29.05.2020 | Lesezeit ca. 10 Minuten
Ein Blick hinter die Kulissen der SUMMIT Expedition
Vor knapp 10 Wochen begann die Planung des eLearning SUMMIT digital und wir entwickelten in rasendem Tempo ein Veranstaltungsformat nach dem anderen. Eine unserer besten Ideen war die SUMMIT Expedition, ein Format, das wir in Kooperation mit Markus Herkersdorf von TriCat und Prof. Rolf Kruse von der Fachhochschule Erfurt entwickelt haben. Meine Kollegin Julia von Döhlen erzählte mir von dem Angebot von Herr Herkersdorf, seine virtuellen Räume von TriCat Spaces für unsere Veranstaltung nutzen zu können. Kurze Zeit später war dann klar, dass auch ich an dem Vorbereitungsmeeting – dass noch am selben Tag sattfinden sollte – teilnehmen sollte. Zusammen mit meiner Kollegin Julia, Herrn Herkersdorf, Herrn Prof. Kruse und meinem Chef: Herrn Frank Siepmann. Gesagt getan: Julia organisierte einen Zugang für mich und wenige Stunden später wippte ich gut ausgestattet mit Headset und einem Zugangslink ungeduldig auf meinem Bürostuhl hin und her. Es war eine Minute vor Meeting-Beginn – und ich saß allein in meinem Büro und wusste nicht recht, wann ich beitreten sollte. Ich sah mich um – keiner war da. Dann atmete ich tief durch, schob den Cursor nach oben und klickte auf den Zugangslink…
In diesem Blogeintrag berichte ich von meiner ersten Expedition in eine virtuelle Lernwelt und erfahre dabei mehr über praktisch menschliche Interaktion als in meinem Studium der Kommunikationswissenschaften. Tauche mit mir ein in eine Welt multiperspektivischer Erfahrungen – und trau‘ dich dann selbst. Die nächste SUMMITexpedition startet bereits am 31. Juli 2020.
Kapitel 1: Vom Konfigurieren…
Für eine Expedition schlägt das Oxford-Wörterbuch folgende Definition vor:
Ex·pe·di·ti·on, die [Substantiv, feminin]: Forschungsreise einer Personengruppe [in unerschlossene Gebiete]. Der Begriff stammt aus dem lateinischen expeditio und wird primär mit „Feldzug“ übersetzt. Und der Gedanke, in meiner Arbeitszeit virtuelle Feldzüge zu unternehmen, reizte mich von Beginn an. Natürlich war meine Expedition noch weit von dem entfernt, was uns am 31. Juli erwartet – mit nur 5 Teilnehmern und ohne Veranstaltungsprogramm standen wir damals noch ganz am Anfang. Und so fühlte ich mich bereits im Character Screen minimal überfordert, als ich plötzlich die Frage beantworten musste: Wie sehe ich eigentlich gleich aus?
Eine Reihe vorkonfigurierter Charaktere zwangen mich zur Qual der Wahl. Mehr noch – selbst, wenn man sich bereits für einen Avatar entschieden hat, kann man noch etliche optische Merkmale individualisieren (Haare, Oberteil, Schuhe etc.). Mehr als 40 Grundcharakter stehen den Nutzern zur Verfügung – nur einer gefiel mir auf Anhieb; und in dem Wissen, dass meine ebenfalls teilnehmende Kollegin das sicherlich genauso sah, färbte ich meine virtuelle Bluse dunkelgrün.
Zwillinge in einer virtuellen Welt war für mich dann doch ein Szenario, dass ich vorerst lieber vermeiden wollte.
Nach dem ich mich konfiguriert hatte, wurde ich ohne weitere Zwischenschritte direkt in die virtuelle Lernwelt transportiert und fand mich wieder in einem schlichten Raum, der mich ein wenig an das EYE-Film-Institut in Amsterdam erinnerte: Große Fensterwände, die mir in Segmenten den Blick auf die Welt freigaben.
Die Steuerung erfolgt über Tastatur und Maus – sehr ähnlich zu herkömmlichen Computerspielen. Kurze Zeit später bewegte mich bereits selbstständig, aber planlos durch diesen mir fremden Raum.
Es war ein sonderbares Gefühl, in einem Gebäude zu sein, ohne diese durch die Vordertür betreten zu haben.
Die Bewegungsnavigation ist kongruent zur Blickrichtung und erzeugt eine angenehme First-Person-Perspektive. Der sense-of-being-there wird durch die multisensorische Reizverarbeitung noch verstärkt – selbst die graphische Auflösung harmoniert damit. Durch das Headset wird man von der eigentlichen Realität geradezu entkoppelt: Störende Alltagsgeräusche verschwinden und man kann sich ganz auf die neue Umgebung konzentrieren.
Nur eines störte die Illusion: Irgendwo ganz hinten sah ich ein Tag in der Luft schweben – ein kleines schwarzes Label auf dem „Markus Herkersdorf“ stand. Herr Herkersdorf, unser TriCat-Experte, war also auch schon in der Lernwelt anwesend. Fraglich war aber noch, wie ich da hinkam. Und vor allem: Wo waren die anderen 3 Teilnehmenden?
Da hörte ich eine Stimme, die klang, als würde jemand direkt hinter mir stehen: „Frau von Döhlen?“ Unwillkürlich drehte ich mich auf meinem Bürostuhl herum – und sah auf den leeren Schreibtisch hinter mir. Ein Cursor bewegte sich selbstständig auf dem leuchtenden Bildschirm hin und her: Frau von Döhlen war im Home Office…
Kapitel 2: … zum Interagieren
„Frau von Döhlen?“ schallte es wieder durch meinen Kopf – erst jetzt realisierte ich, dass die Stimme aus meinem Headset kam. „Hallo, Herr Herkersdorf“, antwortete die Stimme meiner Kollegin. Sie war also da – aber wo genau? Ich versuchte in die Richtung des Tags zu gehen, aber Wände versperrten mir den Weg. Ich sollte mich bemerkbar machen, dachte ich. War mein Headset defekt? Warum hatten sie mich noch nicht bemerkt? „Frau Coordes ist auch schon hier.“, stellte Herrn Herkersdorf fest. „Sie erkundet schon fleißig den Raum.“ Und in diesem Moment fühlte ich mich plötzlich ertappt und ein wenig wie ein heimlicher Eindringling: Ich hatte ganz vergessen, mich überhaupt verbal bemerkbar zu machen.
Persönliche Notiz: Wenn du eine virtuelle Lernwelt betrittst, solltest du über das Headset auf dich aufmerksam machen.
Hilflos versuchte ich in die Richtung zu laufen, aus der die Stimmen kamen – und es funktionierte. Die Stimmen wurden immer lauter und schließlich betrat ich eine virtuelle Lobby, in der Markus Herkersdorf, Rolf Kruse, Frank und Julia etwas abseits voneinander und ohne Ausdruck standen – jeweils mit einem Namens-Tag über ihrem Avatar.
Persönliche Notiz: Zusätzlich zum Namensschild kann man sogar ein persönliches Foto einstellen, dass während der Veranstaltung über dem Avatar schwebt.
„Je näher Sie einander kommen, desto deutlicher wird die Audiofrequenz – also das Gespräch – übertragen.“, sagte Herr Herkersdorf und seine Figur gestikulierte spielerisch. Das war hochinteressant, denn ich hatte bereits gelesen, dass dem Sound in einer virtuellen Lernwelt eine besondere Bedeutung zukommt.
Persönliche Notiz: Die Geräusche der TriCat-Lernwelt sind stereoskopisch angelegt. Das bedeutete nicht nur, dass sie dreidimensional klingen und damit bezogen auf Richtung und Distanz eine sehr interessante Raumillusion schaffen. Es bedeutete auch, dass die Richtung, in die mit dem eigenen Avatar gesprochen wird, auschlaggebend für den Ursprung des Klangimpulses ist. Außerdem können die einzelnen Arbeitsräume voneinander entkoppelt werden, sodass keine Überlagerungen von Geräuschen stattfinden kann und in den verschiedenen Räumlichkeiten simultan und autark gearbeitet werden kann.
„Es ist wichtig, dass sie mit dem Fadenkreuz das Gesicht ihres Gesprächspartners mittig anvisieren, um ihr Gegenüber auch direkt zu adressieren! Wenn ihr mit jemandem sprechen wollt, müsst ihr direkt auf ihn zugehen und ihn mit dem Fadenkreuz anvisieren – andernfalls wird er nicht wahrnehmen, dass ihr mit ihm sprechen wollt.“ Eine logische Schlussfolgerung: In einer virtuellen Welt gelten dieselben Konversationsrichtlinien und -standards wie in der realen Welt. Problematisch ist hierbei nur eins: Intuitiv kann man in einer virtuellen Welt nicht reagieren. Für jede Handlung muss ein manueller Befehl eingegeben werden. Wie weitreichend die Folgen dieser These waren, erfuhr ich kurz darauf.
Persönliche Notiz: Durch den Avatar als Körpersimulation kann man die virtuelle Welt sinnlich erfahren. Dazu zählt neben Klang auch Bewegung. Spezifische Bewegungen, sprich Mimik und Gestik während einer Konversation, können nicht länger intuitiv erfolgen, sondern müssen aktiv entschieden und umgesetzt werden.
Entsprechend folgte nun die Phase meiner Expedition, in der ich die Funktionen meines virtuellen Körpers erkundete: Was für Fähigkeiten hatte ich und wann konnte ich sie sinnvoll nutzen? Mein Avatar verfügte über ein vorprogrammiertes Repertoire an Gefühlsäußerungen: Mimisch konnte ich lachen und zwinkern aber auch Skepsis zeigen, zornig, traurig, enttäuscht und sogar erstaunt schauen.
Bezogen auf meine Gestik waren mir das Hand heben zum Melden und Klatschen möglich – und bei einer Kamerafahrt um mich herum konnte ich mir sogar genau ansehen, wie ich dabei aussah.
Persönliche Notiz: Aufgrund der Echtzeitvisualisierungen und -reaktionen des Systems sehen die anderen Nutzer nach einer Eingabe sofort die entsprechende Reaktion.
Ich war begeistert: Immer mehr wurde mir bewusst, wie viele Konversations-Merkmale wir als selbstverständlich erachten. Gleichzeitig bot das Programm multiple Möglichkeiten, Aspekte der natürlichen Konversation digital nachzuahmen. Dabei war für mich am wichtigsten zu erkennen, dass ich Kompetenzen entwickeln muss, um digitale Konversation über einen Avatar so natürlich wie möglich erscheinen zu lassen. Gleichzeitig stehen mir in einem virtuellen Raum Möglichkeiten zur Verfügung, die in der Realität nicht umsetzbar sind, wie z.B. das Erschaffen von Gegenständen.
An dieser Stelle möchte ich meinen kleinen Ausflug in die virtuellen Lernwelten von TriCat beenden – schließlich sollt ihr auch selbst noch die Möglichkeit haben, neue Erfahrungen zu sammeln.
Mit auf den Weg gebe ich euch hierfür drei goldene Regeln:
- Nach dem Eintritt sollte man versuchen, sich verbal bemerkbar zu machen. So kann man gleichzeitig auch die technische Funktionalität der Devices prüfen.
- Um jemanden anzusprechen sollte man sich zielstrebig auf ihn zubewegen. Dabei ist es besonders wichtig, mit dem Fadenkreuz das Gesicht des Gegenübers anzuvisieren.
- Der Schlüssel zu einer guten digitalen Interaktion ist nicht nur eine Sensibilität für den digitalen Raum und seine Grenzen, sondern auch das oszillierende Reflektieren eigener Interaktionsprozesse.
Hoffentlich seid Ihr bei unserer Expedition am 31. Juli 2020 dabei – die Plätze sind rar, also sichert sie euch früh genug. Ich bin auch dabei und freue mich auf euch.
Bis dahin!
Beste Grüße und bleibt gesund!
Eure Lisa C.