Sind Sie schon in einer Meetup-Gruppe, haben Sie an einem BarCamp teilgenommen oder machen Sie in einem Working-out-Loud-Circle mit? Je digitaler die Arbeitswelt, desto grösser das Bedürfnis, sich Face-to-Face auszutauschen, neue Kontakte zu knüpfen und gemeinsam und voneinander zu lernen. Die Digitalisierung des Lernens macht es möglich, dass die klassische Wissensvermittlung, die im Seminarraum, im Klassenzimmer oder im Hörsaal stattgefunden hat, komplett ins Internet verlagert werden kann. Die technische Infrastruktur sowie bessere Lernsysteme, ausgebildetes Fachpersonal und eine neue Online-Didaktik sind die Basis dazu. Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten für das gemeinsame Lernen vor Ort. Professionelles digitales Lernen schafft damit Raum zu einer „Renaissance“ des Präsenzlernens.
1. Digitale Wissensvermittlung und analoge Kollaboration ergänzen sich.
Begriffsklärung
Wenn in diesem Text von digital und analog gesprochen wird, dann ist mit „digital“ alles gemeint, was online passiert und mit „analog“ alles, was Face-to-Face, das heisst gemeinsam und am gleichen Ort stattfindet (sog. Ko-Präsenz). Mit Kollaboration ist die direkte, zeitgleiche und sich beeinflussende tätige Auseinandersetzung zur Lösung einer Aufgabe gemeint (verkürzte Definition; ausführlicher Stoller-Schai 2003).
These
Je digitaler die Arbeitswelt, desto grösser das Bedürfnis nach analoger Begegnung. Die einfache Möglichkeit zur Vernetzung und der eher „lockere“ Umgang im digitalen Bereich, färben auch auf den analogen Bereich ab und machen es einfacher, Face-to-Face aufeinander zuzugehen und neue Beziehungen zu knüpfen.
Da digital mittlerweile praktische jede Form von Wissensinhalt vermittelt werden kann, fällt die Legimitation zur Wissensvermittlung im analogen Bereich weg. Dies zeigt sich daran, dass sich klassische Hörsäle leeren und Studierende gerne zu Hause die Vorlesungen als Recording oder Videoaufzeichnung anschauen und sich nur für Gruppenübungen, Teamarbeit oder andere präsenzorientierte Aktivitäten an den Hochschulen treffen.
Digitales Lernen ermöglicht komplett neue Lernszenarien und verändert damit auch radikal das Rollenverständnis von Lehrenden und Lernenden. Der Zugriff auf Wissensquellen, der früher weitgehend den Lehrenden vorbehalten war, steht nun allen zur Verfügung. Lehrende haben damit die Oberhoheit über Wissensressourcen verloren. Sie legitimieren sich dadurch, dass sie
- über Kontextwissen und Einordnungskompetenzen verfügen,
- Zusammenhänge kennen,
- Qualität beurteilen und
- didaktisch-methodisch Lernprozesse gestalten können.
Lehrende (damit sind Lehrer*innen, Dozierende, Trainer*innen und Personalentwickler*innen etc. gemeint) müssen sich die Kompetenz aneignen, im digitalen Bereich Wissen zu vermitteln oder Wissensaneignung zu moderieren und zu begleiten und im analogen Bereich neue kopräsente Lernformen anzuleiten, zu initiieren und zu unterstützen. In diesem Sinne ergänzen sich digitale Wissensvermittlung und analoge Kollaboration.
2. Das Digitale befreit das Analoge aus seinem Vermittlungskorsett.
Um es noch pointierter auszudrücken: Das digitale Onlinelernen befreit das analoge Präsenzlernen aus seinem Vermittlungskorsett. Die analoge Begegnung muss nicht mehr für klassische Wissensvermittlung verwendet werden. Auf diese Weise kann sich das eigentliche Potenzial der analogen Begegnung neu entfalten. Menschen können direkt und intensiv miteinander kommunizieren, sich koordinieren und kollaborieren und so Wissen vertiefen und anwenden. Trainer*innen, Expert*innen und Dozierende können sich der Aufgabe widmen, solche Lernprozesse zu begleiten, Wissenslücken zu schliessen und bei der Umsetzung von Aufgaben zu helfen. Der Seminarraum von früher mit seinem Fokus auf Wissensvermittlung wird so zum Diskursort für gemeinsames Lernen und kann auch anders gestaltet werden: Tischreihen und Frontalausrichtung verschwinden, stattdessen gibt es OpenSpace-Flächen und «Huddle-Rooms».
Vielleicht kehren wird damit wieder etwas in die «Schule von Athen» zurück, in der Lernen in Form von Debatten und Gesprächen stattfand, nur dass heute alle Geschlechter vertreten sind und die Rolle der Expert*innen nicht mehr so klar zuweisbar ist, wie auf dem Bild von Raffael. Je nach Situation, Kompetenzenprofil und Aufgabe kann die Rolle von Lernenden und Lehrenden schnell variieren. Wer eben noch für eine Aufgabe oder ein Themengebiet in der Rolle «Lehrende» war, wechselt bei einer anderen Aufgabe oder einem anderen Themengebiet in das Rollenprofil der «Lernenden».
Fazit
Die neuen Möglichkeiten der Wissensvermittlung im digitalen Bereich führen dazu, dass im analogen Bereich der freie Diskurs, die Debatte, die Reflexion und die direkte, zeitgleiche und sich beeinflussende tätige Auseinandersetzung zur Lösung einer Aufgabe wieder im Vordergrund stehen.
3. Das Analoge braucht neue Interaktions- und Kollaborationsformen.
Wenn der analoge Bereich aus seinem Vermittlungskorsett befreit wird, dann braucht er auch neue Formen, durch die das volle analoge Potenzial der direkten Begegnung ausgeschöpft werden kann. Es haben sich in den letzten Jahren einige neue Interaktions- und Kollaborationsformen entwickelt, die diesen Anspruch einzulösen versuchen. Eine kleine Auswahl davon wird nachfolgend vorgestellt und mit persönlichen Notizen und einem kleinen Ressourcenbereich für die weitere Vertiefung ergänzt.
3.1 BarCamps
BarCamps oder auch Unkonferenzen sind Konferenzen, in denen die Teilnehmer*innen zu sog. Teilgeber*innen werden. Zu Beginn eines ein- oder mehrtätigen BarCamps sind alle Teilnehmenden eingeladen, eigene Beiträge vorzustellen, die sie gerne als «Session» ins BarCamp-Programm aufnehmen lassen möchten. In einer kurzen Werbevorstellung wird das Thema oder die Fragestellung vorgestellt und das Publikum stimmt darüber ab, ob der Beitrag ins Programm aufgenommen werden soll. Ist dies der Fall, kommt er auf das sog. «Session-Grid» und erhält einen Raum für die Durchführung und ein Zeitfenster im Tagesablauf. Wenn das Publikum jedoch dagegen entscheidet, wird der Beitrag nicht aufgenommen.
Das bekannteste grosse BarCamp in Deutschland wird von der Corporate Learning Community organsiert und findet unterdessen mehrmals pro Jahr statt – immer dort, wo sich eine Hochschule als Gastgeberin anbietet und die Räume und zum Teil auch andere Dienstleistungen zur Verfügung stellt und sponsert.
Persönliche Notiz
Ich war im September 2019 am Corporate Learning Camp an der Hochschule Koblenz. 300 Personen aus dem DACH-Raum erstellten in gut einer Stunde ein Session-Grid mit über 100 Sessions, die laufend in einem Google-Doc-Dokument ergänzt und dokumentiert wurden. Alle waren sowohl Expert*innen als auch Lernende, was einen vielfältigen Wissensaustausch und Vernetzungsmöglichkeiten garantierte. BarCamps sind für mich damit eine sehr produktive Form, wie gemeinsames Lernen im analogen Bereich umgesetzt werden kann.
Weiterführende Ressourcen:
- Definition BarCamp: https://de.wikipedia.org/wiki/Barcamp
- Webseite der Corporate Learning Community: https://colearn.de
- Informationen zum BarCamp in Koblenz: https://colearn.de/fakten-zum-clc19ko/
- Dokumentation zum BarCamp in Koblenz: https://colearn.de/clc19ko/.
Literatur:
- Muuß-Merholz, Jöran: Barcamps & Co.: Peer to Peer-Methoden für Fortbildungen. Beltz 2019.
- Knoll, Thorsten: Veranstaltungsformate im Vergleich: Entscheidungshilfen zum passgenauen Event. Springer Gabler (essentials) 2018.
3.2 Liberating Structures
Liberating Structures sind neben Working-out-Loud von John Stepper eine weitere Möglichkeit, im analogen Bereich Menschen sehr schnell miteinander in einen produktiven Austausch zu bringen und das Gruppenpotenzial zu entfalten. Auf der deutschen Webseite steht dazu:
«Liberating Structures sind (aktuell) 33 Mikrostrukturen, die von Keith McCandless und Henri Lipmanowicz zusammengetragen wurden. (…) Dieser alternative Ansatz ist einerseits praktisch und andererseits durchführbar, da die Liberating Structures ziemlich einfach und leicht zu lernen sind. Sie können von jedem genutzt werden, von der Unternehmensführung bis zur Belegschaft. Lange Trainings oder besondere Talente sind nicht erforderlich. Die Beherrschung ist lediglich eine Frage der Übung. Die Liberating Structures führen in der Regel zu einer enormen Steigerung der Beteiligung und decken bisher verborgene Innovationen auf.» (https://www.liberatingstructures.de, 2019)
Persönliche Notiz
Mir gefällt der Begriff «Liberating Structures» (befreiende Strukturen). Er lebt vom Gegensatzpaar «Freiheit» und «Struktur», was per se irritieren kann, aber in sich eine spannende Dialektik enthält: Strukturen können die freie, überraschende und anarchische Begegnung zwischen Menschen fördern und unterstützen und müssen sie nicht behindern.
Ich war im Juli 2019 in Hamburg bei Holisticon AG am ersten „European Learning Gathering“ zu Liberating Structures. Ich konnte konkret miterleben, wie die verschiedenen Mikrostrukturen in zwei Tagen aus einer Gruppe von Individuen aus ganz Europa eine Community bildeten, die zu verschiedenen Themen sehr intensiv, persönlich und nachhaltig zusammenarbeitete. Theoretisches Wissen musste nicht vermittelt werden; das Wissen zu den Konferenzthemen wurde von den Teilnehmenden selber eingebracht und miteinander ausgetauscht.
Weiterführende Ressourcen:
- Liberating Structures: US-Webseite: http://www.liberatingstructures.com
- Liberating Structures: DE-Webseite: http://www.liberatingstructures.de
- Liberating Structures: App: https://liberatingstructures.app
Literatur:
- Lipmanowicz, Henri / McCandless, Keith: The Surprising Power of Liberating Structures: Simple Rules to Unleash A Culture of Innovation. Liberating Structures Press 2014.
- Steinhöfer, Daniel / Weinert, Christian: Liberating Structures: Entscheidungsfindung revolutionieren. Vahlen 2019.
3.3 Design Thinking
Design Thinking hat in der Methodenlandschaft eine beispiellose Karriere hinter sich. Design Thinking wird in vielen Workshops, Seminaren und der Produkteentwicklung eingesetzt. Gemäss Webseite der HPI-Academy (Initiator der Design-Thinking-Methode) ist Design Thinking „… ein systematischer, menschenorientierter Ansatz zur Lösung komplexer Probleme in allen Lebensbereichen. Der Ansatz geht weit über traditionelle Aspekte wie Form und Layout hinaus. Und im Gegensatz zu traditionellen naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Ansätzen, die eine Aufgabe aus der Sicht der technischen Lösbarkeit angehen, stehen die Bedürfnisse und Anforderungen der Anwender sowie die anwenderorientierte Erfindung im Mittelpunkt des Prozesses.
Dieser Ansatz erfordert ein kontinuierliches Feedback zwischen dem Entwickler einer Lösung und den Zielbenutzern. Design Thinker treten in die Fußstapfen der Endverbraucher und befragen sie nicht nur, sondern beobachten auch sorgfältig ihr Verhalten. Lösungen und Ideen werden so früh wie möglich in Form von Prototypen konkretisiert und kommuniziert, so dass potenzielle Anwender sie testen und Feedback geben können – lange vor dem Abschluss oder dem Launch. Auf diese Weise generiert Design Thinking praktische Ergebnisse.“ (https://hpi-academy.de/en/design-thinking/what-is-design-thinking.html, 2019).
Persönliche Notiz
Im Juni 2019 führte ich mit der Pädagogischen Hochschule Zürich und dem Volksschulamt des Kantons Zürich im «Makerspace» der Firma Witzig AG in Zürich einen Design Thinking Workshop zum Thema «Schule 2025» durch. Dabei wurden die verschiedenen Phasen (Understand – Observe – Point of View – Ideate – Prototype – Test) durchlaufen. In der Prototype-Phase entstanden verschiedene Modelle von neuen Schulformen und Lehr-Lern-Konzepten. In kurzer Zeit konnten so Ideen generiert werden, die in klassischen Meetings so wohl kaum entstanden wären. Wichtig dabei waren auch die Atmosphäre des «Makerspaces», die vielfältigen Materialien und die Arbeit in heterogen zusammengesetzten Gruppen.
Weiterführende Ressourcen:
- Definition: https://en.wikipedia.org/wiki/Design_thinking
- Artikel Harvard Business Review 2018: https://hbr.org/2018/09/why-design-thinking-works
Literatur:
- Lewrick, Michael | Link, Patrick | Leifer Larry: Das Design Thinking Playbook: Mit traditionellen, aktuellen und zukünftigen Erfolgsfaktoren. Vahlen 2018.
Lego® Serious Play®
Die Bausteine aus Plastik haben sich in beeindruckende Richtungen entwickelt und sind heute nicht nur ein Spielzeug für Kinder, sondern ermöglichen auch komplexeste Bauwerke für Jugendliche und Erwachsene, spielen in der Robotik eine Rolle und sind selbst im Management angekommen. Die Lego® Serious Play® Methode kommt dem Bedürfnis nach spielerischem Arbeiten entgegen. «Die LEGO® SERIOUS PLAY® Methodik basiert auf einem Prozess, der aus dem Herzen der LEGO Elemente und dem LEGO Bausystem stammt. Auf der Suche nach einem Werkzeug, um Phantasie und Innovation innerhalb des Unternehmens zu fördern, erkannte die LEGO Group, dass eine Lösung im LEGO® System in Play selbst gefunden werden könnte: So wie die LEGO Group seit Jahrzehnten Kinder dazu inspiriert hatte, ihre Träume zu verwirklichen, so konnten vielleicht Erwachsene gebeten werden, ihre Visionen für die zukünftige Strategie zu entwickeln. (…) Die Idee der LEGO® SERIOUS PLAY® Methodik entstand 1996, als die beiden Professoren Johan Roos und Bart Victor von IMD in der Schweiz und Kjeld Kirk Kristiansen, CEO und Inhaber der LEGO Gruppe, alternative strategische Planungsinstrumente und -systeme erforschten. Sie entwickelten ein Verständnis für den Wert der Mitarbeiter und das Konzept einer sich weiterentwickelnden, adaptiven Strategie, die die Verwendung von LEGO-Elementen als dreidimensionale Modelle von Geschäftsproblemen und Herausforderungen beinhaltete. Die Strategie erhielt den Namen LEGO® SERIOUS PLAY®. Gemeinsam gründeten sie ein Unternehmen namens Executive Discovery Ltd., das die LEGO® SERIOUS PLAY® Methodik entwickelte und einführte.» (https://www.lego.com/de-de/seriousplay/)
Persönliche Notiz
«Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt», sagte Schiller. Dieser Satz fühlt sich intuitiv richtig an und das Interesse an Gamification, Spielkarten, Storytelling, Escape Rooms etc. zeigt, wie mannigfaltig sich Spielen, Lernen und Arbeiten verbinden lassen. Lego® Serious Play® (LSP) knüpft an positive Kindheitserfahrungen an. Alles, was haptisch und mit einer Methode unterlegt ist, eignet sich für kreative Gruppenprozesse. LSP verfügt über beides und kann darum universell eingesetzt werden. Seit Dezember 2019 befasse ich mich intensiv mit dem Ansatz und werde 2020 entsprechende Facilitator-Trainings besuchen, um mein Methodenrepertoire zu erweitern.
Weiterführende Ressourcen:
- Lego® Serious Play® Webseite: https://www.lego.com/de-de/seriousplay/
- Ausbildung, z.B.: https://seriousplaypro.com/events/ | https://www.serious.global/book/buchen/ | https://seriousplay.training
Literatur:
- Open-source. Introduction to Lego Serious Play. Lego, June 2010. (es braucht eine Registrierung bei SeriousPlayPro, um das Dokument herunterzuladen)
3.5 Visual Tools
Es gibt eine Reihe von Visual Tools, die kollaboratives Lernen und Arbeiten im analogen Bereich unterstützen. Ein Beispiel davon sei hier vorgestellt. «Meet with Impact“ ist ein Buch von Tom Russell der Firma «The Facilitation Leadership»: «Tom Russell führt uns zu einem tieferen praktischen Verständnis dafür, wie wir das Engagement der Teilnehmer verbessern und die Produktivität steigern können. Das Buch, das von Ellie Chapman von Inky Thinking durchgehend illustriert wird, stellt 40 visuelle Werkzeuge vor, die sofort in Ihren Meetings verwendet werden können, sowie das einzigartige Meet with Impact Planner, das Ihnen hilft, den richtigen Ansatz zu finden.» (www.thefacilitationpartnership.com)
Persönliche Notiz
Visualisierungen helfen immer bei kollaborativen Tätigkeiten. Es braucht dazu zwei Kompetenzen. Die eine umfasst das Selberzeichnen und Festhalten von Workshop-ergebnissen (z.B. Sketching, Visual Recording et.c), die andere, das gemeinsame Arbeiten mit visuellen Tools und Modellen (z.B. Business Model Canvas, Meet with Impact etc.). Man schafft in beiden Fällen einen sichtbaren Referenzrahmen, auf dem man Themen positionieren und zueinander in Beziehung setzen kann.
Weiterführende Ressourcen:
- Webseite: http://www.thefacilitationpartnership.com
- Webseite: http://www.inkythinking.com
Literatur
- Russell, Tom: Meet with Impact. 40 visual tools for productive meetings and engaging workshops. Pearson Business 2019.
3.6 Eigenland®
Eigenland® ist eine Gruppenspielmethode für gemeinsames schnelles Entscheiden und fundiertes Diskutieren von Thesen. Die Thesen werden vorgängig erstellt oder aus einem Thesenpool übernommen und dann These für These individuell bewertet. Die Bewertungsergebnisse werden in einer App erfasst und können dann als Diagramme und Grafiken ausgedruckt und verteilt werden. Das intuitive Wissen und die Haltungen in einem Team werden so sichtbar gemacht. Auf dieser Basis finden dann fundierte Diskussionen statt und bilden den Ausgangspunkt für gemeinsame Entscheidungen, Massnahmen usw. In Ergänzung mit anderen Methoden, die vor oder nach einem Eigenland®-Workshop stattfinden, können unterschiedlichste Themen sichtbar und damit bearbeitbar gemacht werden.
Persönliche Notiz
Im Juli 2019 war ich in Haltern am See bei Eigenland® GmbH und liess mich zum Eigenland®-Berater zertifizieren. Die Methode hat mich sofort überzeugt und begeistert. Selbst mit gänzlich unbekannten Menschen kommt man schnell in tiefe Diskussionen und kann sich auf das Datenmaterial abstützen, das während der Bewertungsphase systematisch erfasst wurde. Dieses wird visualisiert, ausgedruckt und steht allen Teilnehmenden zur Verfügung. Der Mix aus Gamification, Hirn- und Intuitionsforschung und Multisensorik ermöglicht es, eine Gruppe von Menschen auf unterschiedlichen Ebenen anzusprechen.
Weiterführenden Ressourcen:
- Webseite: https://www.eigenland.de/de
Literatur:
- Die Entdeckung von Eigenland®, der Film: https://vimeo.com/190078640
- Beispiele für BestPractices: https://www.eigenland.de/de/idee#best-practices
3.7 CollaBoard
CollaBoard ist eine Software für kollaboratives Arbeiten an Smartboards oder anderen interaktiven Boards sowohl analog am gleichen Ort und zur gleichen Zeit oder digital an verteilten Orten und zur gleichen Zeit. «Teamwork war noch nie einfacher. In nur einer App können Sie auf all Ihre Dokumente zugreifen, in Echtzeit zusammenarbeiten und an kreativen Projekten arbeiten. Dank intuitiver Benutzeroberfläche adaptieren Leute die neue Technologie schnell, interagieren effizient und haben gleichzeitig noch Spass. CollaBoard ist eine All-in-One-Lösung, die auf allen Windows 10 Geräten funktioniert.» (https://ibvsolutions.com/en/collaboard-en/)
Persönliche Notiz
Ich konnte Michael Görög, den COO von IBV Solutions, im November 2019 kennenlernen. Er zeigte mir, wie einfach und intuitiv an verschiedenen Boards mit der CollaBoard-Software gearbeitet werden kann. Wer für Jahre ein SmartBoard in seinem Klassenzimmer oder Seminarraum hatte und wenig damit anzufangen wusste, sollte es nochmals mit CollaBoard versuchen. Es ist ähnlich wie eine WebConferencing-Session (auch dort kann man schreiben, zeichnen, Dokumente teilen) und doch ganz anders. Das Board steht im Raum, man steht darum herum, ist verbunden mit anderen Teams an anderen Standorten und kann so sehr effizient Themen, Sprints, Ideen oder digitale Dokumente bearbeiten.
Weiterführende Ressourcen:
- CollaBoard: Die App http://collaboard.app
- Partnerseite Microsoft: https://www.microsoft.com/en-us/p/collaboard/
- Webseite IBV, Schweiz: https://ibvsolutions.com/en/collaboard-en/
Literatur:
- Blogposts zum Hashtag #CollaBoard: https://ibvsolutions.com/en/tag/collaboard/
3.8 AlpenSalon
Gemeinsames Lernen und Arbeiten kann auch ausserhalb geschlossener Räume und in Bewegung stattfinden. Die Diskussion mit anderen und das wechselseitige Elaborieren von neuen Ideen und Konzepten in der Natur und während einer Wanderung ist eine unterschätzte Lernmethode. Die Bewegung des Körpers bewegt auch den Geist. Die verschiedenen Eindrücke, Begegnungen und Landschaften erweitern den Horizont und ersetzen Vorurteile durch erlebte Erfahrung. Gehen entschleunigt und ist oft auch ein «Digital Detox Programm». Wenn in entlegenen Gebieten kein Sendeempfang besteht, bleibt nur das Gespräch mit sich selber und mit anderen.
Persönliche Notiz
Prof. Dr. Andrea Back von der Universität St. Gallen hat vor einigen Jahren die Idee eines «AlpenSalons» entwickelt. Die Tradition der Salon- und Kaminfeuergespräche sollte wieder aufgenommen werden, aber nicht in bequemen Sessseln und vor dem warmen Feuer, sondern draussen in der Natur, in den Bergen, bei Wind und Wetter. In den letzten Jahren lud sie immer wieder Freunde, Doktoranden und sonstige Expert*innen in die Schweiz zu Wanderungen im «Alpstein» (Ostschweizer Bergmassiv) ein. Während einem Wochenende haben sich so ganz unterschiedliche Personen kennengelernt und sich befreundet. Daraus sind viele Initiativen und Projekte entstanden.
Ich war selber einige Male dabei und habe dabei Jochen Robes, Anja C. Wagner, Joachim Niemeyer, Ellen Trude, Barbara Josef, Lore Ress, Martin Lindner, Thomas Glatt, Sandra Schön und Martin Ebner kennengelernt.
Weiterführende Ressourcen:
- Twitter: Hashtag #alpensalon (Tweets nur zum Teil von uns)
Literatur:
- Moser, Achill: Zu Fuß hält die Seele Schritt: Gehen als Lebenskunst und Abenteuer. dtv Verlagsgesellschaft 2018.
- Freundlinger, Eduard: Wie ich vom Weg abkam, um nicht auf der Strecke zu bleiben: Meine Pilgerreise. Allitera Verlag 2016.
4. Lernen der Zukunft ist immer digital und analog
Vielleicht können wir den Begriff «Blended Learning» getrost ad acta legen, da in Zukunft alles Lernen im digitalen wie auch im analogen Bereich stattfinden wird. Neu geht es darum, dass die Stärken der beiden Bereiche berücksich-tigt und miteinander in neuen Lernsettings didaktisch kreativ kombiniert werden, damit Lernen so stattfinden kann, dass Lernende selbstbestimmt, selbstständig, motiviert und nachhaltig lernen können. In diesem Artikel wurde der Fokus auf analoges Lernen gelegt. Einige Aspekte konnte beleuchtet werden und anhand einer subjektiv zusammengestellten Liste von Methoden, Tools und Ideen illustriert werden. Wenn das Digitale das Analoge aus seinem Vermittlungskorsett befreit, sind plötzlich ganz neue Lernformen möglich. Im präsenzorientierten Lernen steckt unglaublich viel Potenzial, wenn nicht mehr die Wissensvermittlung im Vordergrund steht. Zudem helfen dichte Beziehungen, engagierte Diskussionen und ergebnisorientierte Teamarbeiten im analogen Bereich auch der Fortsetzung der Lernprozesse im digitalen Bereich.
Für Lernprofis und Personalentwickler*innen bedeutet dies folgendes:
Kenne deine digitalen Tools und Features
Digitale Lerntools und -systeme bieten immer mehr Möglichkeiten, um Lernprozesse zu individualisieren, Lernspuren sichtbar zu machen und Lernpfade adaptiv anzulegen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Lernbots sowie Virtual und Augmented Reality eröffnet neue Formen des Lernens. Lernprofis und Personalentwickler*innen müssen diese Entwicklungen fundiert kennen, damit deren Potenzial genutzt werden kann.
Kenne deine analogen Tools und Methoden
Wie im digitalen Bereich tut sich auch im analogen Bereich einiges. In diesem Artikel konnten einige Ansätze und Methoden vorgestellt werden. Lernprofis und Personalentwickler*innen müssen ihr altes Methodenrepertoire reduzieren und mit neuen Methoden erweitern.
Übe dich in Selbstanwendung
Sowohl digitale Tools und Features als auch analoge Tools und Methoden können nur virtuos eingesetzt werden, wenn man sie selber kennt und erfahren hat. In diesem Sinne ist die ganz praktische Selbstanwendung die wichtigste Lernmethode für Lernprofis und Personalentwickler*innen.
Setze dich neuen Lernprozessen aus
Wir müssen selber gute Selbstlerner*innen sein. Lernprofis und Personalentwickler*innen sollen sich darum jedes Jahr echten und neuen Lernprozessen aussetzen und sich neue Lernziele vornehmen, die sie aus der persönlichen Komfortzone bringen. Nur so vergisst man nie, was Lernen wirklich bedeutet und hat damit auch ein besseres Verständnis für diejenigen, für die man neue Lernangebote konzipiert und moderne Lernsysteme implementiert.
Der Autor:
Daniel Stoller-Schai, Dr. oec. HSG
ist ein versierter Digital Collaboration & Learning Experte und Geschäftsführer der Collaboration Design GmbH. Daniel Stoller-Schai ist durch seine mehrjährige Praxis davon überzeugt, dass Kollaboration der Schlüssel zum Erfolg in Netzwerkorganisationen ist. Die Strategien, Methoden und Kompetenzen dazu entwickelt er als Change Companion zusammen mit seinen Kunden. Als Manager für digitale Lern- und Arbeitstechnologien hat er bei Phonak, UBS, CREALOGIX sowie in weiteren Firmen und Startups Kundenprojekte umgesetzt und Erfahrungen mit dem globalen Einsatz internetgestützter Lern- und Arbeitsprojekten gesammelt. Diese Erfahrungen gibt er auch als Programmleiter am Institut für Kommunikation & Führung, Luzern (CAS Arbeit 4.0) und als Head Advisory Board der LEARNING INNOVATION Conference weiter.
Kontakt:
Daniel Stoller-Schai
Change Companion | Founder
Collaboration Design GmbH
www.collaboration-design.ch
daniel.stoller-schai@collaboration-design.ch