugehörigen Geschäftsmodellen und Praxis-Transfer fehlt. Wie schaut das bei Ihnen im Fraunhofer FIT aus – gibt es Anwendungsbeispiele und Bedarfe in der Wirtschaft für das, was sie im Bereich Blockchain erforscht haben?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Ja, in der Tat. Wir haben das Projekt von Beginn an gemeinsam mit der Fraunhofer Academy gestartet. Hier traf der Bedarf direkt auf die Kompetenz, so etwas zu realisieren. Wir haben diese Lösung dann auch sehr intensiv mit den Ausbildungsanbietern und den Zertifizierern, also unserer Personenzertifizierungsstelle entwickelt, sodass sie direkt auch den Bedarf der Ausbilder trifft. Die Idee ist dann auch auf Interesse gestoßen bei vielen anderen Ausbildern: Die TH Lübeck war eine der ersten, die Kiron Universität und einige anderen sind auf uns zugekommen und haben dann gesagt: „Wir würden das gerne gemeinsam erproben“. Aus diesen ersten Erprobungen ist dann das DigiCert-Netzwerk entstanden und in diesem DigiCert-Netzwerk betreiben wir mittlerweile eine Testplattform, in der wir eine Blockchain deutschlandweit installiert haben, erproben, also eine geschlossene Blockchain, die von den beschriebenen Partnern betrieben wird. Wir erproben das Ganze, binden das dort in die Unternehmensprozesse ein und mittlerweile ist aus diesem reinen Testnetzwerk ein zusätzliches Produktivnetzwerk geworden. Das bedeutet, dass mittlerweile die Fraunhofer Academy sowie auch die TH Lübeck bestimmte Zertifikate dort ablegen. Das heißt, das ist jetzt nicht mehr nur reine Spielerei, sondern Teilnehmer von zertifizierten Kursen der Fraunhofer Academy erhalten ein Papierdokument und ein digitales Zertifikat, das sie dann im Falle einer Bewerbung einreichen. Und dann kann die Personalabteilung sofort prüfen, ob das Zertifikat korrekt und unverfälscht ist.
eLearning Journal: Das dürfte unsere Leser hellhörig machen. Wo können diese bei Interesse Näheres zum Projekt erfahren und wie sich mit einbringen?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Sie können gerne direkt mit mir oder dem DigiCert-Netzwerk Kontakt aufnehmen. Wir suchen immer noch Partner, die mitmachen. Letztendlich kommt es schnell zur Partizipation: sie können sich entweder so beteiligen, dass Sie Netzwerkpartner werden und selber einen Blockchain-Knoten betreiben und damit auch Partner des technischen Netzwerks werden, oder aber auch nur unsere Schnittstellen nutzen, um diese in ihre Systeme einzubinden und dann Zertifikate direkt digital abzusichern. Oder aber auch unsere schon entwickelte Lösung nutzen, die angefangen von der Teilnehmerverwaltung bis hin zur Erstellung von Zertifikaten, Templates für Zertifikate, eigentlich Alles unterstützt. Es gibt dann darüber hinaus mittlerweile auch eine größere Community in Deutschland, das ist das „Netzwerk Digitale Nachweise“, wo sich verschiedene Anbieter solcher Lösungen zusammen gefunden haben, um auch eine Art Standard- und Austauschformat zu schaffen zwischen den Ausbildern, die solche Zertifikate digitalisieren und dann in einer Blockchain ablegen. Das heißt: Wir sind aus den Schuhen des Forschungsprojekts mittlerweile herausgewachsen und sind bereits eine echte Dienstleistung mit Mehrwert geworden.
eLearning Journal: Lassen Sie uns noch einmal das globale Big Picture anschauen. Gibt es einen klaren Spitzenreiter wie beispielsweise im Falle der KI? Was ist eigentlich derzeit State of the Art bei der Blockchaintechnologie und was dürfte künftig entwickelt werden?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Also, da gibt es im Moment noch niemanden, der total hervorsticht. In Deutschland sind wir relativ weit mit bereits erprobten und etablierten Lösungen. Einerseits mit DigiCert, andererseits mit dem Netzwerk Digitale Nachweise, in dem wir uns alle zusammengeschlossen haben. In Europa gibt es eine größere Initiative, das ist die „Open Blockchain Service Infrastructure“, die auch den Use Case Diplome identifiziert hat. Sie versucht auch, europaweit eine Lösung zu konzipieren und dann auch in Betrieb zu nehmen. Es gibt auch in vielen anderen Ländern entsprechende Initiativen. In den USA gibt es BlockCerts, in Asien gibt es auch entsprechende Initiativen. Man sieht auch weltweit die großen Potentiale, weil es eigentlich auch ein sehr naheliegender Fall ist, eine Art Datennotar zu schaffen für Zertifikate. Die Umsetzung über eine Blockchain ist gut machbar. Das Problem, das wir wenn dann künftig haben werden, ist, dass es relativ viele solcher Initiativen gibt: Wir müssen deshalb irgendwann zwangsläufig Interkompatiblität herstellen. Aber dazu haben wir in Deutschland zwischen den verschiedenen Anbietern schon erste Lösungen geschaffen. Das wird auch europaweit angegangen.
eLearning Journal: Unsere Redaktion beschäftigt sich ja intensiv mit der Digitalisierung der betrieblichen Bildung. Hier nehmen wir in den Personalabteilungen den Trend war, dass es heute verstärkt darum geht, Weiterbildungsbedarfe als Kompetenzbedarfe digital zu erfassen. Und im Anschluss darauf aufbauend, digital gestützt und unterstützt Kompetenzentwicklungen zu begleiten. Doch am Ende des Tages steht da im Resultat immer noch ein Lerner, der diese informell oder betrieblich erworbenen Kompetenzen in seiner Erwerbsbiografie nur schwerlich abbilden kann. Ist das Einsatzfeld der Validierung informell erworbener Kompetenzen ein Bereich, in welchem Blockchain künftig ein Lösungsansatz sein kann?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Also, im Moment geht unsere Lösung davon aus, dass es wirklich klassische Prüfungen gibt und Zertifizierungsstellen, die dann auch diesen Nachweis erstellen in Form einer digitalen Urkunde. Das lässt sich natürlich prinzipiell auch erweitern, indem man sich Kompetenzen entsprechend auch von Personalabteilungen, Kollegen und anderen Prüfern bescheinigen lässt. Für die Blockchain-Lösung selber ist das relativ egal: Es sollte lediglich nachgewiesen sein, wer den Kompetenzerwerb bescheinigt. Jedoch sollte man schon Sorge tragen, dass nicht jeder jedem irgendetwas bescheinigt, und dass dann so ein Wildwuchs an Bescheinigungen entsteht. Die Technologie oder die Form der Digitalisierung, die wir da nutzen, sind letztendlich Open Badges. Und der Open Badge-Standard wurde ursprünglich gar nicht so sehr entwickelt, um diese hochwertigen Ausbildungszertifikate zu digitalisieren, sondern letztendlich auch, um Kompetenznachweise auf eine einfache Art und Weise zu digitalisieren. Sodass es letztendlich für diese Lösung egal ist, ob ich da die Teilnahme an einem Usability-Kurs bei Fraunhofer FIT durch die Fraunhofer Personenzertifizierungsstelle nachweise oder einfach die Fähigkeit, sehr gut User-Interfaces entwickeln zu können, was dann von 5 Kollegen letztendlich bescheinigt wird. Beides ist möglich. Und wenn wir das dann erst mal auch weiterdenken: In der betrieblichen Bildung entwickeln sich auch weitere Anwendungsmöglichkeiten. Nämlich beispielsweise auch der Nachweis über die Erstellung von Bildungsanwendungen. Das heißt die Urheberschaft an bestimmten Bildungsangeboten. Was ich am Anfang erwähnt habe, die Möglichkeit, dass wir Maschinen zur Verfügung stellen und die Maschinen dann selber ihre Nutzung abrechnen, lässt sich dann natürlich auch für Bildungsangebote, vielleicht auch Bildungsschnipsel, nachweisen, die ich dann zur Verfügung stelle und die bei Nutzung dann bezahlt werden. Und da wir hier über ein sehr leichtgewichtiges Medium reden, lohnt sich das sogar, wenn wir nicht darüber reden, dass man dann 20-40 Euro bezahlen muss, die dann über Paypal bezahlt werden, sondern wir vielleicht nur über Centbeträge reden. Ja, Micropayments werden mit der Blockchain auf eine einfache Art und Weise möglich. Und dann kann ich vielleicht auch eine interessante Grafik, ein interessantes Videoschnipsel, eine gute Erklärung mit Cents oder Bruchteilen von Cents bezahlen, weil die Transaktionskosten gering sind. Und dann liegt der Profit für den Bildungsanbieter in der Skalierung seines Lernangebots, das sich simpel vermarkten lässt.
eLearning Journal: Für einen Wissenschaftler gilt ja häufig: Nach einem F&E-Projekt heißt vor dem nächsten F&E-Projekt zu stehen. Haben Sie weitere Projekte bereits in der Vorbereitung oder in der Durchführung?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Das System, das wir jetzt haben, wird weiterentwickelt und auch noch weiter ergänzt. Wir denken im Moment in zwei Richtungen: Einerseits an die Möglichkeit, die Urheberschaft an bestimmten Bildungsangeboten abzulegen. Das Ganze zudem auch auf entsprechende Standards zu heben. Ganz interessant ist dabei im Moment der Standard der Verifiable Credentials und der Digital Identifier. Das ist eher eine technische Richtung, in die das Ganze weiterentwickelt wird. Andererseits sind wir gerade in einem Konsortium dabei, eine Plattform zu schaffen, mit der auch Firmen untereinander Bildungsangebote austauschen können und sich so unterstützen. Die Nutzung des Lerangebots wird dabei dokumentiert und ein Punktesystem oder Token als Bezahlungsweise genutzt. Das Bezahlsystem wird dabei von einer Blockchain verwaltet, die nachvollziehbar für alle Beteiligten alle Transaktionen, die stattgefunden haben, dokumentiert. Auch eine Art Recommender-System kann so abgebildet werden.
eLearning Journal: Zum Schluss würden wir gerne thematisch auf die Kooperation von Wissenschaft und Praxis zurückkommen. Was ist Ihre Wahrnehmung – ist die Wissenschaft in ihrer Forschung ausreichend praxisorientiert unterwegs, sodass deren Angebot in der Wirtschaft auch verstanden wird und in der Praxis tatsächlich zusammengearbeitet werden kann?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Das ist tatsächlich häufig ein Problem. Wir Wissenschaftler entwickeln häufig die Lösungen für Fragestellungen, die wir dann auch erst mal suchen müssen. Alias: Wir haben wunderbare Lösungen – wo ist eigentlich Ihr Problem dazu? Gerade im Bereich Blockchain gehen wir im Moment ja so ein bisschen das Tal der Tränen, nachdem das ganze Thema überhypt wurde, weil man alles Mögliche der Blockchain zugeschrieben hat, was sie aber nicht alles lösen kann. Jetzt kommt man wiederum auf den Boden der Tatsachen zurück und erkennt, wo die Potenziale wirklich liegen. Diese Erkenntnis macht man nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in den Unternehmen.
Andererseits versuchen wir als Wissenschaftler aber auch von den Bedarfen der Unternehmen auszugehen. Bei unserem Projekt Blockchain for Education war es eigentlich genau so: Wir haben die Bedarfe der Fraunhofer Academy gemeinsam erhoben und konnten dadurch eine Lösung entwickeln, die sehr genau zum Prozess der Weiterbildner passt. Beides ist letztlich oft der Fall: Oft versuchen wir innovative Lösungen zu entwickeln und sie an die Unternehmen und an die Industrie heranzutragen. Das ist auch unsere Aufgabe. Andererseits versuchen wir auch, den Bedarf der Unternehmen zu erkennen und ihn zur Grundlage des Forschens machen. Nur wir kennen doch alle diese Beispiele: Wenn man immer nur nach dem Bedarf fragt, dann hätten wir keine Autos, sondern einfach nur noch schnellere Pferde. Das ist immer ein Geben und Nehmen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Wir versuchen immer, den Mittelweg zu gehen, indem wir mit innovativen Lösungen Triggerpunkte setzen, dann aber auch schauen: Was passt wirklich zu den Bedarfen der Unternehmen?
eLearning Journal: Vielen Dank Herr Professor Prinz für das Gespräch.
Redaktion: Jacob Sablotny
Profil
Prof. Dr. Wolfgang Prinz
ist stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer FIT und leitet hier den Forschungsbereich Kooperationssysteme. Hier führt er unter anderem Projekte zur Digitalisierung durch den Einsatz von Kooperationsplattformen, Mixed Reality und flexiblen Kommunikationsinfrastrukturen durch und entwickelt Lösungen für die Anwendungsbereiche Mobilität und Digitale Energie. Prinz, der sich im Rahmen des Blockchain-Labs des FIT auf die Entwicklung und die Analyse der neuartigen IT-Technologie spezialisiert hat, fungiert zudem als Koordinator internationaler Forschungsprojekte und als Editor wissenschaftlicher Fachzeitschriften und -bücher (siehe „Literatur“).
Literatur
Wolfgang Prinz / Thomas Rose / Thomas Osterland / Clemens Putschli:
Blockchain; Verlässliche Transaktionen
Das Fachbuch, das Wolfgang Prinz gemeinsam mit drei Kollegen vom Fraunhofer Institut im Jahre 2018 herausgab, gilt als fundiertes Standardwerk zu den innovativen Blockchain-Technologien. Hierin werden unter anderem die Funktionsweise und die wichtigsten Eigenschaften von Blockchain beleuchtet, wie auch konkrete Anwendungsfelder inklusive einer Kriterienliste, anhand derer sich potenzielle Einsatzfelder schnell und unkompliziert identifizieren lassen. Auch auf die Frage, inwiefern die Technologie ein „Internet des Vertrauens, der Werte“ einleiten kann, finden sich dezidierte Antworten in vorliegender Publikation.
ISBN: 978-3-662-55889-8
Verlag: Springer Vieweg, 1. Auflage (2018)
Sprache: Englisch
Kontakt
Prof. Wolfgang Prinz
Fraunhofer FIT
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