01.12.2020 | Lesezeit ca. 5 Minuten
Autor: Hilge Kohler
Quo Vadis Training? – Über die Folgen von COVID-19 für Trainer*innen
Für Trainer*innen hat COVID-19 vieles auf den Kopf gestellt. Wie verändern sich das Lernen und Lehren? Wie werden Lernprozesse und Lernräume in Zukunft aussehen? Und was bedeutet das für Trainer*innen konkret?
Auf der Suche nach Antworten hat ein Team agiler Lernbegleiter*innen zur “Experience Sharing Webparade” aufgerufen. Trainer*innen sind gebeten, fünf Fragen zur Zukunft des Trainings zu beantworten. Wer Lust hat teilzunehmen, kann das noch bis Ende September tun. Details gibt es hier.
Dies sind meine Antworten:
Was verändert sich für TrainerInnen durch COVID-19?
Durch Covid-19 ändert sich für Trainer*innen vor allem das Selbstverständnis. Fast alle sind plötzlich wieder Lernende auf der Online-Bühne. Ich hatte den Eindruck, dass manch erfahrene Trainer*innen von der Situation zumindest zeitweise überfordert waren und Schwierigkeiten hatten, das “neue Normal” zu akzeptieren.
Ich hatte Glück: Ein Anbieter, für den ich als Dozentin arbeite, entschied Mitte März, alle Trainings auf online umzustellen. Zu Beginn des Lockdown habe ich ein dreitägiges Schreibtraining online durchgeführt, und wir waren allesamt erstaunt, wie gut es funktionierte. Aber ich kenne Kolleg*innen, die noch immer über Stornierungen klagen und trotzdem Online-Schulungen als ungeliebtes Stiefkind behandeln. Je länger sie warten, desto größer wird die Lücke zu all jenen, die sich inzwischen routiniert im virtuellen Trainingsraum bewegen.
Was sind die größten Herausforderungen für Trainer*innen im Umgang mit diesen Veränderungen?
Die größte Herausforderung scheint mir, eigene Schwächen offen zu legen. So richtig passt das ja auch nicht zur Trainerrolle im herkömmlichen Lehr-/Lern-Setting. Natürlich macht Nicht-Wissen und Nicht-Können uns angreifbar. Aber solange wir nicht zu unseren Schwächen stehen, werden wir das Potenzial virtueller Lernräume nicht erschließen. In der Theorie wissen wir das – aber in der Praxis ist es für Betroffener nicht so leicht zu akzeptieren.
Persönlich finde ich es herausfordernd, in Online-Schulungen Beziehungen zu den Teilnehmenden aufzubauen. Die wenigen Schulungen, die ich im Sommer vor Ort geben durfte, fand ich fast erholsam in der Art, wie wir im physischen Raum in Kontakt treten können. Online finde ich es noch immer kräftezehrend, für guten Kontakt zu sorgen. Ich hoffe, das hängt vor allem mit Routine und Gewohnheit zusammen. Aber ich glaube auch, dass es anders funktioniert als im physischen Raum und dass wir dieses “Andere” noch besser verstehen müssen.
Was ist hilfreich im Umgang mit diesen Herausforderungen?
Im Umgang mit diesen Herausforderungen hilft es, den Weg nicht allein gehen zu wollen. Ein tragfähiges Netzwerk war vielleicht nie so wichtig wie heute. Ich habe es selbst erlebt: Im April habe ich mit anderen Trainer*innen zusammen eine Lerngruppe gegründet, um analoge Seminarmethoden ins Digitale zu übertragen. Wir kannten uns nicht, haben uns am #moocamp20 der Corporate Learning Community getroffen und sind binnen weniger Wochen zu einem festen Team geworden. In diesem Netzwerk haben wir uns gegenseitig unterstützt, gemeinsam gelernt, Online-Sessions zusammen gestaltet und sogar ein Buch geschrieben. Allein hätte wohl niemand von uns in der Krise so viel erreichen können.
Welcher Nutzen ergibt sich aus den Veränderungen für Organisationen und Trainer*innen?
Für Trainer*innen eröffnen die Veränderungen neue Chancen, eigene Trainer-Netzwerke mit spezifischen Angeboten zu bilden. Das wird überall dort möglich, wo Trainings leicht online stattfinden können und keine physischen Schulungsräume nötig sind. Dadurch werden Ausbildungsinstitute leichter ersetzbar, die keine eigenen Methodiken, Qualitätsmaßstäbe und Curricula gestalten, sondern in erster Linie Räume bieten. Wenn dann noch der Markenwert von Ausbildern abnimmt, weil neue Lernpfade jenseits heutiger Zertifizierung entstehen – dann gibt es Platz für flexible Netzwerke von Trainer*innen und Lerncoaches.
Für Organisationen sehe ich eine grundlegende Chance in der Krise. In den letzten Wochen und Monaten hat viel spontanes Lernen stattgefunden, viele Trainingspläne wurden hinfällig – Organisationen können das zum Anlass nehmen, ihre bisherige Personalentwicklung grundlegend zu hinterfragen: Macht ein fester Trainingskatalog noch Sinn, oder lassen sich Lernprozesse flexibler gestalten und näher an die Mitarbeitenden bringen?
Was sollten Trainer*innen können, um weiterhin erfolgreich zu sein?
Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, sollten Trainer*innen in Netzwerken denken und Kollaboration leben. Das erscheint mir wichtiger, als einzelne Tools und Methoden zu beherrschen. Kollaboration stellt die Weichen dafür, mit Kolleg*innen und potenziellen Konkurrent*innen neue Angebote für hybride und blended Learning Prozesse zu entwickeln.
In unserer Lerngruppe haben wir erlebt, wie sich Kollaboration online gestalten lässt: Neben dem Mindset aller Beteiligten gehörte dazu auch eine Umgebung, in der Wertschätzung und offener Erfahrungsaustausch groß geschrieben werden. Diese Umgebung bietet die Corporate Learning Community, die das #moocamp20 sechs Wochen lang online und kostenlos für alle durchgeführt hat. Deshalb haben wir unser eBook kostenlos unter der CC-by Lizenz veröffentlicht. Wir freuen uns, wenn es anderen Trainer*innen hilft, ihre Angebote online zu bringen.
Andere Kolleg*innen nutzen Barcamps, um neue Trainingsformate mit Teilnehmer*innen auszuprobieren und sich Feedback zu holen. Auch das ist Kollaboration, die alle Beteiligten voranbringt. Ich bin sicher, dass diese Arbeitsweise in Zukunft ein entscheidender Erfolgsfaktor sein wird.