Kann man wirklich Leadership in Online Kursen lernen?

Ein Professor einer namhaften US-amerikanischen Universität erklärt eine Stunde lang in einem Video, wie man Projekte leitet, mit Konflikten umgeht oder seine High Potentials weiterentwickelt. Das Video kann man 24/7 anschauen, weil es online verfügbar ist.

DevicePerfekt, oder?

Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass Lernen von Leadership so stattfindet? Haben wir denn alles vergessen, was zur Effektivität von Lernen seit Jahrzehnten erforscht wurde?

Lernen ist ein interaktiver Prozess und ist umso effektiver, je näher es der Realität der Lernenden ist. Daher geht es darum, die Realität in den Seminarraum bzw. den Seminarraum in die Realität zu bringen und Lerninhalte im Dialog zu reflektieren. Die meisten Trainings – insbesondere im Bereich Leadership – wurden daher im Laufe der vergangenen Jahrzehnte um Praxislernphasen ergänzt.

Ein vorgefertigtes Video ist das exakte Gegenteil eines interaktiven Lernprozesses: Es ist immer das gleiche Video welches tausendfach seine Inhalte wiederholt, ohne in irgendeiner Weise die Situation der Lernenden zu verstehen und zu adressieren. Da helfen auch keine Prüfungsschleifen in einem Learning Management System, die checken, ob man z.B. die 5 goldenen Regeln der Mitarbeiterführung richtig auswendig gelernt hat. Um Makroprogrammierung in Excel zu lernen sind Lernvideos sehr hilfreich, aber zu einem komplexen Gebiet wie der Führung von Menschen können sie allenfalls als Referenz im Hintergrund dienen – so wie Bücher und Zeitschriftenartikel.

Grafik ZeuchOnline – und trotzdem individuell

Online heisst nicht automatisch Standardisierung. Online kann sehr wohl interaktiv sein und Online kann sehr wohl die Realität der Lernenden mit einbeziehen und adressieren.

Genau das ist es, was das Design unserer Kurse ausmacht.

Bereits vor dem Kurs erhalten die Lernenden die Aufgabe, sich eine Herausforderung in ihrer beruflichen Situation zu überlegen, welche in Beziehung zu dem Kursinhalt steht: Ein aktueller Konflikt in Vorbereitung des Kurses zu Konfliktmanagement, eine Problemstellung in Vorbereitung des Kurses zu Problemlösung etc.

Vor dem Kurs wird den Lernenden via LMS ein Formblatt zur Vorbereitung sowie ein Video zur Erläuterung zur Verfügung gestellt.

Im Kurs, den wir als Webinar durchführen, wenden sie dann Stück für Stück die Lerninhalte auf ihre Herausforderung an. Genau durch diese Anwendung entsteht ein tiefes Lernen, das nicht nur für die aktuelle Herausforderung sondern auch für künftige ähnliche Herausforderungen relevant ist.

Ebenso entwickeln die Teilnehmenden im Webinar einen persönlichen Aktionsplan, den sie direkt nach dem Webinar in ihre jeweilige Praxis umsetzen.

Bei komplexerem Leadership Themen findet ein weiteres Webinar nach mehreren Monaten statt, in dem Erfahrungen bei der Implementierung der Aktionspläne ausgetauscht und gemeinsam mit dem Trainer reflektiert werden.

Grafik ZeuchPraxiserfahrungen: Globales Leadership Curriculum bei Johnson Electric

Die Johnson Electric Group ist ein weltweit führender Anbieter für innovative Antriebslösungen, Kontrollsysteme und flexible Schaltungen. Das Unternehmen beschäftigt 35000 Mitarbeiter in über 23 Ländern. Um die digitale Transformation zu meistern, ist für die Firma Leadership Development insbesondere in Richtung von Change Management, Talent Management und Agilität bei der Umsetzung neuer Technologien entscheidend. Hierzu haben wir ein 25-teiliges Curriculum aus 90-minütigen, interaktiven Webinaren entwickelt, welches an das gesamte Führungsteam (mehr als 1,000 Manager) seit nunmehr 2 Jahren ausgerollt wurde.

Natürlich läuft nicht alles von Anfang an 100 Prozent ideal und wir haben diese Erfahrungen genutzt, um das Konzept zu verbessern. Die wichtigsten Lessons Learned waren:

  • Erwartungsmanagement: Titel und Beschreibungen der Kurse müssen exakt das Niveau des Kurses reflektieren. Wenn erfahrende Projektleiter an einem Basis-Kurs zu Projektmanagement teilnehmen, ist deren Lernerfolg sehr begrenzt, weil sie das meiste schon wissen. Da man als Trainer im Webinar – anders als im Seminarraum – nicht alle Teilnehmenden permanent im Blick hat, ist ein gezieltes Eingehen auf Einzelne mit mehr Erfahrung oder sogar Nutzung von deren Expertise nur recht schwer möglich. Daher sollten die Gruppen möglichst ein einheitliches Level an Erfahrung haben.
  • Interaktivität: Die meisten Teilnehmenden sind in einem Webinar gehemmt, sich verbal zu beteiligen. Eine anfängliche «Mauer des Schweigens» ist keine Seltenheit. Diese Hemmung nimmt ab, wenn die gleichen Teilnehmenden sich in einer Gruppe wiederholt zu einem Webinar treffen. Ebenso lässt sich die Hemmschwelle bei der Beteiligung durch die Nutzung der Whiteboard Funktion herabsenken. Fast jeder Teilnehmer wird auf eine einfach gestellte Frage z.B. durch Ankreuzen auf dem Whiteboard reagieren – zumal dies ja anonym ist. Wenn man als Trainer die Teilnehmer einmal auf diese Weise in die Interaktion gebracht hat, kann man sukzessiv erst in die geschriebene Interaktion (Wörter, die die Teilnehmenden auf den Bildschirm schreiben) und schliesslich in die gesprochene Kommunikation überleiten.
  • Modularität: Auch bei interaktiver Gestaltung nimmt nach ca. 60 Minuten die Aufmerksamkeit ab, sodass mit Einleitungsphase und Feedbackphase eine Gesamtdauer des Webinars von 90 Minuten nicht überschritten werden sollte. Bei komplexeren Themen ist daher eine Verteilung der Inhalte auf mehrere Veranstaltungen erforderlich.
  • Attraktiver Start: Oft starten Unternehmen ihr eLearning mit verpflichtenden Themen wie z.B. Code of Conduct, auch deshalb weil sich auch für grosse Populationen die Teilnahme leicht erfassbar ist und man damit gezielt ermahnen kann. Ist allerdings die erste Erfahrung mit eLearning eher eine ordnungspolitische, setzt dieses ein unattraktives Zeichen für eLearning in der Organisation. Daher sollten bereits am Anfang auch eLearning Tools angeboten, die auch die Interessen der Teilnehmenden ansprechen.
  • Transparenz: Trainingsunterlagen, die im Webinar gezeigt werden, sollten schnell erfassbar und leicht in die Gesamtstruktur einzuordnen sein. Hierzu ist es wichtig, Inhalte nur stichpunktartig auf den Slides zu erwähnen und diese dann als Trainer verbal auszuführen. Ebenso sollten immer wieder Navigationsslides eingefügt sein, die zeigen, wo man im Gesamtverlauf aktuell steht.
  • Animation: Animationen sowie der Einsatz des Mousezeigers durch den Trainer erhöhen die Lebendigkeit des Lernerlebnisses.
  • Train-the-Trainer: Trainer sollten – so wie auch im Seminarraum – im Webinar ihren eigenen Stil entwickeln. Erfahrene Trainer können durchaus Faktoren, die sie im Seminarraum erfolgreich gemacht haben, in das virtuelle Klassenzimmer übertragen. Allerdings ist auch dies ein Lernprozess und sollte durch ein Train-the-Trainer Programm gezielt gefördert werden. Ohne eine solche Vorbereitung ist die Gefahr gross, dass erfolgreiche Trainer, die bisher nur in traditioneller Form trainiert haben, als digitale Trainer anfänglich Schwierigkeiten haben, die Teilnehmenden zu begeistern.

Sind Sie interessiert, das Lernen von Leadership in Ihrer Organisation ganz oder teilweise zu digitalisieren?

Wenn ja, sprechen Sie mich gerne an!

Beitragsbild: © wladimir1804 – stock.adobe.com

Kontakt:

Matthias Zeuch
Founder HRMnext Ltd. Hong Kong
mzeuch@icloud.com