Die Blockchain-Technologie kann im Bereich der fälschungssicheren Ausbildungszertifikate punkten. Dieses und weitere Anwendungsfelder für den Einsatz der Technologie zeigte Prof. Dr. Wolfgang Prinz vom Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik in seinem Vortrag auf der LEARNTEC 2020 auf.
eLearning Journal: Guten Tag Herr Prof. Dr. Prinz. Können Sie zunächst sich und Ihre Tätigkeiten beim Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik kurz vorstellen?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Ich bin stellv. Institutsleiter des Fraunhofer FIT, das Konzepte und Lösungen für die menschzentrierte Gestaltung unserer digitalen Zukunft entwickelt. Vor 5 Jahren haben wir im FIT das Fraunhofer Blockchain Labor gegründet, mit dem wir Unternehmen bei der Identifikation von Innovationen und Effizienzsteigerungspotentialen durch Blockchain sowie bei der Realisierung von Blockchain basierten Anwendungen unterstützen. Dabei sind Lösungen für die Bereiche Energie, Mobilität, Produktion, Verwaltung, Finanzen, Lebensmittelverfolgung und Ausbildung entstanden.
eLearning Journal: Ihr Vortrag auf der LEARNTEC 2020 beschäftigte sich mit der Blockchain-Technologie in Zusammenhang mit dem Ausbildungswesen und präsentiert eine konkrete Lösung zur Speicherung und Verwaltung von Ausbildungszertifikaten in Zusammenarbeit mit einem Netzwerk unterschiedlicher Ausbildungsstellen. Was kann mich sich zunächst einmal unter Blockchain generell vorstellen?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Die Blockchain-Technologie bietet die Möglichkeit Daten und Transaktion nachvollziehbar und fälschungssicher in einem dezentral organisierten Netzwerk zu verwalten. Damit kann sie die Rolle eines digitalen Notars erfüllen, in dem sie zur Verwaltung und automatisierten Prüfung der Echtheit und Unverfälschtheit von Dokumenten wie zum Beispiel Ausbildungszertifikaten genutzt wird. Da dies dezentral in einem Netzwerk und somit unabhängig von einem zentralen Diensteanbieter erfolgt, hat sie das Potenzial die Dominanz der Plattformbetreiber aufzubrechen und damit zur Basis für neue Formen der selbstbestimmten Netzwerk- und Community-orientierten Datenverwaltung zu werden.
eLearning Journal: Welche Rolle spielt Blockchain bereits heute in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung der DACH-Region? Wie kann die Blockchain im Kontext der betrieblichen Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Aktuell werden unterschiedliche Ansätze und Lösungen sowohl von Lösungsanbietern als auch von den Zertifizierungsinstanzen erprobt. Am häufigsten wird dabei die Verwaltung von Zertifikaten in einer Blockchain pilotiert. Dazu werden die Zertifikate so digitalisiert, dass sie sowohl maschinenlesbar sind als auch leicht als Urkunde gedruckt werden können. Dabei kommen häufig Standards, wie das Open Badge Format zum Einsatz. Aus diesen digitalen Zertifikaten wird mittels des so genannten Hashverfahrens ein Hashwert, d.h. ein eindeutiger digitaler Fingerabdruck erzeugt. Dieser Hashwert wird zusammen mit der Identität der ausstellenden Instanz sowie dem Erstellungsdatum und optional einem Gültigkeitsdatum in der Blockchain gespeichert.
Legt nun der Zertifikatsinhaber einem Dritten wie z.B. einer Personalabteilung oder einer Prüfstelle ein digitales Zertifikat vor, dann wird erneut der Fingerabdruck des Zertifikats berechnet und mit den in der Blockchain hinterlegten Daten verglichen. Sind diese identisch ist das vorgelegte Zertifikat unverfälscht und gültig. Mit diesem Prozess kann die Prüfung von Zertifikaten schnell und automatisiert erfolgen.
eLearning Journal: Welchen Mehrwert bieten die ihrerseits entwickelten Ausbildungszertifikate heute? Welches Potential sehen Sie für die kommenden Jahren?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Der Mehrwert der von Fraunhofer FIT entwickelten Lösung „Blockchain for Education“ besteht in der Fälschungssicherheit und der Möglichkeit zur schnellen und automatischen Prüfung der Echtheit und Authentizität von Zertifikaten. Damit werden Fälschungen unmöglich. Für die Zertifikatsaussteller bedeutet diese eine höhere Sicherheit für die von ihnen herausgegeben Zertifikate. Da der Prüfprozess automatisiert wird, müssen Sie keine Prüfdienste für Nachfragen (Hotline) zur Korrektheit eines Zertifikats mehr vorhalten. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, Zertifikate zurückzuziehen und damit in der Blockchain für ungültig zu erklären, sollte der Zertifikatsträger notwendige Zusatzprüfungen nicht abgelegt haben oder Zeitfristen überschritten haben. Mit den bislang genutzten Papierdokumenten ist dies nicht möglich.
Für die Personalabteilungen vereinfacht sich der Prozess der Echtheitsprüfung deutlich, da diese nicht mehr über Papierdokumente und manuelle Nachfragen bei der ausstellenden Instanz erfolgen muss. Verbunden mit dieser Vereinfachung und Beschleunigung ist gewährleistet, dass auch alle Prüfprozesse vollständig durchgeführt werden und nicht der Einfachheit halber möglicherweise auch vernachlässigt werden. Zusätzlich kann die kontinuierliche Prüfung der Gültigkeit von zeitlich befristeten Zertifikaten automatisiert erfolgen. Dies ist für sicherheitsrelevante Tätigkeiten oder auch den Finanzsektor hinsichtlich der Compliance eines Unternehmens von großer Bedeutung.
Insgesamt können so sämtliche Erstellungs- und Prüfprozesse vollständig digitalisiert werden. Wir erwarten daher, dass in Zukunft Zertifikate nur noch digital erstellt und verwaltet werden.
eLearning Journal: Welche Partizipations-Möglichkeiten für Unternehmen gibt es, sich in das aufgebaute Netzwerk im Bereich der Ausbildungszertifikate einzuklinken? Was sind weitere Aspekte, die dort demnächst angegangen werden sollen?
Prof. Dr. Wolfgang Prinz: Bereits im letzten Jahr haben sich erste Hochschulen, Universitäten und Bildungsorganisation mit uns zusammengeschlossen und gemeinsam die DigiCerts Community gegründet. Heute betreibt DigiCerts das erste Blockchain Netzwerk im Bildungssektor in Deutschland. Interessierte Hochschulen, Unternehmen und Bildungsorganisationen können sich DigiCerts anschließen. . Zusätzlich ist ein StartUp in Planung, dass unsere Lösung weiterentwickelt, betreuen und vermarkten wird. Blockchain for Education ist ein offenes System und kann somit sowohl in bestehende Zertifizierungs- als auch HR-Systeme integriert werden. Anwender des Systems müssen sich daher nur in geringerem Maße wie beispielsweise ihrer Identität im Netzwerk, mit der Blockchain Technologie beschäftigen. Die Prozesse der Zertifizierungsstellen werden in Zukunft effizienter und die ausgestellten Zertifikate automatisch sicher. Zertifikatsträger werden ihre Zertifikate und Zeugnisse einfach und sicher in einer App verwalten und bei Bedarf mit Dritten teilen. Potentielle Arbeitgeber und Personalabteilung können einfach und schnell vorliegende Zertifikate auf Echtheit inkl. Herkunftsnachweis überprüfen.