Künstliche Intelligenz in der Personalentwicklung – Hype oder Innovation mit Zukunftspotential

Künstliche Intelligenz ist in vielerlei Hinsicht momentan eine große Unbekannte. Einem vermeintlich nahezu unbegrenzten Potential stehen auf der anderen Seite in den Unternehmen viele Fragezeichen und wenig Konkretes gegenüber. So oder so ähnlich sieht es auch mit dem Einsatz von KI in der Personalentwicklung aus. In der Theorie könnte Künstliche Intelligenz beispielsweise individuelle Lernbegleitung in der Form von Bots oder adaptiven Lernsystemen ermöglichen. Doch wie weit ist die Technik wirklich oder handelt es sich dabei auch weiterhin um Wunschvorstellungen? Um diese und weitere Fragen rund um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der betrieblichen Bildung zu beantworten, stand uns Herr Thomas Gernbauer, der Mitentwickler des Lernbots „Acadybot“, für ein Interview zur Verfügung.

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eLearning Journal: Guten Tag Herr Gernbauer. Das Thema „Künstliche Intelligenz“ (KI) scheint momentan ein allgegenwärtiges Buzzword zu sein. Im Rahmen eines Forschungsprojekts beschäftigen Sie sich mit dem Einsatz von KI in der betrieblichen Bildung. Wie relevant ist das Thema KI Ihrer Einschätzung nach bereits für die betriebliche Bildung? Haben sich Unternehmen mit dem Thema schon auseinandergesetzt?

Thomas Gernbauer: Ich vermute nur am Rande. Wir haben im April diesen Jahres eine Umfrage gemacht und dabei auch die Frage gestellt: In unserer Branche werden „automatisierte teilintelligente Systeme wie KI BOTs“ in den nächsten 5 Jahren wichtiger werden. Dieser Frage haben rund 70 % zugestimmt, wobei sich nur ca. 23 % mit dem Thema KI Bots vertraut fühlen.

eLearning Journal: Gibt es in dieser Umfrage weitere interessante bzw. relevante Ergebnisse?

Thomas Gernbauer: Ja, insbesondere Arbeitsschutz und Sicherheit sind Themen, die von KI Bots übernommen werden sollten. Interessant war auch, dass bei der Frage nach dem Preis die Antworten eher bei den niedrigen Erwartungen lagen. Viele haben scheinbar noch kein Gefühl, was eine gute KI kosten kann.

eLearning Journal: Welche Mehrwerte kann der Einsatz von KI für die betriebliche Bildung bieten?

Thomas Gernbauer: KI kann uns unterstützen, auf die Bedürfnisse der Lernenden besser einzugehen und Individualisierung zu ermöglichen. Lerntheoretische Überlegungen wie etwa selbstreguliertes Lernen, selbstgesteuertes Lernen und interessensgetriebenes Lernen sind für Gruppen oft schwer zu realisieren. KI kann uns dabei unterstützen und eine individualisierte Mitarbeiterweiterentwicklung im Spannungsfeld betrieblicher und individueller Interessen ermöglichen.

eLearning Journal: Welche konkreten Anwendungsfälle für den Einsatz von KI gibt es aktuell in der betrieblichen Bildung?

Thomas Gernbauer: Aktuell gibt es kaum echte KI im Bereich der betrieblichen Bildung. Das liegt auch daran, dass viele den e-Learning Markt immer noch als content-driven verstehen und die Technologie nur als Übertragungsmedium. Aber ich denke, dass wir in den nächsten Jahren hier einen Paradigmenwechsel erleben werden, weil sich auch die Art, wie wir Inhalte konsumieren, geändert hat.

eLearning Journal: Ein Werkzeug aus dem Themenbereich der KI sind Chatsbots wie z.B. der Acadybot aus Ihrem Haus. Was genau versteht man unter einem Chatbot?

Thomas Gernbauer: Ein Chatbot ist ein Computersystem, das mit Menschen chattet. Intelligente Chatbots – manchmal spricht man auch von Conversational AI – erkennen die Absichten, Bedürfnisse oder Wünsche, die hinter der Chatnachricht eines menschlichen Gesprächspartners stehen und können entsprechend antworten. Im Fall des Acadybot heißt das, zu verstehen, welches Wissensbedürfnis ein Anwender gerade hat.

Der Acadybot soll aber nicht nur auf Bedürfnisse reagieren können, sondern auch zum Lernen motivieren, indem er den Anwendern dabei hilft, sich passende Lernziele zu setzen und diese kontinuierlich zu verfolgen.

eLearning Journal: Wie kann ein Unternehmen erfolgreich einen Chatbot in die eigene betriebliche Bildung integrieren?

Thomas Gernbauer: Der Vorteil im Falle des Acadybot ist, dass er das vielfach vorhandene Trainingsmaterial in Unternehmen nutzt und aus existierenden Dokumenten lernt. Anstatt ein oder mehrere Dokumente in einem Learn Management System als PDF zur Verfügung zu stellen, trainiert man damit den Acadybot. Die Mitarbeiter können dann jederzeit und überall die Lerninhalte mit dem Acadybot bearbeiten und das Unternehmen erhält – je nach Arbeits- und Datenschutzrechtlicher Grundlage – Feedback zum Fortschritt einzelner Lernender oder der Gruppe als Ganzes.

Bei Sicherheitsschulungen etwa spielt eine solche Belegbarkeit von Schulungs- und Trainingsmaßnahmen eine große Rolle.

eLearning Journal: Der Chatbot als ständig verfügbarer und individueller Lernbegleiter klingt in der Theorie natürlich sehr vielversprechend. Doch in wieweit lässt sich diese Idealvorstellung in der Praxis umsetzen? Ist die Technik ausgereift?

Thomas Gernbauer: Die Frage ist berechtigt, weil manche Chatbots noch auf veralteter Technik basieren. Das hat die Meinung vieler Menschen auch geprägt. In den letzten Jahren gab es aber enorme Fortschritte in diesem Bereich. Google, Apple, Microsoft und viele andere Großkonzerne haben enorm im Bereich Conversational AI investiert, um ihre „Personal Assistants“ zu verbessern. Das hat einerseits die Forschung befeuert und anderseits Forschungsergebnisse anwendbarer gemacht. Davon profitieren jetzt nicht nur die Großen, sondern auch Start-Ups wie Acadybot, die bestimmte Nischenmärkte besetzen.

eLearning Journal: Gibt es bestimmte Rahmenbedingungen, welche für den Einsatz eines Chatbots in einem Unternehmen gegeben sein sollten? Braucht es beispielsweise eine spezielle Expertise bei Personalentwicklern oder Trainern?

Thomas Gernbauer: Die MitarbeiterInnen sollten mit persönlichen Endgeräten mit Netzwerkzugriff ausgestattet sein – idealerweise Smartphones. Bei Acadybot bemühen wir uns darum, die Pflege von Lerninhalten so einfach wie möglich zu machen: Themenbereiche definieren, Dokumente hochladen und fertig.

eLearning Journal: Gibt es Lernbedarfe, für welche Chatbots besonders geeignet oder, im Umkehrschluss, ungeeignet sind?

Thomas Gernbauer: Chatbots eignen sich vor allem für Dinge, die John Robert Anderson „deklaratives Wissen“ nennt. Also all das, wo es um „etwas wissen“ geht. Also z.B.: die Geschichte des Unternehmens, Compliance Richtlinien, Sicherheitsvorschriften, Symptome einer Krankheit, wissenschaftliche Theorien, die Betriebsanleitung einer Maschine oder wie die neueste Version von Microsoft Office funktioniert.

Schwieriger umsetzen lässt sich prozedurales Wissen, also „Know-how“. Deklaratives Wissen ist immer auch Bestandteil von prozeduralem Wissen – also gewissermaßen eine Grundlage –, aber prozedurales Wissen enthält immer auch Teile, die sich nur schwer in Sprache fassen lassen. Bei der Fertigung von Hand beispielsweise, wo auch sensomotorische Fähigkeiten eine große Rolle spielen, bleibt als Technologieunterstützung wohl nur Virtual Reality oder ein Assistenzsystem am Arbeitsplatz übrig.

eLearning Journal: Auf welche Akzeptanz stoßen Chatbots Ihrer Erfahrung nach beim Lerner? Wird die Technik akzeptiert oder kann es Widerstände geben?

Thomas Gernbauer: Menschen interagieren grundsätzlich gerne mit Chatbots. Es fühlt sich natürlich an und sie sind immer verfügbar. Das gilt aber nur, solange man sich auch richtig verstanden fühlt. Ist der Chatbot dumm, wird es auch dem Benutzer schnell zu dumm und die Akzeptanz ist dahin. Daher investieren wir bei Acadybot auch intensiv in KI und Dialoggestaltung.

eLearning Journal: Welches Zukunftspotential sehen Sie für Chatbots in den nächsten 3 bis 5 Jahren?

Thomas Gernbauer: Wir schätzen, dass vor allem durch das hohe Einsparungspotenzial, KI Bots in den nächsten Jahren das Lehren und Lernen ergänzen werden. Beispielsweise bringt der Bot die TeinehmerInnen gezielt auf gleichen Wissensstand, um in einem verkürzten Präsenztraining das Gelernte nur noch zu üben, und spezielle Fragen zu stellen. Dadurch verkürzen sich die Seminarzeiten um etwa 50 %. Ebenso können Lehrer ergänzt werden, die neuestes und modernstes Wissen noch nicht parat haben.


Profil

Thomas Gernbauer

ist Geschäftsführer und CMO der Acadybot GmbH. Ein junges Startup aus Österreich. Er kommt selbst aus dem Bereich Training und Coaching und kennt daher auch die Problematiken des eLearnings, welche der Acadybot lösen soll. Durch verschiedene Weiterbildungen hat er sich den Themen KI und Bots frühzeitig angenähert.

 


Kontakt:

Acadybot

Liechtensteinstr. 25, Top 26/27
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Tel.: +43 (0) 660 / 46 06 320

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