Beschwerdegespräch

Für viele Themenbereiche und -bedarfe in der Wissensvermittlung sind digitale Lerneinheiten heutzutage sehr geeignet und stehen Präsenzveranstaltungen in nichts nach. Deutlich problematischer ist für eLearning dagegen der Transfer in die Praxis, was mehrheitlich noch immer eine Domäne der Präsenz ist. Mit den neuen Simulationen will die WTT CampusONE GmbH das bereits bestehende Angebot an E-Trainings um ein neues Format erweitern, mit dem genau das „Learning by doing“ unterstützt werden soll. In unserer Testreihe werfen wir einen Blick auf dieses neue Angebot des eCampus.

Spannungsfeld Beschwerdegespräch

Wer kennt eine solche Situation nicht: Man möchte seinen Handy-, Internet- oder ähnlichen Vertrag kündigen und bekommt anschließend mitgeteilt, dass man die Kündigungsfrist bereits verpasst und sich der Vertrag automatisch verlängert hat. Man kann nun entweder die Verlängerung verärgert hinnehmen oder sich beim entsprechenden Anbieter beschweren, in der Hoffnung, vielleicht eine Kompromisslösung zu finden.

Ein ebensolches Szenario steht bei der Simulation „Beschwerdegespräch“ des eCampus von WTT CampusONE im Mittelpunkt. Der Lerner schlüpft in dieser Simulation in die Rolle eines Kundenbetreuers, der mit dem aufgebrachten Herr Schmitt konfrontiert wird. Herr Schmitt wollte auf schriftlichem Wege seinen Vertrag zum Jahreswechsel kündigen, hat aber die Rückmeldung erhalten, dass der Vertrag erst im Januar des übernächsten Jahres aufgelöst wird. Vor diesem Hintergrund ist es die Aufgabe des Lerners, die Kundenbeschwerde sachgerecht zu bearbeiten und eine Lösung zu finden, die bestmöglich sowohl die Bedarfe des Kunden, aber auch die Interessen des Arbeitgebers reflektiert.

Lösungsfindung mit Spielcharakter

Die Simulation ist grundsätzlich in 3 Phasen aufgeteilt. In der ersten Phase geht es erst zunächst darum, auf den aufgebrachten Kunden zuzugehen und in einen konstruktiven Dialog einzusteigen. In der zweiten Phase steht die Problemanalyse im Vordergrund, während es in der dritten Phase um die Problemlösung geht.

In jeder Phase muss der Lerner mehrere Entscheidungen treffen, die den weiteren Verlauf des Gesprächs beeinflussen. Daraus ergibt sich eine komplexe Baumstruktur mit zahlreichen Dialogverläufen, die von einem für beide Seiten zufriedenstellenden Kompromiss bis zu einem vorzeitigen Gesprächsende sowie einem herausstürmenden, ehemaligen Kunden reichen. Um am Ende die optimale Lösung zu erreichen, muss der Lerner bei den Antwort-optionen jeweils die des Kunden sowie des Arbeitgebers berücksichtigen. In der zweiten Phase kristallisiert sich beispielsweise heraus, dass Herr Schmitt seine schriftliche Kündigung zu spät eingereicht hat, weil ihm die 6-wöchige Kündigungsfirst nicht bekannt war. Eine Remindermail, welche automatisch rechtzeitig vor der Vertragsverlängerung verschickt wird, war bei Herr Schmitt im Spamordner gelandet und wurde von ihm deshalb nicht wahrgenommen. Grundsätzlich lag das Versäumnis also bei Herr Schmitt, dennoch kann der Lerner dem Kunden entgegenkommen und eine vorzeitige Vertragskündigung anbieten.

Für Herr Schmitt ist eine solche Entscheidung natürlich vorteilhaft, allerdings nicht für den eigenen Arbeitgeber, da man als Kundenbetreuer unnötigerweise die Verantwortung für das Problem übernommen und unnötigerweise eine ungünstige Lösung erzwungen hat. Hätte man das Gespräch stattdessen weitergeführt, hätte sich herausgestellt, dass Herr Schmitt mit dem eigenen Unternehmen grundsätzlich zufrieden ist und in erster Linie aus Kostengründen wechseln möchte. Mit dem Angebot eines Spartarifs kann man dem Wechselgrund von Herr Schmitt schließlich den Wind aus den Segeln nehmen und so den Kunden halten.

In der hochwertigen Simulation wird man mit einem aufgebrachten Kunden konfrontiert, der aus seiner Sicht fristgerecht ein Abo kündigen wollte. Je nach Verhaltensweise kann man im Gespräch den Sachverhalt aufklären, den Kunden halten oder endgültig verlieren.

„Learning by Doing“ statt Wissens- und Kompetenzvermittlung

Anders als bei den klassischen E-Trainings des eCampus steht bei den Simulationen also nicht die Wissens- und Kompetenzvermittlung, sondern vielmehr das Einüben von bereits gelerntem Wissen im Mittelpunkt. Der Lerner wird mit einer alltagsnahen Situation konfrontiert, in der er eigenständig Entscheidungen treffen muss. Dabei steht weniger die Dichotomie „richtig/falsch“ im Vordergrund, sondern vielmehr wird der Lerner mit den Konsequenzen seines Handelns konfrontiert. Bügelt man den emotionalen Herr Schmitt direkt zu Gesprächsbeginn brüsk ab, dann wird der Gesprächspartner sichtbar aufgebracht und verlässt innerhalb kürzester Zeit wütend das Büro. Nimmt man demgegenüber die Belange des Kunden ernst und versetzt sich in dessen Lage hinein, wird der Gesprächsverlauf zunehmend ruhiger und konstruktiver. Neben diesem visuellen Live-Feedback gibt es außerdem noch eine Bewertung der eigenen Performance durch einen virtuellen Moderator. Kommt es zu einem vorzeitigen Gesprächsabbruch, reflektiert der Moderator die getroffenen Entscheidungen und gibt Hinweise, wie der Lerner besser hätte reagieren können. Auch nach jeder Phase gibt es eine kurze Feedback-Runde durch den Moderator.

Hochwertig produziert

Im Kern handelt es sich bei der Simulation um ein Videotraining mit Entscheidungs-Dialogen, denen eine komplexe Baumstruktur mit verschiedenen Dialogverläufen zugrunde liegt. Das Videotraining ist hochwertig produziert und der Gesprächspartner Herr Schmitt wird von einem professionellen Darsteller gespielt, der dem Lerner durch Gestik, Mimik und Tonfall ein klares, visuelles Feedback zur emotionalen Verfassung des Gesprächspartners vermittelt, was wiederum die Immersion und den Lernerfolg der Simulation unterstützt.

Dieses Konzept ist neben Desktop-PC und Laptop auch mit mobilen Endgeräten kompatibel. Die Antwortoptionen auf dem PC wirken teilweise etwas überdimensioniert, aber erleichtern dadurch die Navigation auf Tablets und insbesondere auf dem Smartphone, wodurch die Simulation plattformübergreifend ohne Einschränkungen genutzt werden kann.

Fazit

Bereits im vergangenen Jahr konnten die Lerninhalte des eCampus aufgrund eines durchdachten, didaktischen Konzepts, inhaltlicher Tiefe sowie abwechslungsreichen Interaktionen überzeugen. Mit dem neuen Simulations-Format wird dieser Trend konsequent fortgeführt. Bei der Simulation steht jedoch weniger die reine Wissensvermittlung, sondern vielmehr der Praxiseinsatz bzw. der Transfer des Gelernten im Mittelpunkt. In dem getesteten Beschwerdegespräch wird diese Prämisse erfolgreich umgesetzt. Das zugrundeliegende Szenario sowie das Auftreten des fiktiven Kunden wirken realistisch, während die eigenen Entscheidungen konkrete Konsequenzen haben. Individuelles Feedback sowohl bei einem positiven als auch bei einem negativen Gesprächsergebnis runden das didaktische Konzept ab. Aus diesen Gründen vergibt die Redaktion des eLearning Journals mit einem Score von 93 Punkten die Note „Exzellent“.