Webparade 06: 5 Antworten von Sandra Schmid

01.10.2020 | Lesezeit ca. 10 Minuten
Autor: Sandra Schmid

Wie du mit noch mehr Trainerpower aus der Krise herausgehst

Als Expertin für das Lehren und Lernen in der digitalen Welt unterstützt Sandra Schmid Unternehmen dabei, Ihre Präsenztrainings auf das nächste Level zu bringen. Auch Sie hat an der Webparade von Jacqueline und Jürgen teilgenommen – warum?

“Corona hatte in den letzten Monaten einen immensen Einfluss auf dein Trainerleben – das muss ich dir nun wirklich nicht sagen. In diesem Blogartikel erzähle ich dir, welche Veränderungen nach Corona auf dich zukommen werden. Natürlich gebe ich dir auch Tipps, damit du dich zukunftssicher aufstellen kannst.”

Wir sind gespannt, welche Tipps sie uns mit auf den Weg geben kann…

Was verändert sich für dich durch COVID-19?

Die Kurzfassung: Nach der Vollbremsung musst du in einer veränderten Welt der Aus- und Weiterbildung eine neue Rolle als Trainer einnehmen.

Plötzlich Stillstand

Lass mich für die Langfassung ein bisschen ausholen: Es ist Mitte März. Von heute auf morgen werden alle Seminare bis auf Weiteres abgesagt. Keine Aufträge. Das bedeutet für dich eine finanzielle Unsicherheit wie du sie vielleicht noch nie zuvor erlebt hast.
Einige Teilnehmende und Kunden lassen sich darauf ein, Seminare digital durchzuführen. Und obwohl du eigentlich gar nicht weißt wie, digitalisierst du in Windeseile deine Inhalte: Es entstehen Online-Seminare, Videos und neue Wege, um mit deinen Teilnehmenden in Kontakt zu bleiben.
Das hat mich sehr beeindruckt! Und ich hoffe, dass du ebenfalls von dir beeindruckt bist! Es mag sein, dass du dich, hier und da noch mit der Technik rumärgerst und dass es sich online immer noch etwas unnatürlich anfühlt. Und dennoch hast du dich auf die veränderte Situation eingelassen und so viel Neues in kürzester Zeit gelernt – darauf kannst du sehr stolz sein!

Dein Mut und deine Neugierde sind die beste Voraussetzung, dass du auch durch alle weiteren Herausforderungen deinen Weg finden wirst!

Was kommt nach Corona?

Vielleicht kannst du mittlerweile wieder das ein oder andere Seminar vor Ort geben und die Gespräche in der Kaffeepause und das gemeinsame Mittagessen genießen.

Das “neue Normal”

So sehr ich dir auch ein Zurück zur Normalität wünsche, ich denke nicht, dass es so sein wird wie früher. Ich gehe vielmehr davon aus, dass die Nachfrage nach Präsenzseminaren, in der Form wie wir sie bisher kannten, deutlich abnehmen wird. 
Nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch die Welt der Aus- und Weiterbildung wird nach Corona anders aussehen. Deine Teilnehmenden und deine Auftraggeber werden immer häufiger nach Blended Learning, einem abgestimmten Mix aus Online- und Offline-Elementen, fragen.

Online-Kurse und Blended Learning werden das “neue Normal” der Aus- und Weiterbildung sein.

Vielleicht denkst du, ich übertreibe.

Es lässt sich schließlich nicht leugnen, dass uns allen der soziale Kontakt fehlt: Die netten Pausengespräche, der informelle Austausch beim Mittagessen – all das wollen wir wieder, denn es gehört mitunter zu den Highlights eines jeden Präsenzseminars!
Außerdem musst du immer noch viele Kunden vom Mehrwert des digitalen Lernens überzeugen.
Andererseits finden die Lernenden es sehr komfortabel, dass sie ohne Reisezeit von zu Hause aus und zwischendurch während der Arbeit an einem Training teilnehmen können.
Wenn sie gerade vor einem akuten Problem stehen, greifen sie gerne auf orts- und zeitunabhängige Inhalte wie zum Beispiel Videos zurück. So haben sie direkt im Bedarfsmoment eine Lösung und nicht erst in 6 Wochen, wenn das nächste Präsenzseminar stattfindet.
Corona beweist, dass das, was vorher unmöglich war, nun doch funktioniert und sogar ziemlich gut!
Bald werden noch mehr Auftraggeber und Lernende selbst erlebt haben, das digitales Lernen sehr effektiv ist. Und dann werden sie immer mehr davon wollen. Logisch, wer will schon die neu entdeckten Vorteile und Annehmlichkeiten wieder aufgeben? Die Erwartungen an dich und deine Seminare werden sich dadurch verändern.

Keine Sorge, Präsenzseminare werden nicht komplett wegfallen, doch sie werden sich verändern. Es wird immer mehr Mischformen aus online und offline geben. Das ist eine großartige Chance, um das Beste aus beiden Welten zu verbinden!

Was sind die größten Herausforderungen im Umgang mit diesen Veränderungen?

Herausforderungen hattest du in den letzten Monaten wirklich genug… Nicht eine nach der anderen, nein, gleich alle zusammen!

Deine finanzielle Sicherheit

Was deine finanziellen Herausforderungen angeht, hoffe ich, dass du mittlerweile den Papierkram mit den Ämtern hinter dich bringen konntest und du finanzielle Unterstützung erhältst. Ein sorgenfreier Kopf hilft dir, alle kommenden Herausforderungen durchdacht und motiviert anzugehen. Und ich will ehrlich zu dir sein, es kommen noch einige auf dich zu.

Den Umgang mit der Technik perfektionieren

Die ersten Berührungsängste mit der Technik konntest du schon überwinden. Damit du in Zukunft online genauso locker wie in einem Seminarraum improvisieren kannst, musst du dich weiter mit der Technik auseinandersetzen und den Umgang mit den verschiedenen Tools perfektionieren.

Digitale Lernräume methodisch-didaktisch sinnvoll gestalten

Bevor du dich jedoch zu sehr mit der Technik beschäftigst, solltest du dich mit der Umstellung der Didaktik befassen.
Lass mich das an einem Beispiel erklären.

Ein Präsenztraining kannst du nicht einfach 1:1 online durchführen. Im Seminarraum reicht dir mittlerweile eine grobe Ablaufplanung, denn du kannst aus einem vollen Methodenkoffer für Seminare schöpfen und daher spontan auf deine Gruppe eingehen.
Im Live-Online-Training wirst du jedoch eine andere methodisch-didaktische Herangehensweise brauchen:

  • Du bist als Moderator viel mehr gefragt: Du musst deine Trainings noch besser strukturieren und viel stärker steuern, damit du deine Teilnehmenden immer wieder aktivieren kannst.
  • Dein Experteninput sollte max. 7-10 min am Stück dauern, da die Konzentration online schwieriger ist und die Teilnehmenden sich sehr viel schneller ablenken lassen.
  • Und du musst längere Pausen aushalten können.
    Mein Tipp: Zähl nach einer Frage innerlich auf 7. Und ich meine tatsächlich 7, denn nach 5 und 6 kommt häufig noch eine Frage. Probier es mal aus!

Was für Live-Online-Trainings gilt, gilt auch für andere digitale Lernformate. Mit anderen Worten, du brauchst einen erweiterten methodisch-didaktischen und technischen Werkzeugkoffer, um digitale Lernräume sinnvoll zu gestalten.

Deine Rolle in den neu gestalteten Lernräumen definieren

Deine Präsenztrainings werden sich durch die Anreicherungen mit digitalen Elementen verändern. Und dadurch wird sich auch deine Rolle als Trainer verändern.

Du wirst dich und deine aktuelle Rolle im digitalen Lernraum hinterfragen müssen.

Was meine ich damit?
Nehmen wir noch einmal das Beispiel Live-Online-Training. Wenn du die Veranstaltung alleine durchführst, dann hast du mindestens diese drei Hüte gleichzeitig auf: Fachexperte, Moderator und Technik-Support.
Und vielleicht beschließt du, noch ein weiteres Lernformat umzusetzen. Und mit einem Mal hast du noch mehr Hüte auf. Wenn du dich zum Beispiel für ein Lernvideo entscheidest, bist du zusätzlich auch noch Drehbuchautor, Produzent, Tontechniker, Kameramann, Hauptdarsteller, Cutter, …

Welche Hüte stehen dir gut?

Setz dir ruhig alle Hüte einmal auf und finde so heraus, mit welchen du dich besonders wohlfühlst!
Eigne dir dann die nötigen methodisch-didaktischen und technischen Kenntnisse an, um mit deinen neuen Hüten eine richtig gute Figur zu machen!

Eine besondere Herausforderung kommt auf dich zu, wenn du deine neue Rolle im Zusammenspiel von Online- und Offline-Formaten definierst.

  • Welche Rolle wirst du darin einnehmen?
  • Was bedeutet das für dich und dein Selbstverständnis?
  • Bist du bereit, deine liebgewonnene Trainerrolle zu verändern?
  • Wie weit kannst du sie verändern, damit du weiterhin du bist?
  • Was ist hilfreich im Umgang mit diesen Herausforderungen?

Die Technik ist dein Freund!

Mit einer offenen Haltung gegenüber der Technik fällt dir der Schritt ins digitale Lernen leichter. Du sollst kein Sklave der Technik werden, vielmehr soll sie dich in deinen Zielen unterstützen. Deshalb frage dich immer erst, was du eigentlich erreichen willst. Danach kannst du die Technik passgenau aussuchen.

Wenn du klar hast, was du wie und warum online machen möchtest, kannst du das passende Tool besser auswählen. Dadurch kannst du dich viel motivierter mit der Technik befassen.

Wenn du erst einmal den Nutzen erkannt hast, wirst du schnell lernen, wo du klicken musst. Wetten, ihr werdet noch richtig dicke Freunde?
Überlege auch, ob du das ein oder andere, was du dir in den letzten Monaten aus der Not heraus angeeignet hast, noch einmal systematisch lernen möchtest.

Geh die ersten Schritte Richtung Blended Learning

Ja, Blended Learning wird kommen, aber ich möchte dir damit keine Angst machen. Du musst deine Seminare nicht in einem Rutsch auf Blended Learning umstellen! Also, atme erst einmal durch, denn Aktionismus ist jetzt nicht mehr gefragt. Mach die Umstellung lieber durchdacht und nachhaltig.

Drück auf Pause

Schreib dir auf, was du die letzten Monate an digitalen Lehr- und Lernerfahrungen gemacht hast.

  • Was war daran gut? Warum?
  • Was war daran nicht so toll? Warum?
  • Was würdest du das nächste Mal anders machen?

Mit den Erkenntnissen aus diesen Fragen hast du eine gute Basis, um deine Seminare weiterzuentwickeln.

Nimm die Vogelperspektive ein

Nimm dir jetzt Zeit, deine Trainings durchdacht zu digitalisieren.
Verschaffe dir zunächst einen Überblick über die Inhalte und Lernziele deiner Seminare:

  • Welche Sequenzen dienen wozu?
  • Welche Lehr-/Lernform und welche Sozialformen setzt du dafür ein?
  • Welche Medien nutzt du?
  • Welches Feedback hast du von deinen Teilnehmenden erhalten? Was kommt gut an und was fehlt ihnen noch?

Dieser Überblick ist die nötige Grundlage für ein ganzheitliches Blended Learning Design.

Nimm die digitalen Lernräume unter die Lupe

Stell zunächst die bereits entdeckten digitalen Lernformate auf den Prüfstand:

  • Holst du schon das Beste aus ihnen heraus?
  • Passen sie eigentlich zum Thema und den angestrebten Zielen?

Erkunde dann weitere digitale Lernräume.
Wenn du bisher vor allem mit Webinaren experimentiert hast, dann probier doch einmal ein völlig anderes Lernformat aus. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Lernvideo in Form eines Screencasts?
Finde nach und nach heraus, was die einzelnen Lernformate für dein Thema, deine Teilnehmenden und dich bieten.

Kombiniere die einzelnen Formate

Fang an, die einzelnen Lernformate zu kombinieren, online und offline.

  • Was passt am besten zum Lernziel?
  • Was verändert sich dadurch in deinen Präsenztrainings?

Pflege dein Netzwerk

Du bist nicht allein!
So viele Trainer stehen vor der gleichen Herausforderung wie du. Vernetze dich mit ihnen! So kannst du von und mit ihnen lernen.

Bleib in Kontakt mit deinen Teilnehmenden und Auftraggebern.
Ruf sie an, hör ihnen gut zu und finde heraus, was sie gerade beschäftigt. Das bringt dir wertvolle Anhaltspunkte für dein Blended Learning Design und du zeigst, dass sie dir wichtig sind.

Hol dir Unterstützung.
Du musst das Rad nicht neu erfinden. Hol dir Unterstützung von Experten für digitale Lernräume. So kommst du nicht nur schneller voran, sondern du kannst auch das ein oder andere Fettnäpfchen umgehen.

Welcher Nutzen steckt in den Veränderungen?

Finanzielle Vorteile

Fangen wir mit den harten Fakten an. Die finanziellen Vorteile liegen klar auf der Hand: Reisekosten, Übernachtungen, Verpflegung, gedruckte Materialien wie Handouts und Poster, … All das fällt online weg.
Auch wenn die Produktion und die Technik für digitale Lernräume mitunter kostspielig sein können, lässt sich online ganz klar einiges an Geld einsparen – für dich und deine Teilnehmenden bzw. deine Auftraggeber.

Zeitliche Vorteile

Dieser Fakt ist oft noch wichtiger: Zeit! Online fällt die Reisezeit für dich und deine Teilnehmenden weg.
Vielleicht findest du die Reisen an die Seminarorte wunderbar. Dann lass dir das auch nicht (komplett) nehmen!
Vielleicht kannst du aber auch Gefallen daran finden, etwas weniger oft in Hotelbetten zu übernachten und mehr Zeit in der Nähe deiner Liebsten zu verbringen. Das ist jetzt deine Chance, das richtige Maß neu zu definieren.

Lernförderliche Vorteile

Kommen wir nun zu den Vorteilen, die dein Trainerherz höher schlagen lassen werden: die lernförderlichen Aspekte des Blended Learnings. Die größte Chance steckt meiner Meinung nach in der Transferbegleitung.
Wer kennt es nicht? Wir sind zwei Tage total begeistert in einem Seminar und am Ende des zweiten Tages hoch motiviert, das Gelernte umzusetzen! 
Doch ehe wir uns versehen, hat uns der Alltag wieder und die guten Vorsätze werden erst einmal weggeschoben… Und wenn wir sie wieder hervorholen, hat die Vergessenskurve schon zugeschlagen und wir erinnern uns kaum noch an die Seminarinhalte.
Ein paar Wochen später wäre ein Follow-up sinnvoll, aber mal ehrlich, wer hat schon Lust für einen zweistündigen Termin einmal durch die halbe Republik zu reisen?
Online ist ein zweistündiges Follow-up hingegen problemlos möglich. Der ganze zeitliche und finanzielle Aufwand für Reisen fällt ja weg. Deine Lernenden können sogar direkt von ihrem Arbeitsplatz aus über den Laptop teilnehmen.

Mit Blended Learning kannst du deine Teilnehmenden über einen längeren Zeitraum begleiten und sie so noch besser zum Lernerfolg bringen. Das ist ein wunderschönes Erlebnis für deine Lernenden und für dich!

Was solltest du können, um weiterhin erfolgreich zu sein?

Fachliche Zukunftskompetenzen für Trainer

Bleib neugierig und hör niemals auf zu lernen, denn als Trainer musst du in drei Kompetenzbereichen fit bleiben:

  • Halte dich in deinem Fachthema auf dem Laufenden.
  • Erweitere deinen methodisch-didaktischen Werkzeugkoffer: Mach dich mit digitalen Lernräumen vertraut und probiere neue Lernformate und Methoden aus.
  • Trau dich an die Technik ran und fuchs dich in die Tools rein, die dich und deine Teilnehmenden unterstützen.

Iteratives Blended Learning Design

Es gibt nicht das eine Blended Learning. Dein Blended Learning Design muss zu dir, deinem Thema, deinen Teilnehmenden und zum Kontext passen. Diese individuelle Anpassung ist möglich und nötig!

Bleib dir also selbst treu und lass dich in keine Richtung drängen. Sei neugierig und mutig, aber bitte nimm dir die Zeit, Schritt für Schritt herauszufinden, wer du als Trainer im digitalen Lernraum bist.

Mit einem iterativen Vorgehen findest du Schritt für Schritt deinen persönlichen Weg zum Blended Learning und kommst so schneller und sicher ans Ziel.

So entwickelst du Lernräume iterativ:

  1. Probier etwas Neues aus und hol dir Feedback von deinen Teilnehmenden und Kunden ein.
  2. Drück auf Pause:
    1. Reflektiere das Erlebte!
      1. Passt das zu dir?
      2. Passt es zu deinen Teilnehmenden?
      3. Passt es zum Thema und zum Lernziel?
    2. Feier deinen mutigen Schritt und alles, was du dadurch gelernt hast.
  3. Pass den nächsten Schritt an und beginne von vorne.

Fazit

Corona stellt dich vor einen Berg an Herausforderungen. Wenn du den ersten Schock überwunden hast, kannst du die Veränderungen als Chance für noch mehr Trainerpower nutzen.
Bewahre dir deine offene Haltung gegenüber Veränderungen und deinen Mut zu kleinen Schritten raus aus der Komfortzone. So kannst du sicher sein, dass du auch nach der Krise deinen Weg finden wirst.
Weißt du schon, wie dein nächster Schritt aussieht?

An der Webparade teilnehmen

Hier geht es zum Original-Beitrag

Webparade 05: Zum Beitrag von Kerstin Brandes