Webparade 12: 5 Antworten von Prof. Dr. Axel Koch

01.01.2021 | Lesezeit ca. 8 Minuten
Autor: Prof. Dr. Axel Koch

Was verändert sich für Trainer*innen durch COVID-19 und wo liegen die Chancen?

Tierney – stock.adobe.com
Tierney – stock.adobe.com

Dr. Juergen Sammet und Jacqueline Wolf haben in ihrer #Webparade zu dieser spannenden Fragestellung aufgerufen: “Was verändert sich für #Trainer*innen durch #COVID-19.

In dem Beitrag gehe ich näher auf die 5 Fragen ein, die die beiden stellen.

Zwei Botschaften sind mir hier besonders wichtig:

1) Trainer müssen künftig beides beherrschen – Präsenztrainings und Live-Online-Trainings. Gerade bei Online-Trainings braucht es hohe Qualität, um den noch vielfach skeptischen Markt nicht zu verschrecken. Wer die Online-Welt noch nicht beherrscht, muss also schnell dazulernen und die Kompetenzen aufbauen.

2) In Zeiten knapper Kassen gilt es noch viel mehr als zuvor effiziente und wirksame Trainings zu gestalten. Die Devise lautet: Nicht „nice to have”, sondern ein messbaren Wertbeitrag bringen. Dazu müssen Trainer*in das nötige Wissen aus der Lerntransferforschung haben und wissen, wie sie den Wirkungsbeitrag ihre Trainings durch geeignete Evaluationen sichtbar machen können. Es gilt also IMPACT zu bringen.

#blendedlearning #AgileLernbegleitung #onlinetraining #onlinelernen #onlinetrainer #digitallearning #Personalentwicklung

Was verändert sich für TrainerInnen durch COVID-19?

Die deutlichste Veränderung ist die Umstellung auf das Format Live-Online-Training als Pendent zu Präsenz-Trainings. Waren bisher Online-Veranstaltungen vor allem als etwa einstündige Vorträge oder Webtalks angelegt, so hat die Corona-Krise die Erfordernis gebracht, Präsenztrainings in ein interaktives, abwechslungsreiches und auch auf Übung angelegtes Onlineformat umzuswitchen. Damit einher geht auch die Frage der Preisgestaltung. Was ist solch ein Online-Training wert, wenn doch in der Vergangenheit die meisten Online-Veranstaltungen kostenlos waren. Nicht zuletzt, weil sie oft auch werblich geprägt waren.

Zu dem Thema „Online-Training unter Preisdruck” habe ich in Training Aktuell (9-2020) einen Beitrag veröffentlicht. Die Botschaft lautet: Vorsicht vor Preisverfall und keine Billigheimer-Angebote machen. Aber zugleich auch auf hohe Qualität der Online-Trainings achten. Denn wenn die ersten Erfahrungen von Kunden mit Online-Trainings negativ sind, ist der Markt kaputt. Denn aktuell gibt es noch vielfach Skepsis bei Teilnehmern und in den Firmen gegenüber Online-Trainings.

Trainer müssen also künftig beides beherrschen – Präsenztrainings und Live-Online-Trainings. Und das in hoher Qualität. Wer die Online-Welt noch nicht beherrscht, muss also schnell dazulernen und die Kompetenzen aufbauen.

Dennoch gibt es aktuell in den Firmen und bei Teilnehmern noch diverse Vorbehalte gegenüber Online-Trainings. Denn der Faktor Mensch und Nähe fehlt. Und dieses Bedürfnis wird auch weiterhin – trotz bester online Trainings – bestehen. Von daher wird es eine neue Balance geben, bei der Präsenz- und Online-Trainings in geeigneter Koexistenz zum Einsatz kommen. Wobei hier das Bedürfnis nach Nähe, Erlebnis und persönlichem Kontakt sicherlich dazu beitragen wird, dass der Präsenzanteil den größeren Part einnehmen wird.

Allerdings wird es eben sehr viel normaler sein, auch Online-Trainings zu machen. Somit ist auch zu erwarten, dass Blended Learning Formate noch mehr Akzeptanz und Verbreitung finden. Erfreulich ist dabei, dass es noch mehr zur Normalität wird, auf diesem Weg nachhaltige Lernprozesse zu gestalten und dabei das Beste aus der Präsenz- und der Online-Welt zusammenzuführen. Die Vorteile von digitalem, individualisierten und arbeitsplatznahem Lernen mit Hilfe von digitalen Lernformaten können also noch viel besser ausgespielt werden.

Was sind die größten Herausforderungen für Trainer*innen im Umgang mit diesen Veränderungen?

Die größten Herausforderungen für Trainer‘*innen bestehen darin, dass Unternehmen durch die Krise Geld für Schulungen einsparen. Oder aus Sicherheitsgründen Schulungen verschieben oder in einem kleineren Umfang abbilden. Die Krise hat gezeigt, wie anfällig das Geschäftsmodell von Trainern ist, die sich nur auf den Präsenzbereich ausgerichtet haben.

Die Herausforderung ist, sich selbst krisensicher aufzustellen, eigene Kompetenzen zu erweitern und Wege zu finden, um eingebrochenes Geschäft zu kompensieren.

Was ist hilfreich im Umgang mit diesen Herausforderungen?

Mit Beginn der Krise hat sich gezeigt, dass Trainer*innen und Trainer zum Teil in ein tiefes Loch gefallen sind und es ihnen ähnlich ging, wie Teilnehmern in Trainings, die durch betriebliche Change Prozesse tief getroffen sind.

Entscheidend ist in solchen Krisen, die innere Überzeugung, wie man sich in diesem Strudel der Veränderung sieht. Die Psychologie unterscheidet hier zwei Haltungen: Die Gestalter- und die Opferhaltung. Gestalter glauben, auch in schwierigen Situationen etwas bewirken zu können. Sie schauen auf ihre Einflussmöglichkeiten. Sie überlegen, was sie selbst aktiv tun können, um ihre Lage positiv zu beeinflussen. Sie sind optimistisch, das Problem lösen zu können. Und sie sind proaktiv und warten nicht passiv ab. Menschen in der Opferhaltung fällt es schwer, aktiv zu werden und zu handeln. Folglich warten sie ab. Sie grübeln und jammern. Sie schimpfen auf andere, die ihnen das vermeintlich angetan haben oder die Umstände. Sie verharren in Hilflosigkeit und trüben Gedanken.

Hilfreich ist also, möglichst schnell wieder in die Gestalterhaltung zu kommen. Aber nicht nur das. Nützlich ist auch der Austausch mit anderen, Vernetzung und die Suche nach sozialer Unterstützung. Letzteres ist laut Forschung besonders als Puffer wichtig. Zum einen, um den Stress einer Krise besser zu überwinden, zum anderen aber auch, um kreativ Optionen und Lösungen zu finden, wo sich zuvor nur ein dunkles Loch der Verzweiflung auftat.

Ganz pragmatisch macht es auch Sinn, sich angesichts der ganzen Veränderungsdynamik mit dem Thema Geschäftsmodelle zu befassen. Eine gute Inspiration bietet hier das Buch von Oliver Gassmann mit dem Titel: Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator“.

Welcher Nutzen ergibt sich aus den Veränderungen für Organisationen und Trainer*innen?

Ich denke, der wesentliche Nutzen ist, dass nun die Zeit reif ist, die Digitalisierung in der Aus und Weiterbildung weiter voranzutreiben und bewusst die Aspekte zu nutzen, die mehr Lerneffizienz und Wirksamkeit bedeuten. Es ist vergleichbar wie mit dem „Ausmisten des Kellers“. Man hat viele Dinge im Keller liegen, die man nicht mehr braucht, veraltet sind oder nicht mehr gut funktionieren. Doch meistens hat man keine Lust den Keller auszuräumen. Denn der volle Keller stört nicht groß. Das Leben läuft auch so gut weiter. Nur ab und zu ärgert man sich über das Gerümpel, wenn man mal in den Keller schaut.

So schlimm es eigentlich ist – die Corona-Dynamik bietet die Chance und den Nutzen, den bisherigen „Weiterbildungskeller“ auszumisten und aufzuräumen. D.h. nun sehr genau zu überlegen und auch umzusetzen, wie nachhaltige und wirksame Lernprozesse gestaltet werden können, die ihr Geld wert sind und einen echten Performancegewinn für ein Unternehmen bedeuten.

Das gilt sowohl aus Sicht von Organisationen als auch von Trainern.

Nur ein Beispiel: vor Corona war über Jahrzehnte die gängige Praxis, Softskills mit einem 1-2 Tage Training zu vermitteln. Wohlwissend, dass hierbei wenig Chance besteht, echte Verhaltensänderungen in der Praxis zu realisieren. Umdenken könnte hier bedeuten: Dieselben zwei Tage werden in ein gut konzipiertes Blended Learning Format über den Zeitraum von 2 Monaten umgesetzt. Bisher wurde das gerne vermieden, weil es natürlich aufwendiger ist – sowohl in der Organisation als auch der zeitlichen Gestaltung. 1-2 Tage reines Präsenztraining lässt sich dagegen viel einfacher und leichter abwickeln. Das ist jedoch ein Ego-Trip. Umdenken heißt: Den Lerner zu sehen und was er braucht, damit er wirklich neues Wissen und neue Skills in der praktischen Arbeit umsetzt und dem Unternehmen einen Return on Invest für die gezahlte Bildungsleistung bietet.

Was sollten Trainer*innen können, um weiterhin erfolgreich zu sein?

Wo werden Gelder als erstes in vielen Unternehmen gekürzt. Ganz klar. Bei der Weiterbildung. Warum? Weil deren Wertbeitrag und Return on Invest nicht greifbar sind. Die Corona-Krise hat diese Situation nun verschärft. Geld ist in den Firmen knapp. Es muss gespart werden.

Schon seit langem ist die Forderung im Raum, den Wertbeitrag der Personalentwicklung nachzuweisen und wirtschaftlich zu sein. So stehen auch gerade Leadership-Programme im Verruf, dass sie ihre Ziele verfehlen und nichts bringen. Z.B. zu lesen im Beitrag “Die Zukunft des Lernens” im Harvard Business Manager (6-2019, S. 35, 39). Jetzt gilt es also noch viel mehr, nachweisbare Wirkungen in „erfolgskritischen Lernzielen“ nachzuweisen. Sprich zu belegen, dass sich Weiterbildungsaktivitäten rechnen und ihre Ziele erreichen.

Doch die Praxis sieht noch so aus: Personalentwickler und Trainer werden seit Urzeiten daran gemessen, dass sie sehr gute Bewertungen in Zufriedenheitsabfragen (sog. Happy Sheets) nach einer Maßnahme haben – aber nicht danach, ob Maßnahmen die gewünschten Effekte bringen. Dabei ist wissenschaftlich gesehen klar, dass Zufriedenheit nicht gleichbedeutend mit Umsetzung und Lerntransfer ist.

Spielen Sie doch mal gedanklich durch, was passieren würde, wenn Sie als Trainer*in nach Wirkung und nicht nach Zufriedenheit bewertet würden. Wie würde das Ihr Denken und Ihre Arbeitsweise beeinflussen? Und was können Sie heute schon in einem ersten Schritt tun, um mehr Wertbeitrag zu zeigen und dies auch Ihren Kunden in den Firmen zu beweisen? So können Sie Ihren Wert besser verkaufen und sind der beste Partner in Zeiten knapper Kassen.

Nur eine Idee dazu: Nämlich der Ansatz der proaktiven Transfersicherung. Wer von Ihnen macht bereits proaktive Transfersicherung und erfasst vor einer Maßnahme systematisch bei den Teilnehmern die Risiken für den Lerntransfer und die Umsetzung?

Wir denken heute nur im Sinne einer Bildungsbedarfsanalyse – aber noch nicht im Sinne einer Risiko-Analyse für den Lerntransfer. Wie würden sich die Gespräche mit Ihren Kunden und die Konzeption Ihrer Trainings verändern, wenn Sie vorab genau wüssten, wie gut oder schlecht jeder Teilnehmer für den Lerntransfer aufgestellt ist? Und was seine wichtigsten Hürden bei der Umsetzung sein werden?

Wie können also Trainer*innen weiter erfolgreich sein? Die Antwort lautet: Sich anpassen auf die neuen Anforderungen einer effizienten und wirksamen Weiterbildung, die nicht „nice to have“ ist, sondern einen messbaren Wertbeitrag bringt, wofür gerne Geld gezahlt wird – auch wenn die Kassen knapp sind. Dazu muss ich als Trainer*in das nötige Wissen aus der Lerntransferforschung haben und wissen, wie ich Maßnahmen auf ihren Wirkungsbeitrag evaluiere.

Hier geht es zum Original-Beitrag

Webparade 11: Zum Beitrag von Martina Brandt

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