AR im Einsatz für bessere Testresultate der Mitarbeiter
Von der Theorie zur Praxis
Wer nach praktischen Vermittlungsmöglichkeiten in der betrieblichen Bildung sucht, kann gerade auch bei vergleichsweise neuer Technologie wie Augmented Reality fündig werden. Das zeigt das vorliegende Projekt einer der größten Frachtfluggesellschaften der Welt eindrucksvoll auf, welche dieses zunächst testweise eingesetzt hat und voraussichtlich in den Regelbetrieb überführen wird.
Die Lufthansa ist als den Passagierzahlen nach größtes Luftverkehrsunternehmen Europas weithin bekannt. Ebenfalls ein Global Player ist die Tochtergesellschaft Lufthansa Cargo AG, welche den Tonnenkilometern nach gemessen zu den größten 10 Frachtfluggesellschaften der Welt gehört und über 4500 Mitarbeiter beschäftigt. Dass unter diesen Bedingungen betriebliche Qualifizierungskonzepte eine wichtige Rolle spielen, erklärt sich dabei für das Unternehmen mit Sitz in Frankfurt am Main von selbst.
Lernbedarfe
Training und Arbeitsrealität unterscheiden sich beim Cargo Handling erheblich. Das liegt daran, dass die Trainingsorte- und Objekte in dieser Branche teilweise nur schwer zugänglich und nutzbar sind (Lager & Luftfracht). Im Bereich der physischen Frachtabfertigung sind Mitarbeiter mit „klassischen“ Lehrgangssituationen oft überfordert und treten weitgehend ohne praktische Erfahrung in die Berufswelt ein. Lageristen müssen eine Eignungsprüfung bestehen, um einsatzbereit zu sein. Im von 2014 bis 2018 mehrjährig erfassten Durchschnitt bestehen derzeit 30 % der Teilnehmer den Test nicht.
Die Training Academy sieht deshalb Handlungsbedarf gegeben und setzt hierbei bei einer Pilotgruppe von auszubildenden Lageristen an, die mittels Augmented Reality praxisnäher als bisher geschult werden sollen. Dabei soll die Erfolgsquote beim Abschluss der Prüfung um 15 % gesteigert werden.
Projektverlauf
Die Lufthansa holte für die technische Realisierung des Projekts den Dienstleister 3spin GmbH & Co. KG an Bord. Zudem wählte sie gezielt über einen längeren Zeitraum mehrere Test-Gruppen aus, die das Training in Ergänzung zum regulären Lehrplan ausprobieren durften. Die Trainer erhielten zuvor eine umfangreiche Schulung. Dadurch, dass es sich um ein synchrones Gruppentraining handelt, war eine Einbeziehung der Lerngruppen sehr einfach möglich, da ein permanenter Austausch möglich war. Darüber hinaus gewährt die Augmented Reality Technologie einen sanften Einstieg, da der Nutzer nicht sofort in eine fremde Welt „abtaucht“, sondern zudem nach wie vor seine normale Umwelt und seine Mitmenschen wahrnimmt. Der Rollout des Prototyps erfolgte über die Einbindung in ausgewählte Termine des regulären Klassenraum-Trainings. Eine Promotion war nicht notwendig. Der Lernerfolg wird durch einen hohen Praxisanteil sichergestellt, der bisher ohne Augmented Reality im Klassenraum nicht im gleichem Ausmaß möglich war.
Im Rahmen des Lufthansa „Innovation Fund“, der 2019 bereits Mittel für die Pilotphase bewilligte, soll im Jahr 2020 die Ausweitung des Trainings vorgenommen werden, um es mittelfristig in den Dauerbetrieb zu überführen. Dafür wurden bereits inhaltliche Erweiterungen angedacht, darunter Varianten bei Verzurrung und zu verzurrenden Objekten. Der Erfolg des Pilotprojektes kann darüber hinaus zu einer generell höheren Akzeptanz weiterer digitaler Projekte führen und hat für Lufthansa demnach eine wichtige Bedeutung inne.
Projektergebnis
Seit 2019 setzt Lufthansa Cargo im Rahmen eines Pilotprojektes ein Augmented bzw. Mixed Reality Warehouse-Training ein. Dabei erhält eine Lerngruppe mit jeweils sechs Personen im Rahmen des Klassenraum-Trainings Microsoft HoloLens Brillen. Mit Hilfe der Mixed Reality-Brillen wird ein interaktives Hologramm einer Palette und eines Fahrzeuges in den Klassenraum projiziert. Geführt durch den Trainer, können die Lernenden so gemeinsam virtuell eine Fahrzeug-Verzurrung vornehmen, sich gegenseitig sehen und zur Tätigkeit austauschen.
Die bisherige Resonanz ist gemäß Lufthansa überragend und der Erfolg messbar. Die Nutzung von AR-Brillen und die grundsätzlich andere Art der Lehrstoffvermittlung würde gerade auch von Mitarbeitern, die sich häufig eher als „Opfer“ der Digitalisierung sehen, extrem positiv wahrgenommen, da sie damit den „Digitalisierungsnutzen“ unmittelbar selbst erfahren.
Die bisherigen Pilotlehrgänge in diesem Jahr wurden im Rahmen des Masterstudiengangs „Erziehungswissenschaft“ an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz wissenschaftlich begleitet, um durch Messungen den Lernerfolg im Vergleich zu herkömmlichen Schulungsverfahren zu evaluieren. Anhand von Beobachtung und Erfassung umfangreicher Fragebögen wurden Daten erhoben, die derzeit ausgewertet werden und bereits zeigen, dass die Quote des Nichtbestehens der Prüfung signifikant von zuletzt 36 % auf 7 % verringert wurde.
Zukünftig sollen etwa 500 Teilnehmer jährlich den Kurs mittels Augmented Reality absolvieren. Mit Hilfe von Augmented Reality können sich die Lernenden in einem sicheren Umfeld mit der physischen Tätigkeit vertraut machen.
Fazit
„Die Teilnehmer lernen derzeit mit Papier, Bildern und Videos, aber die körperliche Übung wird nicht einbezogen. Wir können aktuell physisch nicht alles, was wir laden, ins Klassenzimmer bringen. Auch die Anreise in das Lager, in dem sich ein Auto zur Verzurrung befindet, ist in den meisten Fällen nicht möglich. Ich sehe zwei wesentliche Vorteile beim Einsatz der AR-Technologie. Der eine ist, die Ladung ins Klassenzimmer zu bringen, was sonst nie möglich ist. Und der zweite ist: Es gibt eine höhere Merkfähigkeit, wenn die Teilnehmer im Training körperlich aktiv werden können“, sagt Brian Parzer, Warehouse and Operations Training Manager der Lufthansa Cargo AG.
Aus Sicht der Jury des eLearning Journals wurde das Projekt professionell durchgeführt und zudem durch die Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz evaluiert. Aufgrund der erfolgreichen Umsetzung verleiht sie den eLearning AWARD 2020 in der Kategorie „Augmented Reality“ an die Lufthansa Cargo AG und 3spin GmbH & Co. KG.
Vorgaben & Besonderheiten
Vorgaben:
Mitarbeiter der Lufthansa Lageristik sollen in einem Pilotprojekt praxisnäher per AR geschult werden, um besser für ihre spätere praktische Tätigkeit im Bereich Luftfracht aufgestellt zu sein. Zugleich sollen die Durchfallquoten der Abschlussprüfungen signifikant gesenkt werden.
Besonderheiten:
Die Bildungsmaßnahme wurde an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz wissenschaftlich begleitet und evaluiert.
Projektverantwortliche
Lufthansa Cargo AG
Brian Parzer
Training Manager
Lufthansa Cargo AG – Training Academy
Lufthansaring 1
D-64342 Seeheim-Jugenheim
brian.parzer@dlh.de
www.lufthansa-cargo.com
3spin GmbH & Co. KG
Thomas Hoger
Co-Inhaber
3spin GmbH & Co. KG
Heinrich-Hertz-Straße 6
D-64295 Darmstadt
thomas.hoger@3spin.de
www.3spin.de