Digitale Schulung sorgt für „Demenzfreundliche Dienststellen“
Der Polizist als Freund und Helfer wird alterssensibler

130.000 Österreicher leiden an Demenz. In 20 Jahren wahrscheinlich bereits doppelt so viele – davon gehen wissenschaftliche Analysen aus. Die WHO weist ausdrücklich auf den weltweiten Handlungsbedarf hin, der sich auf alle gesellschaftlichen Ebenen erstreckt, sodass Menschen mit Demenz am öffentlichen Leben teilnehmen können. Doch wie kann die Polizei hier unterstützen?

Polizisten als professionelle Gruppe im öffentlichen Raum sind hier stark gefordert: Sie sind für Menschen mit Demenz und deren Angehörigen in Krisensituationen oft der erste Ansprechpartner. Arbeiten, die hier für Polizisten aufgrund des Verhaltens und Auftretens dementer Menschen anfallen, sind beispielsweise das Suchen von Vermissten, aber auch das Aufklären von Diebstählen oder Verkehrsunfällen.

Um auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz reagieren zu können, bedarf es spezieller Schulungen und Maßnahmen. Aus diesem Grund wurde von der Sicherheitsakademie des österreichischen Innenministeriums das Projekt „Einsatz Demenz“ in Kooperation mit der Donau-Universität Krems und der MAS Alzheimerhilfe in Angriff genommen. Finanziell unterstützt wurde das Projekt vom Fonds Gesundes Österreich sowie der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter.

Lernbedarfe

Um den Polizistinnen und Polizisten Handlungssicherheit im Umgang mit Menschen mit Demenz und deren An- und Zugehörigen zu vermitteln, sollte ein Online-Training für die Berufsgruppe Exekutive entstehen. Denn eine Befragung unter den Polizisten ergab, dass diese sich für eLearning aussprechen, da sie so das Lernen flexibel in ihre Arbeitstätigkeit einweben können.

Sinn und Zweck der Bildungsmaßnahme ist vordergründig, dass Polizisten im Alltag erkennen, wann sie es mit einer Person zu tun haben, die dement ist, sodass sie ihre Amtshandlungen davon ausgehend kompetent, rechtlich korrekt und entsprechend einfühlsam ausführen können. Hintergründig strebt das Innenministerium an, das Thema Demenz auf diesem Wege weiter zu enttabuisieren und Demenzkranke stärker als bisher in die Mitte der Gesellschaft zu holen.

Außerdem soll eine Vernetzung der Polizeidienststellen zu relevanten lokalen Akteuren wie Altersheimen und Hilfsorganisationen vor Ort intensiviert werden.

Projektverlauf

Um den Belangen aller für das Projekt relevanten Gruppen gerecht zu werden, wurden Fokusgruppen gebildet, welche sich aus Menschen mit Demenz, Angehörigen und Polizisten zusammensetzen. Ihre Anregungen wurden in die inhaltliche Konzeption des Online-Trainings einbezogen. Um eine ausreichend theoretische Fundierung der Lerneinheiten sicherzustellen, wurde auf die Zusammenarbeit mit der Professorin für Demenzstudien Dr. Stefanie Auer gesetzt.

Der Rollout wurde in mehreren Phasen durchgeführt. Zuerst wurden das Online-Training in den Fokusgruppen präsentiert und von dortiger Seite evaluiert, danach wurden die Lern-einheiten für die Zielgruppe freigeschaltet und promotet.

Projektergebnis

Das entstandene Online-Training steht im LMS sowohl der Exekutive als auch der Verwaltung zur Verfügung. Die Schulung besteht aus 3 Modulen, die im Schnitt jeweils etwa 15-20 Minuten Lernzeit in Anspruch nehmen

Im ersten Modul „Grundlagen“ geht es um den Erwerb von Basiswissen zum Thema Demenz. Das zweite Modul „Sicherheit durch Kompetenz“, zeigt illustrierte Fallbeispiele aus dem Alltag von Menschen mit Demenz auf und nimmt dabei auch auf echte Amtshandlungen von Polizisten Bezug. Immer wieder wird der Lerner gefragt, wie er in bestimmten Situationen reagieren würde. So soll Handlungssicherheit gewonnen werden.

Das dritte Modul widmet sich dezidiert der Empathie und nennt sich „Menschen mit Demenz verstehen“, hier müssen schließlich Sequenzen aus dem Film „Honig im Kopf“ von den Lerner analysiert werden. Abschließend erfolgt für den Lerner ein Wissenstest. Schafft er es hier, 75 % aller Fragen richtig zu beantworten, so erhält er eine Erfolgsbestätigung.

Um eine stärkere Vernetzung der Polizeidienststellen mit sozialen Einrichtungen zu erreichen, wurde zusätzlich das Prädikat „Demenzfreundliche Dienststelle“ ins Leben gerufen. Diese Auszeichnung bescheinigt einzelnen Polizeidienststellen Kompetenz im Umgang mit Demenz und wird von der Donau-Universität Krems und der MAS Alzheimerhilfe verliehen.

Fazit

„Der durchgehende Tenor der Erfahrungsberichte von Polizistinnen und Polizisten zeugt von einer zunehmenden Sensibilisierung für dieses Thema. Die Polizisten geben an, dass sie dieses dienstlich erworbene Wissen auch privat gebrauchen können. Zum Beispiel bei Demenzfällen in der Familie, im Freundeskreis oder in der Heimatgemeinde. Bisher wurden Menschen mit Demenz oft als Personen mit Schizophrenie wahrgenommen. Da die Polizisten durch die Schulungsmaßnahme erlernen, wie sie Menschen mit Demenz erkennen können, gehen sie mittlerweile in so einem Fall laut eigener Aussage schon ganz anders an die Amtshandlung heran“, sagt Markus Richter MSc MLE, stellvertretender Direktor der Sicherheitsakademie des österreichischen Innenministeriums. Was konnte im Projekt nun erreicht werden? Aus Sicht der Jury des eLearning Journals wurde zunächst einmal gewagt, sich an ein gesellschaftliches Mammutthema heranzuwagen. Noch dazu wurde in didaktisch überzeugender Weise der Kompetenzausbau angeregt. Insbesondere das Hineinversetzen der Polizisten in Fallbeispiele, die sich an echten Amtshandlungen der Polizisten orientieren, dürfte einen gewaltigen Mehrwert schaffen. Aus diesen Gründen entschloss sich die Jury des eLearning Journals, den eLearning AWARD 2020 in der Kategorie „Kompetenzentwicklung“ an das österreichische Bundesministerium für Inneres zu verleihen.


Vorgaben & Besonderheiten

Vorgaben:
20.000 österreichische Polizisten sollen im Umgang mit Demenz kompetent geschult werden. Auf diesem Wege sollen quer durchs Land von der Donau-Universität Krems und der MAS Alzheimerhilfe zertifizierte „Demenzfreundliche Dienststellen“ entstehen.

Besonderheiten:
Zudem ist ins Projekt eine Vernetzungsinitiative mit lokalen Partnerorganisationen inkludiert, sodass künftig ein permanenter Wissensaustausch zwischen Polizei und Altersheimen, Hilfsorganisationen etc. einkehrt und fortan entsprechend gepflegt wird.


Projektverantwortliche

Bundesministerium für Inneres

Markus Richter
stv. SIAK-Direktor, Zentrumsleiter

Bundesministerium für Inneres
 – Fachbereich E-Learning
Herrengasse 7, A-1010 Wien

markus.richter@bmi.gv.at
www.bmi.gv.at/104

 

 

Donau-Universität Krems

Stefanie Auer
Universitätsprofessorin

Donau-Universität Krems
Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30
A-3500 Krems

stefanie.auer@donau-uni.ac.at
www.donau-uni.ac.at