Ablauf und persönliche Eindrücke
Arbeit allein und konzentriert am Schreibtisch erledigen, produktiv und wertschöpfend – dieses Bild des einsamen Schaffens prägt in vielen Büros der Welt den Alltag. Working out Loud (#WOL) schafft einen Gegenentwurf zu diesem Bild: Es handelt sich dabei weniger um eine Methode, als vielmehr um eine Mentalität oder Kultur der Zusammenarbeit. Sie umfasst das ausdrückliche und bewusste Erzählen und Teilen von Arbeitsinhalten und Prozessschritten. Ziel sind eine tragfähige Vernetzung, effektive Lösungssuche und schließlich das Wachsen und Lernen am Beispiel anderer.
Aufmerksam wurde ich auf das WOL-Konzept im Rahmen des Corporate Learning 2025 MOOCathons im Mai 2017. Bei einem Lerngruppen-Markplatz fand sich eine zufällig zusammengestellte Gruppe mit vier mir völlig unbekannten Personen, die einen WOL-Circle bilden und die Methode Working out Loud ausprobieren wollten. Neue Methode, dachte ich mir, das klingt interessant! Also meldete ich mich als Interessentin an.
Immer noch stand die Frage im Raum, was „laut Arbeiten“ wohl bedeuten mag. Schnell stellte sich heraus, dass mit „loud“ gar nicht „laut“, sondern „sichtbar“ gemeint ist und es im Wesentlichen um digitale Vernetzung geht. Ich fragte mich, ob ich dabei noch so viel lernen kann, wo ich doch bereits recht gut vernetzt bin. Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: Ja, ich habe viel gelernt!
Warum geht es?
Die Menschen in der WOL-Community beschäftigen sich mit Themen rund ums zeitgemäße Arbeiten im 21. Jahrhundert wie beispielsweise New Work und agiles Arbeiten. Dabei geht es um die Vernetzung mit Gleichgesinnten, um gegenseitige Unterstützung und das Teilen von Wissen. Wer #WOL praktiziert, hat oder entwickelt im Laufe der Zeit eine entsprechende Einstellung, oft als Veränderung des Mindsets bezeichnet, was ich als Einstellungs- oder Haltungsänderung übersetzen würde. Man begegnet sich auf Augenhöhe und mit Wertschätzung. Persönliche Skills werden eingebracht, wodurch man voneinander lernt. Der Beziehungsaufbau erfolgt nicht ausschließlich für eigene Zwecke, sondern man setzt sich mit anderen und ihren Sichtweisen möglichst unvoreingenommen auseinander, wodurch sich der eigene Horizont erweitert. Empathie und authentische Wertschätzung nehmen zu.
Jedoch gibt es Unterschiede zwischen privaten WOL-Circles und solchen, die in Unternehmen praktiziert werden – das zeigen Gespräche, Erfahrungen und Diskussionen innerhalb der WOL-Community. Während nach privaten Circles meist von sehr positiven Erfahrungen berichtet wird, sind die Erfahrungen im Unternehmensbereich manchmal weniger enthusiastisch. Hier scheitern interessierte Personen teilweise schon an der Einführung von #WOL. Das zeigt sich in der oft diskutierten Frage, wie im Unternehmen Interesse und Resonanz für das Thema zu bekommen ist. Es hat sich gezeigt, dass die Unternehmen besonders offen für #WOL sind, in denen bestimmte Rahmenbedingungen gegeben sind:
- flache Hierarchien
- offene, vertrauensvolle und wertschätzende Zusammenarbeit
- eine hohe Fehlertoleranz, die zum Lernen aus Fehlern ermutigt
- Freiräume, die es ermöglichen, etwas auszuprobieren und die eigenen Fähigkeiten zu erkennen
- Möglichkeiten der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung
- personelle und finanzielle Ressourcen
- Transparenz
- Partizipation
- vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten
Solche Rahmenbedingungen ermöglichen Mitarbeitenden eigenverantwortliches, innovatives, kreatives und teamorientiertes Handeln, also Eigenschaften die Intrapreneuren zugesprochen werden. Den Intrapreneuren muss es um die Entwicklung neuer Ideen und Prozesse, nicht lediglich um die Optimierung bestehender Prozesse gehen. Sie sind somit Beschleuniger von Innovationen.
Frederik G. Pferd, Chief Innovation Evangelist bei Google, stellte 2017 in einer Keynote auf der Campus Innovation in Hamburg eine Studie vor, mit der untersucht wurde, was erfolgreiche Teams bei Google ausmacht. Es zeigte sich, dass der Erfolg nicht, wie oft vermutet, am Teamleader oder aber an besonderen einzelnen Teammitgliedern hängt. Der ausschlaggebende Faktor ist das Vertrauen im Team. So ist es auch nicht verwunderlich, dass private WOL-Circles als erfolgreicher empfunden werden: Das Vertrauen, das aus frei gewählten und persönlichen Beziehungen erwächst, ist hier das Erfolgsrezept. Auch wir empfanden unseren privaten Circle als erfolgreich und bereichernd. Anschließend versuchte ich, #WOL in das Unternehmen einzuführen, bei dem ich beschäftigt war – und ich scheiterte bereits daran, Mitstreitende zu finden, weil die meisten der oben genannten Rahmenbedingungen nicht gegeben waren, insbesondere keine Vertrauensbasis.
Dennoch hat WOL grundsätzlich auch das Potenzial, neue Rahmenbedingungen zu initiieren und damit einen Kulturwandel hervorzurufen. Ein Beispiel ist BMW, wie man in einem Blogartikel von Ilona Libal nachlesen kann.
#WOL ist von John Stepper ursprünglich als Methode für den Einsatz in Unternehmen entwickelt worden. Und es gibt inzwischen viele Vorzeigeunternehmen wie beispielsweise Bosch, bei denen #WOL gewünscht praktiziert wird. Christoph Kübel, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Robert Bosch GmbH, sagt in einem Interview: „Working Out Loud (WOL) ist mir persönlich wichtig, weil das vernetzte Arbeiten und das Nutzen der digitalen Möglichkeiten grundlegende Fähigkeiten im digitalen Zeitalter für uns alle sind. Und somit ist WOL auch für Bosch sehr wichtig. Die WOL Circles sind eine ganz praktische Methode, diese Fähigkeiten zu erlernen. Mich beeindruckt, wie schnell sich das Thema bei uns verbreitet hat und wie positiv das weltweite Feedback ist.“ Nach meiner Wahrnehmung funktioniert #WOL vor allem in großen Unternehmen gut, in denen es in einzelnen Bereichen eher die Möglichkeit gibt, die nötigen Rahmenbedingungen für „Graswurzelbewegungen“ zu schaffen.
Mittlerweile wird Working out Loud in ca. 42 Ländern, darunter vor allem in den USA, in Deutschland, Großbritannien, Brasilien und China praktiziert.
#WOL im Überblick
Zurück zu meinem WOL-Circle: Uns stand ein Circle-Guide zur Verfügung, dem wir die Rahmenstruktur entnehmen konnten: Zum Beispiel, dass ein WOL-Circle 12 Wochen umfasst und in jeder der Wochen ein Gruppentreffen von einer Stunde stattfindet. Grundsätzlich können die wöchentlichen Treffen sowohl face to face als auch virtuell stattfinden. Da wir fünf in ganz Deutschland verteilt waren, kam für uns nur die virtuelle Variante infrage.
Der Guide enthält eine Übersicht über den Ablauf sowie eine umfassende Anleitung für jede einzelne Woche. Er steht im Netz kostenlos sowohl in Englisch als auch in der deutschen Übersetzung zur Verfügung7.
Um sich in der Gruppe zu organisieren, sollte sinnvollerweise ein Tool für eine asynchrone Kommunikation und mit der Möglichkeit des Dateiaustausches zur Verfügung stehen, beispielsweise ein Forum. E-Mail ist aus meiner Sicht kein geeignetes Medium, weil der Nachrichtenverlauf schnell unübersichtlich wird. Wir benutzen Yammer, aber es gibt genügend andere Tools. In Unternehmen werden, wenn vorhanden, ESN8-Plattformen genutzt.
Der erste Schritt besteht darin, einen gemeinsamen Termin für die wöchentlichen einstündigen Treffen zu finden. Ein WOL-Circle funktioniert nicht, wenn laufend ein oder mehrere Teilnehmende nicht anwesend sind: Diese Treffen sind ein zentrales Element, um für sich erfolgreich zu sein – wobei „Erfolg“ eine subjektive Größe ist.
In der ersten Woche definiert jedes Circle-Mitglied für sich ein Ziel als Ausgangsbasis für den eigenen Lernprozess. Ich nenne es deshalb Ausgangsbasis, weil es durchaus im Laufe des Circle angepasst oder sogar neu definiert werden kann. Je attraktiver das eigene Ziel ist, desto größer die eigene Motivation.
Attraktiv sind Ziele, mit denen
- Wünsche umgesetzt (z. B. mehr Anerkennung im Job)
- eigene Interessen verfolgt (z. B. Hobbys)
- neue Dinge entdeckt/gelernt
- unerwünschte Verhaltensweisen geändert
werden können.
Zwar verfolgt jedes Circle-Mitglied ein eigenes Ziel, sodass ich nicht von einem Team sprechen würde. Dennoch handelt es sich um eine Gruppe, in der es eine Rollenverteilung gibt, wobei es in dem Sinne keinen Circle-Leader gibt. Benötigt werden Kümmerer für die benötigten Tools, den Ablauf der wöchentlichen Treffen und die Terminabstimmung. Jeder findet seine Rolle durch die mitgebrachten Kompetenzen. Ich habe mich beispielsweise um die Terminabstimmungen gekümmert. Jemand anderes sorgte für die inhaltliche Gestaltung der wöchentlichen Treffen: was zu tun ist und das Zeitmanagement. Diese Aufgaben können auch rotierend von allen übernommen werden.
Anzumerken ist, dass sich die Gruppenmitglieder auch auf Abweichungen vom Guide verständigen können. Abweichungen bezüglich des zeitlichen Ablaufs der Treffen sowie die Verschiebung einzelner Übungen kommen durchaus häufiger vor, zumindest in den privaten Circles.
Was passiert im WOL-Circle?
Der Circle-Guide, in dem jede der zwölf Wochen detailliert beschrieben wird, ist die Grundlage für die wöchentlichen Treffen und enthalt für jeden Woche Übungen und Aufgaben, die jeweils bis zum nächsten Treffen gemacht werden sollen.
Beim ersten Treffen geht es darum, die anderen Circle-Mitglieder kennenzulernen und die Basis für ein vertrauensvolles Miteinander zu schaffen. In den ersten 10 Minuten gibt jeder den anderen seine Antwort auf die Frage „Was hat dich hierhergebracht?“ Es ist einerseits wichtig, offen und ehrlich über sich zu sprechen, und andererseits aktiv und empathisch zuzuhören, wenn die anderen über sich sprechen.
Danach formulieren alle Teilnehmenden ihr Ziel für die nächsten 12 Wochen. Das Ziel sollte so gewählt werden, dass es innerhalb der Zeit erreicht oder zumindest weit vorangebracht werden kann. Es sollte außerdem persönlich formuliert werden und einem echten Bedürfnis folgen („Ich möchte…“). Je mehr ein Ziel mit der eigenen Person zu tun hat, desto größer die Motivation, es zu erreichen. Dieses Ziel wird dann in ein bis zwei Sätzen formuliert und mit den anderen geteilt.
Grundsätzlich gibt es keine richtigen oder falschen Ziele und es ist wichtiger, durch Ziele Beziehungen aufzubauen, als am Ziel festzuhalten. Neue Erkenntnisse können auch dazu führen, das Ziel zu ändern. Nicht die Zielerreichung ist das Entscheidende, sondern den Weg dahin gemeinsam mit anderen Menschen zu gehen. Jeder Schritt ist eine Erfahrung und jede Erfahrung ein Fortschritt. Im Guide heißt es: „Im Laufe der Zeit helfen dir diese Schritte, Gewohnheiten zu entwickeln, die du auf jedes zukünftige Ziel anwenden kannst.“
Jeder erstellt eine „Beziehungsliste“, in die zehn Personen eingetragen werden, die mit dem eigenen Ziel in Verbindung stehen. Das wird oft als schwierig empfunden, weil einem auf Anhieb selten zehn Personen einfallen. Recherche und vor allem auch die Ideen und Vorschläge der anderen im Circle helfen jedoch schnell weiter. Auch wird und soll sich die Liste im Laufe der Zeit verändern. Es werden Personen gestrichen und neue hinzugefügt.
Durch diese intensive Auseinandersetzung lernen die Circle-Mitglieder, ihre Wahrnehmung und Einschätzungen zu erweitern. Sie sehen Menschen und Ideen, die sie vorher nicht wahrgenommen haben und stellen Verbindungen her, die in ihrem Denken neu sind.
Am Ende jedes Wochenguides sind immer Übungen sowie weiterführende Artikel und Videos zu finden, die optional als zusätzliche Unterstützung gedacht sind.
Jedes Wochentreffen beginnt ab Woche zwei mit einem 10-minütigen Check-in, bei dem jeder zu Wort kommen soll. Das kann auch mal länger dauern. Selbst, wenn es eine Agenda gibt, legt die Gruppe selbst ihre Regeln fest. Beispielsweise ist es möglich, die wöchentlichen Übungen nicht während des Treffens zu machen, sondern im Vorweg, um dann mehr Zeit für Gespräche und Diskussionen zu haben. Im meinem Circle haben wir uns schnell darüber geeinigt, die Treffen von vornherein auf zwei Stunden auszudehnen. Wichtig ist nur, dass sich alle in der Gruppe auf diese Regeln verständigen, ohne dass jemand sich übergangen fühlt.
Im Laufe der Wochen geht es nun darum, Kontakte zu den Personen der Beziehungsliste aufzunehmen. Es wird vorgeschlagen, den Personen Skalenwerte von eins bis fünf zuzuordnen, von „es gibt bereits eine regelmäßige Interaktion“ bis „meine Existenz ist der Person noch nicht bekannt“. Es geht aber nicht darum, zu jeder Person ein intensives Verhältnis aufzubauen, sondern davon Arten und Weisen der Kontaktaufnahme abzuleiten.
Bei Working out Loud geht es in erster Linie darum, sich gezielt und systematisch ein virtuelles Netzwerk mittels der Social-Media-Kanäle aufzubauen. Mögliche Kommunikationskanäle sind Twitter, XING, LinkedIn, Blogs oder auch ein Intranet. Meiner Erfahrung nach ist Twitter eines der wichtigsten Tools. Über die Suche nach Hashtags (Schlagworten, die mit dem #-Symbol beginnen) findet man schnell Personen, die sich mit Themen in Bezug auf das formulierte Ziel beschäftigen, und kann ihnen zunächst einmal folgen. Das ist natürlich auch bei anderen Plattformen wie XING oder LinkedIn möglich. Es wird den Personen angezeigt, dass es einen neuen Follower gibt. Der erste Schritt ist also, anderen Aufmerksamkeit zu schenken.
In weiteren Schritten können Beiträge geliked oder kommentiert werden. Jeder Schritt zeigt anderen, dass wir sie wertschätzen: Nur dann, wenn uns ihre Beiträge interessieren, beschäftigen wir uns überhaupt mit ihnen.
Hervorgehoben wird immer wieder: Es geht nicht vorrangig darum, von anderen etwas zu bekommen, sondern anderen etwas zu geben, um Großzügigkeit. Auch, wenn dies altruistisch klingt: Vor allem geht es bei WOL um die Entwicklung des oben genannten Mindsets. Es geht um Wertschätzung, Akzeptanz und Augenhöhe, um das Teilen von Wissen und Erfahrungen, um das von- und miteinander Lernen. Teil eines Netzwerks zu sein bedeutet genauso, sich einzubringen und andere zu unterstützen wie Unterstützung durch andere zu bekommen. Es bedeutet aber nicht: Ich gebe dir etwas und du gibst mir etwas zurück. Sondern: Ich gebe etwas und bekomme etwas, nur nicht unbedingt von derselben Person. Insofern ist das zu übende Verhalten nicht altruistisch, aber auch nicht zielgerichtet ausnutzend. Netzwerke und Communitys haben immer Geben und Nehmen zum Ziel. Sehr schön hat dies Harald Schirmer in seinem Blog zum Ausdruck gebracht: „Wenn uns klar wird, dass es nicht (nur) unser Wissen ist, das uns wertvoll macht – können wir anfangen „los zu lassen“ – wir müssen unser Wissen nicht mehr „schützen“, sondern anfangen, es zu präsentieren, zu teilen … und vielleicht sogar manchmal in Frage stellen. Und genau an dieser Stelle fängt eine neue Ära des „lebendigen Wissens“ an. (natürlich gibt es hier auch Grenzen!)
Trauen wir uns im nächsten Schritt – nicht nur unsere Ergebnisse zu teilen –, sondern auch den (manchmal steinigen) Weg dorthin – werden wir Optimierung, Authentizität, Verbundenheit und deutlichen Zuwachs an Kompetenz erleben.“
Am Ende jedes Wochentreffens stehen zwei Fragen:
- Plant das nächste Treffen.
- Frag dich selbst: „Was werde ich bis zum nächsten Treffen machen?”
Die zweite Frage soll jeder für sich selbst schriftlich beantworten, weil eine Verschriftlichung die Verbindlichkeit und damit die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung erhöht.
Zeitmanagement ist das Thema der dritten Woche. „Termine mit sich selbst vereinbaren“ lautet die Übung, bei der man im Kalender Termine für die Zielverfolgung eintragen und vor allem nutzen soll.
Des Weiteren sollen bestehende Netzwerke und Onlinegruppen zur Entwicklung des persönlichen Netzwerks genutzt werden. Das geschieht, indem man Beiträge gezielt in Gruppen schreibt, welche die Reichweite für einen individuellen Beziehungsaufbau erhöhen. Die konkrete Aufgabe lautet: „Spiele Internet- oder Intranet-Detektiv und finde mindestens fünf Organisationen, Onlinegruppen oder Gemeinschaften, die wichtig für dein Ziel sind… Frage deinen Circle nach Vorschlägen. Ich bin erstaunt, wie oft andere Leute in einem Circle gute Vorschläge entweder zu bestimmten Gruppen oder zu verschiedenen Suchmöglichkeiten machen.“
In den weiteren Wochen wird die Art und Weise, mit anderen in Kontakt zu treten, thematisiert. Es geht um Empathie, um die Fähigkeit, sich beim Schreiben zu überlegen, wie der Empfänger sich beim Lesen fühlt. Ziel ist es, zu lernen, die Perspektive zu wechseln und dem Empfänger mitzuteilen, warum man ihm diese Nachricht schreibt – denn Beziehung kommt von „Bezug“. Eine Nachricht sollte immer persönlich und authentisch sein.
Auch gilt es, sich klar darüber zu werden, was einen selbst ausmacht und was man alles zu bieten hat: Dafür versucht man, 50 Fakten über sich aufzuschreiben. Das klingt zunächst viel. Aber in unserem Circle zeigte sich, dass wir beim Nachdenken über uns, über Wohnorte, Familie, Ausbildung, Beruf, Hobbys, Erlebnisse usw. schnell 50 Fakten zusammenbekamen und eher noch mehr hätten schreiben können. Es ist auch erstaunlich, welche Gemeinsamkeiten sich in der Gruppe daraus ableiten lassen. Einige kennen das vielleicht von Methoden wie einem Networking-Dinner.
Ebenso wird die Wichtigkeit betont, die eigenen Onlineprofile aktuell zu halten. Und da ein Bild oft mehr als 1000 Worte sagt, ist auch das Profilbild von großer Relevanz. Darüber hatte ich mir vorher noch nie wirklich Gedanken gemacht. Profiländerungen führen in vielen Social-Media-Tools zu einer Mitteilung bei den Kontakten, mit der wiederum Aufmerksamkeit bei anderen erzeugt wird.
Woche für Woche gibt es Aufgaben und Übungen, um vertrauter mit dem Aufbau von Netzwerken zu werden: andere entdecken, selbst sichtbarer werden, Wissen, Erfahrung und Gedanken miteinander teilen.
Der Grundgedanke des Teilens ist dabei nicht neu. Teilen war schon vor vielen Jahren die treibende Kraft bei der Entwicklung von Tools wie Social-Bookmarks, Blogs, Intranet/ESN, Foren, Messengers usw.
Persönliches Fazit
Viele Übungen und Aufgaben sind für sich genommen nicht neu – sie sind Teil anderer Methoden oder werden in verschiedenen Kontexten einzeln angewendet, beispielsweise beim Coaching. Eigene Ziele zu definieren und Wege dorthin zu finden und umzusetzen, ist ebenfalls Teil vieler Methoden. Neu ist bei #WOL der gut strukturierte Ablauf über die zwölf Wochen mit dem Fokus auf den Auf- und Ausbau von Netzwerken. Zwar wird ein persönliches Ziel definiert, aber es geht vor allem um das gemeinschaftliche Agieren im Hinblick auf die Zielerreichung, weg von Einzelleistungen.
Ich dachte zu Beginn, dass ich eigentlich gut vernetzt bin und auch weiß, wie ich mir ein Netzwerk im Hinblick auf meine Interessen und Ziele aufbauen kann. Aber ich war trotzdem neugierig, was es mit Working out Loud auf sich hat. Ich fand es interessant, gemeinsam mit anderen und dennoch an einem persönlichen Ziel zu arbeiten. Im Laufe der Zeit stellte ich fest, wie wertvoll die Tipps und die moralische Unterstützung der anderen bei der Zielerreichung sind. Obwohl wir sehr verschieden sind, sowohl in Hinblick auf die Persönlichkeit als auch bezüglich unserer Ausbildungen und Berufe, gibt es eine Menge Gemeinsamkeiten. Besonders deutlich wurden diese Gemeinsamkeiten bei der Übung „50 Fakten über mich“. Hinzu kam, dass wir alle parallel an dem Corporate Learning 2025 MOOCathon teilnahmen, durch den wir überhaupt mit Working out Loud in Verbindung gekommen sind. Wir hatten also alle per se schon das Bedürfnis, anders miteinander arbeiten zu wollen – die Offenheit, miteinander und voneinander zu lernen.
Großartig war auch, dass fünf Personen des MOOCathons beschlossen hatten, ihren WOL-Circle öffentlich zu machen. Eigentlich ist das ein Widerspruch zur Methode, denn im Circle soll ja alles vertraulich sein. Obwohl der öffentliche Circle aus meiner Sicht nicht die Tiefe hatte wie ein geschlossener Circle, zeigte er doch eindrucksvoll, das Working out Loud funktioniert. Und da dieser Circle eine Woche vor unserem startete, konnten wir uns den Ablauf vorher ansehen (Videoaufzeichnung) oder anhören (Audio-Podcast)12. Das war sehr hilfreich, wenn uns mal eine Übung nicht sofort verständlich war. Der öffentliche Circle steht für alle, die einen praktischen Einblick gewinnen wollen, weiterhin online zur Verfügung.
Die Arbeit an dem von mir definierten Ziel hat mich persönlich weitergebracht, und als mindestens genauso wertvoll empfinde ich es, dass vier großartige Menschen seitdem mein Leben bereichern. Es gab bereits persönliche Treffen, und wir treffen uns weiterhin in einem zwei- bis dreimonatigen Abstand online. Wir haben es WOL-Alumni-Treffen getauft.
Die Autorin
Tanja Jeschke
Als Diplom-Psychologin, TeleCoach, OER-Fachexpertin und Betriebswirtin beschäftigt sich Tanja Jeschke seit vielen Jahren mit Bildung 4.0. Sie war lange in der Erwachsenenbildung tätig und kümmert sich derzeit bei einem Schulträger um die Digitalisierung der Schulen.
Sie ist Mitglied der Corporate-Learning-Community, in der vor allem New-Work und dazugehörige Einstellungen und Haltungen sowie passende Tools und Methoden thematisiert und ausprobiert werden.
Tanja Jeschke
Koordinatorin für Schul-IT
Stadt Norderstedt
freiberufliche Beraterin & Trainerin
tanja.jeschke@wtnet.de
Twitter: @tjeschke
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