01.11.2020 | Lesezeit ca. 6 Minuten
Autor: Miriam Lerch
Wie sieht die Zukunft der Weiterbildung aus?
Wie sieht die Zukunft der Weiterbildung aus? Diese spannende Frage haben sich in letzter Zeit einige Menschen gestellt. Bei Karl-Heinz-Pape, dem Mitgründer der Corporate Learning Community (CLC) in Deutschland, finden sich spannende Gedanken zum Thema “Online oder offline lernen?”. Und auch Christoph Schmitt stellt sich die Frage: “Wer wird die Bereinigung auf dem Bildungsmarkt überleben?” und betrachtet in seinem Beitrag die Position der Weiterbildungsakademien und Bildungsunternehmen.
An dieser Stelle möchte ich von meine Gedanken, vor und während des Corona-Lockdowns teilen und gleichzeitig an der Webparade von Dr. Sammet & Wolf teilnehmen.
Was verändert sich für TrainerInnen durch COVID-19?
Ganz viel und ganz umgreifend. CoVi-19 hat aus meiner Sicht die längst überfällige digitale Transformation des deutschen Weiterbildungsmarktes zu aller erst in Gang gebracht. Der plötzliche Stillstand der Präsenztrainings, Workshops und auch Kongresse lähmte zu Beginn viele. Der Schock war zu groß und so stand der Weiterbildungsmarkt gut vier Wochen still. Ganz langsam erlebte ich ein Herantasten und Ausprobieren von virtuellen Formaten, oftmals von Unsicherheit gekennzeichnet in der Konzeption und Preisgestaltung. Im Juni und Juli gab es dann eine regelrechte Schwemme an virtuellen Trainings und Workshops, die bis heute anhält. Diese Schwemme macht es inzwischen sehr schwer aus der Fülle der Angebote das passende und richtige auszuwählen. Seit September 2020 beobachte ich neue Hybrid-Formate, die noch mal eine ganz neue Herausforderung darstellen. Aktuell wird hier viel erprobt und geübt. Langfristig wird die Begegnung im Raumen eine ganz neue Qualität gewinnen und virtuelle Formate für TrainerInnen Alltag werden.
Die Corona-Krise hat die längst überfällige digitale Transformation des deutschen Weiterbildungsmarktes in Gang gebracht.
Nach meinen Beobachtungen hat inzwischen jeder Trainer und jede Trainerin verstanden, dass er oder sie sich neu aufstellen und positionieren muss. Und zwar nicht nur mit der eigenen Persönlichkeit und dem Auftreten in der Trainerrolle, sondern auch mit neuen Angebotsformaten und Geschäftsmodellen.
Was sind die größten Herausforderungen für Trainer*innen im Umgang mit diesen Veränderungen?
Die Erforderung von ganz neuen Kompetenzen, die man auch unter “Digitalen Moderations-” und “Digitalen Präsentationsskills” zusammen fassen könnte. Hierzu gehören:
- das gesamte Veranstaltungsmanagement (Konzipieren, Aufsetzen, Organisieren und Moderieren) von virtuellen Trainings und Workshops
- fehlende räumliche Nähe als Hürde für soziale Nähe: Neue Techniken und Methoden finden um im digitalen Raum soziale Nähe zu schaffen
- digital literacy: Der mündige und versierte Umgang mit Technik (Hardware) und Tools (Software)
- didaktische online-Trainings-Kompetenz: Lerninhalte und Kooperationsformate in “Nuggets” zu zerlegen und sinnvoll in Zeitslots und synchrone/asynchrone Formate aufzuteilen
Virtuelle Trainings erfordern also neue Fähigkeiten. Sich diese selbstorganisiert anzueignen, bzw. entsprechende Weiterbildungen, bzw. Ausbildungen zum Online Trainer zu suchen ist eine dieser Herausforderungen. Gleichzeitig kann so direkt dieses “selbstgesteuerte Lernen” geübt werden, das nun in diesen Zeiten auch von den Teilnehmern und Lernern gefordert ist.
Was ist hilfreich im Umgang mit diesen Herausforderungen?
Neben den genannten Skills braucht es, wie für alle Veränderungen:
- Mut sich auf die neuen Gegebenheiten einzulassen
- Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten
- der Austausch mit anderen auf Augenhöhe – als Kompass oder Reflexionsmöglichkeit
- Lernbereitschaft bzw. Bereitschaft sich fehlende Skills, z.B. zum digitalen Lernen oder technisches KnowHow anzueignen
- Fähigkeiten mit komplexen Situationen und Fragestellungen umzugehen und
- das Zulassen von Fehlern
Der Vorteil an dieser Krise ist, dass wir nicht allein sind. Corona trainiert unseren Veränderungsmuskel nachhaltig. Nahezu alle Trainer müssen sich aktuell diesen Herausforderungen stellen, neue Konzepte und Formate ausprobieren, anpassen oder verwerfen und üben, üben.
Welcher Nutzen ergibt sich aus den Veränderungen für Organisationen und Trainer*innen?
Für mich als didaktische Beraterin und Lernbegleiterin für alle, die sich mit der Gestaltung und Organisation von digitalen Lehr-/Lernprozessen beschäftigen, liegt es auf der Hand:
Digitales Lernen wird nicht mehr nur als ein Exotikum betrachtet, das – z.B. in Blended Learning-Formaten zwischen zwei Präsenzphasen – Lernprozesse unterstützt und bereichert. Sondern digitales Lernen wird zum “Lernen in einer Kultur der Digitalität”, also selbstverständlich. Ich würde mir wünschen, dass wir das Wort e-Learning bald nicht mehr gebrauchen mögen.
Gleichzeitig haben wir so die Chance über die Sinnhaftigkeit von Reisen öffentlich zu sprechen. Genauer über Nachhaltigkeit, Öko-Bilanz, Kosten und Zeitbudgetierung. Präsenztrainings oder Workshops werden zur Exklusivität bzw. bekommen einen besonderen Stellenwert, der sich auch in der Konzeption wieder spiegelt. Die Zeiten von reiner 2-tägiger “Frontallbeschallung” mit gutem Essen sollten dann vorbei sein.
Und nicht zuletzt hat die CoVid-Krise auch den Blick auf jeden Einzelnen gelenkt. Achtsamkeit und der Fokus auf die eigenen Bedürfnisse und Ressourcen war wichtiger denn je. Trainer*innen haben spätestens jetzt gelernt wertschätzender mit sich selbst und ihrer Zeit und Arbeit umzugehen.
Digitales Lernen wird zum Lernen in einer “Kultur der Digitalität”. Man spricht auch vom NEW LEARNING, in dessen Fokus der Lernende selbst und seine Bedürfnisse und Lernziele stehen. Der Trainer begibt sich in die Rolle des Lernbegleiters oder Lerncoach.
Was sollten Trainer*innen können, um weiterhin erfolgreich zu sein?
Wichtig ist die Tatsache zu verstehen, dass eine zunehmende Digitalität im Lernen auch einen “Mindshift” in der Gestaltung von Trainings bedeutet. Man spricht deswegen heutzutage auch von “agilem Lernen”, dem Trainer als “Coach” usw.
Dieser Rollenwechsel vom “Vermittler” zum “Ermöglicher” oder “Wegbereiter” zu verstehen und auch zu leben ist die wichtigste Basis für TrainerInnen (und auch LehrerInnen).
TrainerInnen sollten mit diesem Blick auf die Gestaltung Ihrer Arbeit folgendes beherrschen:
- didaktische Konzeption von Trainings flexibel anwenden (hybrid, nur virtuell, nur in Präsenz, etc.), je nach Ausgangssituation und Möglichkeiten
- Lernsettings erzeugen, die selbstgesteuertes Lernen möglich machen (z.B. asynchrone Online-Trainings aufbauen, Video-Impulse oder Erklärvideos produzieren, Podcasts aufnehmen usw.)
- als Lerncoach den Lernenden beratend zur Seite stehen
- Begegnung in Präsenz wertstiftend nutzen, z.B. zum Austausch, zur Kollaboration oder Reflexion
Wie bei jeder digitalen Transformation braucht auch diese Veränderung des Weiterbildungsmarktes und Trainerberufes vor allem Veränderungskompetenz und die Fähigkeit mit Komplexität umzugehen: Bei der Planung zusammen mit der Organisation, wie auch bei der Durchführung und Nachbereitung von Lehr-/Lernprozessen.