Unter dem Begriff Learning Experience Portal wird nutzer-zentriertes Learning Management zusammengefasst. Dabei stehen Funktionen zur Verfügung, die das selbstgesteuerte Lernen verbessern sollen und Lernern die Entscheidung für ihr Lernen in die Hand geben. So sinnvoll die Idee ist, spielt im Corporate Learning ein weiterer Faktor eine gewichtige Rolle: die Organisation und ihre Unternehmensziele.
Vor einigen Jahren prägte der Learning Experte Josh Bersin den Begriff des „Learning Experience Portal“ (LXP) als eine neue Produktgattung. Er definierte dies durch das Vorhandensein neuer Funktionalitäten, die dadurch entstehen, dass Lernen vom Nutzer ausgehend verstanden wird und nicht im geschlossenen Kontext stattfindet, sondern „im Arbeitsfluss“, der vom Lerner selbst definiert wird.
Wieso aber sprechen wir überhaupt von einer neuen Kategorie, wenn unter dem Begriff des „Learning Management System“ (LMS) alle Lehr- und Lernformen subsumiert werden (können)? Dafür müssen wir die Grundideen hinter der Entwicklung der Softwareprodukte anschauen:
Learning Management Systeme wurden ursprünglich konzipiert um das „Management“ von Lernen zu ermöglichen. Sie konzentrieren sich auf Geschäftsprozesse, Steuerung von Lernprozessen (wie beispielsweise der Einhaltung von Compliance Vorgaben), der Bereitstellung von Katalogen und entsprechende Auswertungsmöglichkeiten für die Organisation.
Unterschiede in Aufbau und Funktion von LMS und LXP
Aufgrund der Nähe von HR und IT innerhalb dieser Prozesse sind zudem Integrationen in bestehende Landschaften für den Austausch von Mitarbeiter- und Organisationsdaten erforderlich. Anhand dieser Voraussetzungen lässt sich erkennen, dass Learning Management Systeme vordergründig nicht mitarbeiterorientiert konzipiert wurden, sondern der Organisation und Erfüllung von Unternehmenszielen dienen.
Ein Learning Experience Portal hingegen ist „User-zentriert“ konzipiert – also vom Nutzer ausgehend aufgebaut. Entscheidungen und Steuerungen übernimmt nicht die Organisation, sondern der Nutzer selbst. Ein LXP bietet Funktionalitäten, die den „Lernkonsum“ steigern und auch das Lernen im Arbeitsfluss ermöglichen. Der Hintergrund dieser Entwicklung liegt im sich veränderten Nutzerverhalten hinsichtlich des Medienkonsums.
Netflix-Learning im Unternehmen
Begriffe wie Netflix-Learning kommen immer mehr auf; Inhalte sollen nicht mehr nur als Kurse in Kurskatalogen bereitstehen, sondern inhaltsorientiert angeboten werden. Ein Lerner, der bereits Kurs A angeschaut hat, sollte also automatisch eine Empfehlung zu Kurs B bekommen, wenn dieser auf Kurs A aufbaut oder ähnliche Themenfelder behandelt. Bestenfalls sollen Kurse bereits vom System klassifiziert und indiziert werden und über Analysen durch eine künstliche Intelligenz dem Lerner zur richtigen Zeit zur Verfügung gestellt werden. Durch die Einbindung externer Content-Bibliotheken, der Kuration frei verfügbarer Materialien und einer dauerhaften Analyse des Nutzers und dessen Lernverhaltens, entsteht eine adaptive Personalisierung des Lernens.
Einfach ausgedrückt kann man sagen, dass LXPs zum Nutzer hin entwickelt wurden, während ein LMS die Belange des Unternehmens fokussiert, oder auch: Ein LMS arbeitet traditionell mehr nach innen zur Organisation hin, während das LXP sich nach außen zum Lerner orientiert. Dieser Status quo wird sich allerdings in Zukunft ändern, da Learning Management Systeme nach und nach die Vorteile der LXPs übernehmen und integrieren, wohingegen ein LXP umgekehrt nicht in der Lage ist, den Aufbau eines LMS zu adaptieren.
Die Pfeiler für erfolgreiches Corporate Learning
Derzeit werden beide Systeme als Ergänzungen zueinander angesehen, teilweise auch als Koexistenten. Dies jedoch wird in der Zukunft nicht möglich sein, da Lernen immer stärker als integraler Bestandteil der Organisation angesehen wird.
Es stellt sich somit die Frage, welchen Weg die Systeme gehen werden und welche Faktoren für ein erfolgreiches Corporate Learning notwendig sind. Betrachten wir als Beispiel einmal folgende Systemfunktionalitäten aus einer Umfrage der Fosway-Group, so zeigt sich, dass Learning Experience bzw. Learner Engagement an oberster Stelle für nachhaltigen Erfolg stehen.
Unmittelbar darauf folgen Learning Analytics, also die Messung von Lerneraktivitäten in Bezug zum Unternehmenserfolgs und der Korrelation zwischen Business Value und Lernerfolg. Als dritten Punkt wird die Integration in bestehende IT-Landschaften sowie die Interoperabilität mit anderen Systemen aufgeführt.
Wir betrachten nun, wie sich diese drei Punkte in den beiden Systemwelten LMS und LXP gestalten und zeigen auf, welche Vor- und Nachteile sich daraus im Unternehmenskontext ergeben.
Learner Engagement: LXPs wurden speziell für das Learner Engagement entwickelt. Alle Funktionalitäten sind auf die Nutzung der Lerner hin aufgebaut und das selbstgesteuerte Lernen wird zum Teil über die Einbindung von kompetenzbasierten Methoden abgebildet. Je homogener die Zielgruppe, desto erfolgreicher lässt sich das Prinzip eines LXPs anwenden.
Learning Management Systeme waren in der Vergangenheit aufgrund der oben beschriebenen Historie nicht auf selbst gesteuertes Lernen ausgerichtet. Dies ändert sich jedoch rasant und Lernsysteme holen durch die zunehmende Entkopplung von Frontends und Backends über entsprechende API-Funktionalitäten auf. Es entstehen immer schneller werdende Innovationszyklen und Oberflächen können für jede Lernergruppe individuell angepasst werden und je nach Bedarf eine individuelle User Experience bieten.
Zudem ist Künstliche Intelligenz zu einem integralen Bestandteil fast jeder Lösung geworden, sodass Themen wie adaptives Lernen, Inhalts-Kuration und Personalisierung sich in beiden Welten finden. Ein LMS verfügt hierbei, im Gegensatz zum LXP, über alle notwendigen Lernprozesse – darunter auch regulatorische Trainings und On-the-Job Funktionalitäten, wodurch alle Lehr- und Lernprozesse in einer integrativen Oberfläche abgebildet werden können.
Zusätzlich gilt es bei Learning Experience Portalen zu beachten, dass diese meist auf heterogene, interne Zielgruppen abgestimmt sind. Immer mehr Organisationen erkennen jedoch den Wert des Lernens nicht nur für interne, sondern auch für externe Zielgruppen. So steigert Vertriebstraining für Handelspartner den Umsatz und über Kundenqualifizierungen können langfristige und erfolgreiche Kundenbeziehungen entstehen.
Im Vergleich spielen Learning Management Systeme durch ihre höhere Flexibilität auf der Portal-Ebene, bis hin zu sogenannten Headless-Systemen bei denen bestehende Oberflächen von Drittsystemen um Lernabbildungen erweitert werden, ihre Stärken mehr aus.
Learning Analytics: Die Messung des Erfolgs von Lernen im Unternehmenskontext wird seit Jahrzehnten auf Basis der Visualisierung von Lernaktivitäten durchgeführt. Jedoch entsteht immer mehr der Bedarf, Corporate Learning auf Basis von Unternehmenszielen zu analysieren und zu definieren.
Learning Experience Portale verfügen in der Regel, insbesondere bei der Analyse der Lerner, über sehr gute Learning Analytics Möglichkeiten, um zielgerichtet Inhalte anzubieten. Auf Basis von Machine Learning Mechanismen werden Lernempfehlungen gegeben und somit personalisierte Lernwege entwickelt.
Da Learning Management Systeme ursprünglich den internen Organisationsblick verfolgten, liegt eine Nähe zum Unternehmen vor. LXPs haben sich hier mehr auf Lernaktivitäten, sog. Learning Metrics, konzentriert, um daraus Folgen für die Organisation abzuleiten.
Für beide Welten wird es in Zukunft notwendig sein, „echte“ Performance zu messen. Lediglich den Nachweis zu erbringen, dass ein Test absolviert wurde, kann und darf nicht mehr dazu dienen, Erfolge auszuweisen. Denn allein das Wissen über bestimmte Inhalte oder Prozesse führt noch nicht zu einem Transfer und entsprechend angepasste Handlungen.
Dies wird realisiert, indem Korrelationen aus Learning Metriken, Performance und Business Metriken herausgearbeitet werden. Damit kann Lernerfolg für die Organisation visualisiert und Empfehlungen für die Verbesserung des Lernprozesses abgeleitet werden.
Die Folge, die sich aus dieser Korrelation ergibt, wird sein, dass Lernbedarfe auf Basis von Unternehmenszielen (Business Goals) ermittelt und zudem dauerhaft analysiert werden kann, ob das „richtige“ in der Organisation gelernt wird.
Anders ausgedrückt: Erfolgreiches Lernen muss sich in den Zielen des Unternehmens widerspiegeln und es muss überprüft werden, wie jeder einzelne Mitarbeiter mit den für ihn passenden Kursen zu diesem Erfolg beitragen kann.
Integration und Interoperabilität: Wird bestimmten Themen innerhalb eines Unternehmens eine höhere Priorität zuerkannt und steigen Bedarf sowie Anspruch an dieses Thema, wirkt sich dies immer auch unmittelbar auf die entsprechenden Systeme aus. Egal, ob es nun um Lernen oder beispielsweise professionellere Marketing-Tools geht – die zugrunde liegenden technischen Systeme und Tools, müssen entsprechend professionalisiert, ausgebaut, oder sogar ersetzt werden und gewinnen damit gleichermaßen an Bedeutung.
Lernsysteme müssen sich immer mehr in bestehende Infrastrukturen integrieren und zudem teilweise ihre eigenen Kernfunktionalitäten auf- bzw. abgeben. So besteht der Wunsch, für unterschiedliche Zielgruppen, wie interne Mitarbeiter und externe Partner, unterschiedliche Portale mit individuellen User- und Learning Journeys abzubilden, um die bestmögliche User Experience zu erzeugen.
Da Learning Experience Portale per se den Aspekt der Experience in den Vordergrund stellen müssen, wird es schwieriger, Zielgruppen- oder „Case“- orientierte Portale anzubieten.
Hier haben Learning Management Systeme durch die Historie ihres technologischen Aufbaus einen Vorteil. Da sie schon immer gezwungen waren, Frontends für Ihre Backends zu entwickeln und diese per APIs verbinden mussten (bspw. REST API), steht diesen Lernsystemen nun ein mächtiges Werkzeug für Integration und Interoperabilität zur Verfügung.
Fast schon zufällig wurden so stabile und umfangreiche API Managements entwickelt, über die gesamte Lern-Öko-Systeme aufgebaut werden können. Spinnen wir das ein wenig weiter, könnte heutzutage bereits ohne Probleme an einem Internet-fähigen Kühlschrank ein Lerninhalt bereitstehen, der den Mitarbeiter bereits zum Frühstück über die neusten Fähigkeiten eines Produkts aufklärt.
Integrationen dienen aber nicht nur der Bereitstellung von Lerninhalten. Vollumfängliches Learning Management betrachtet die Unterstützung aller beteiligten Prozesse: So können Türbeschilderungen angesteuert werden oder eine erfolgte Seminarteilnahme kann mit der Mitarbeiter-Magnetkarte oder dem Scannen eines QR-Codes bestätigt werden.
Was kommt als nächstes?
Wo ein Learning Experience Portal Lernen neuschreiben und attraktiver gestalten möchte, stellt man plötzlich fest, dass das Learning Management System sich mehr nach außen hin zur Experience öffnet und Learning Experience Portale mehr nach innen arbeiten. So aggregieren Learning Experience Portale alle möglichen Inhalte bei sich, womit sie dem Gedanken einer „Learning Environment“ aufzubauen, entgegenwirken.
Hinzu kommt, dass es durch die stabile Grundlage eines LMS für diese Systeme einfacher ist, sich in Richtung der UX zu öffnen, als umgekehrt für Learning Experience Portale sich in Richtung eines LMS, also zur Organisation hin, zu entwickeln. Dies liegt an dem oben beschriebenen grundlegenden Aufbau, bzw. der Idee eines LXPs, welche schließlich genau diese Beziehung zwischen Lerner und Unternehmen drehen möchte.
Wir müssen also feststellen, dass sich Learning Management über die Learning Experience hinaus zu einer neuen Produktkategorie weiterentwickelt, nämlich der „Learning Environment“. Damit ist eine Umgebung gemeint, die sich nahtlos in die Organisationsinfrastruktur integriert, eine gute Lernerfahrung abbildet und für unterschiedlichste Cases ausgestaltet ist.
Diese Learning Environment verbindet einen User Centric Ansatz mit Business Outcome und macht somit Lernen und Lernerfolg für die Organisation sichtbar. Dadurch wird es Organisationen möglich sein, das „Richtige“ zu lernen anstatt nur Inhalte bereitzustellen oder Inhalte des Lernens wegen anzubieten.
Gerade in außergewöhnlichen Zeiten wie Covid-19 stellen wir fest, dass dem Lernen ein spezieller (digitaler) Raum zur Verfügung stehen muss und immer mehr Unternehmen die Möglichkeiten und Bedeutung des Lernens anerkennen. Jedoch gilt es zu beachten, dass wir auch Raum zum Arbeiten brauchen und Lernen nicht dem Selbstzweck dienen sollte. Wir müssen also lernen, das Richtige im richtigen Kontext und mit der richtigen Motivation durch eine entsprechende Learning Experience zu lernen, um den maximalen Impact und Outcome zu generieren.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen gesponsorten Beitrag der Firma imc information multimedia communication AG.
Der Autor:
Sven R. Becker
„Lernen als reiner Selbstzweck ist weder zielführend noch trägt es zu Unternehmenszielen bei“. Das sagt E-Learning Experte Sven R. Becker. Seit 2019 ist er im Vorstand der imc AG, wo er die Bereiche Marketing & Communications, Sales DACH und Content Services verantwortet. Schon zu Studienzeiten hat sich Becker intensiv mit E-Learning, Usability und UX Design beschäftigt.
Kontakt:
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