1985 habe ich gesagt mir käme kein Computer ins Haus. 1990 habe ich die ersten Computer in unserem Dorf in Madagaskar installiert. 1995 habe ich in unserem Haus in Canada einen Computer zum Arbeiten und einen für die Kinder installiert. 2000 haben wir auf unserer Insektensuche quer durch die kanadischen Prärien zweimal täglich mit Hilfer unserer Laptops unsere emails über die Telefonlinien an Tankstellen abgerufen. 2005 habe ich als kanadische Regierungsberaterin auf Tausende von Kilometern Distanz remotely quer durchs ganze Land gearbeitet und meine Kinder haben 50% ihres Lernens digital und remotely absolviert. 2010 waren wir als Familie über vier Kontinente verteilt und zum Sonntagsessen haben wir uns mit Laptop auf dem Tisch von 6 verschiedenen Standorten aus eingeloggt. Für die einen bedeutete dies Frühstück, für die anderen Abendessen. Seit 2015 unterrichte ich nur noch online – zu meiner großen Enttäuschung leider nur auf Englisch, denn Deutschland macht noch nicht mit.
Angefangen mit den ersten Computerspielen in den 80er Jahren, ist das digitale Lernen und Kommunizieren heute weltweit die Norm. Es gibt themen-, alters-, und charakterspezifische Programme, es gibt interaktive Programme, es gibt remote-Learning bei dem direkt kommuniziert wird, es gibt Einzelkurse und Gruppentraining.
Die meisten dieser zahlreichen Angebote sind auf Englisch, denn während e-Learning weltweit in vielen Ländern längst der Alltag ist, erscheint es den meisten Menschen in Deutschland noch immer als etwas Ungewöhnliches. Detaillierte Informationen findet man dazu bei der OECD bereits seit 2001 (https://www.oecd-ilibrary.org/education/e-learning_9789264193161-en) und die neueste Veröffentlichung der OECD zu diesem Thema stammt vom Juli 2020. Darin wird beschrieben wie sehr e-Learning seit Beginn der Corona Krise zugenommen hat und Mitarbeiter dazu ermutigt werden ihre freie Zeit mit Hilfe von e- Learning für ihre Weiterbildung zu nutzen (http://www.oecd.org/coronavirus/policy-responses/the-potential-of-online-learning-for-adults-early-lessons-from-the-covid-19-crisis-ee040002/).
In diesem Artikel möchte ich zwei konkrete Beispiele vorstellen. Das erste bezieht sich auf das e-learning von Kindern, das zweite auf Berufstätige. Beide Beispiele finden im internationalen Raum statt:
Kinder
Vor 60 Jahren ging Jane Goodall als junge Frau nach Gombe, Tansania, um dort das Verhalten von wildlebenden Schimpansen zu erforschen. Aus ihrem Verständnis der engen Verflechtungen zwischen dem Überleben der Schimpansen und den vor Ort lebenden Menschen heraus gründete sie 30 Jahre später das ‚Jane Goodall Institute (JGI)‘ (https://www.janegoodall.org/) mit dem sie die Menschen weltweit aufrief gemeinsam an sozialen und umweltschützenden Projekten zusammenzuarbeiten. Mit Hilfe einer kontinuierlich erfrischten Webseite können sich Menschen weltweit über die Schimpansenfamilien in Gombe informieren, können die Zusammenhänge mit der lokalen Bevölkerung erkennen, können sich Ideen holen wie sie sich selbst aktiv am Schutz der globalen Gesellschaft und der Umwelt beitragen können, und können an lokalen, nationalen oder internationalen Projekten teilnehmen. Dieser Informations- und Kommunikationsfluss wäre ohne das Internet und e-learning nicht möglich.
Kurze Zeit nach der Gründung des JGI für Erwachsene, wurde innerhalb des Instituts ein besonderes Programm für Kinder gegründet:‘Roots&Shoots‘ (Wurzeln und Sprosse; https://www.rootsandshoots.org/ ). Auch dieses Programm läuft überwiegend online. Kinder können als Einzelpersonen, als Familie, als Nachbarschaft, als Verein, als Klasse oder als Schule Mitglied werden von ‚Roots&Shoots‘. Sie können lokal, regional, national oder international aktiv werden, und zum sozialen Zusammenhalt und zum Umweltschutz beitragen. Auf diese Weise lernen die Kinder in ganz jungem Alter, dass sie die Welt gestalten können, dass sie nicht allein dastehen mit dieser Aufgabe, das Menschen in anderen Ländern die gleichen Ziele verfolgen, und dass das Miteinander nicht nur ein romantisches Filmerlebnis, sondern ganz klare Realität ist.
Meine drei Kinder wurden 1996 Mitglieder von ‚Roots&Shoots‘. Das war ihnen möglich, weil wir den Computer zuhause hatten, den ich 1985 abgelehnt hatte, und weil sie mit drei Muttersprachen großgeworden sind, so dass sie ohne Probleme mit Kindern in anderen Ländern kommunizieren konnten. In ihrem ersten Projekt haben meine Kinder 150 Jutesäcke genäht bzw. von Tanten und Nachbarn nähen lassen, haben diese selbstständig bedruckt und anschließend in Einkaufszentren als Ersatz für Plastiktüten verkauft. Mit der Hälfte des Erlöses haben sie an einer Schule in unserer Nachbarschaft einen neuen Baum gepflanzt. Mit der anderen Hälfte haben die Kinder der Schule in Gombe 2.000 Bäume gepflanzt.
Ohne e-learning hätten meine Kinder nicht drei Muttersprachen sprechen, lesen und schreiben gelernt, sie hätten das JGI nicht kennengelernt, sie hätten nicht Mitglieder von Roots&Shoots werden können, sie hätten die Idee mit den Einkaufssäcken nicht gehabt, die Berechnungen zur Herstellung der Säcke wären sehr viel schwieriger geworden, die Materialbeschaffung wäre sehr kompliziert geworden, sie hätten mit den Kindern in Gombe nicht kommunizieren können, die Kinder in der Nachbarschaftsschule hätten nicht erfahren, dass sie Teil eines Projektes waren zusammen mit Kindern ihres Alters in Tansania, und das Selbstbewusstsein und die Durchsetzungskraft, die alle Kinder dadurch entwickelt haben, hätten sie nicht entwickelt.
Berufstätige
Seit 20 Jahren schule ich Geschäftsleute, Marketingexperten, Behörden, Wissenschaftler, Pflanzenschutzfirmen, Lebensmittelproduzenten und Landwirte in der Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln, deren Produktion, deren Zulassung und deren Anwendung. Ziel dieser Schulungen ist es die internationalen Ungleichheiten im Pflanzenschutz zu beseitigen, toxische Produkte durch risikoarme oder -freie Produkte zu ersetzen, die Risikobewertungen in der Zulassung zu optimieren, und die Vernichtung von landwirtschaftlichen Produkten aufgrund von Unterschieden im Pflanzenschutz zu beenden.
Zu Beginn dieser Schulungen war ich ständig auf Reisen und erreichte nur separate Gruppen. Entweder waren es Landwirte oder Wissenschaftler, Firmen oder Behörden, etc. Entweder waren sie in dem einen oder dem anderen Land. Auf die Weise entstand keine Zusammenarbeit zwischen den Gruppen und eine Verbesserung des Systems war kaum spürbar. Dann übernahm INFORMA (https://informaconnect.com/) die Organisation meiner Schulungsprogramme und damit trafen sich die Teilnehmer jeweils dort wo INFORMA die Kurse ansetzte. Die Teilnehmer flogen aus verschiedenen Teilen der Welt ein und begannen Kontakte zu Kollegen aus anderen Ländern zu entwickeln. Das war eine große Verbesserung.
Richtig gut wurde es dann, als INFORMA begann die Kurse online als e-learning anzubieten. Diese Kurse bestehen aus 8 Modulen. Jedes Modul setzt sich zusammen aus einem Vortrag, den ich vorher aufgenommen habe, aus der Möglichkeit von einem online-chat, in dem ich Fragen der Teilnehmer in einem Forum beantworte und einem Prüfungsbogen, in dem die Inhalte abgefragt werden. Teilnehmer, die alle 8 Prüfungsbogen erfolgreich beantwortet haben, erhalten ein Zertifikat von INFORMA.
Den nächsten Schritt geht im Moment AgroTraining (https://www.agrotraining.co.uk/) mit der Organisation von live-e-learning. Dies sind e-Seminare, in denen in 60-120 Minuten die Lösung von spezifischen Pflanzenschutzproblemen dargestellt und diskutiert wird. Beide Vorgehensweisen sind sehr gut. Die INFORMA Programme ermöglichen eine tiefergehende Bearbeitung eines sehr komplexen Systems aber die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen wird wenig genutzt. Die e-Seminare beleuchten lediglich spezifische Situationen aber führen dazu, dass Teilnehmer während des Seminars Pläne schmieden für eine zukünftige Zusammenarbeit. Kontakte werden geknüpft, Vertrauen wird entwickelt und die ersten gemeinsamen Schritte werden geplant. Es entstehen neue Geschäftsbeziehungen über nationale und kontinentale Grenzen hinweg.
Vor e-learning fanden solche Entwicklungen auf Messen statt. Die Probleme mit diesen Messen sind der enorme Zeitaufwand, die daraus entstehende Seltenheit an Gelegenheiten, und die vollkommene Überflutung bei diesen Events. Einmal im Jahr mit Hundert Leuten zu sprechen lässt sich weniger gut in geschäftliche Gelegenheiten umwandeln, als die regelmäßige Teilnahme an e-learning Events.
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