Kategorie: Methodik

Messen – für gewöhnlich dienen sie Herstellern und Verkäufern zur Präsentation von Waren und Dienstleistungen. Kunden können sich einen Überblick über eine Branche verschaffen, Unternehmen Kundenkontakte vertiefen. Messen zur Qualifizierung von Mitarbeitern finden sich dagegen zurzeit noch eher selten. Erst recht, wenn es sich um eine virtuelle Form dessen handelt. Nichtsdestotrotz scheint eine verstärkte Anwendung dieser Formen in Zukunft wahrscheinlich.

„Schaffe, schaffe, Häusle baue“ heißt es in einer weithin bekannten schwäbischen Redewendung, die so manchem als Lebensziel dient. Inmitten dieses Umfelds – im baden-württembergischen Ludwigsburg sitzt die Konzernleitung der Wüstenrot Bausparkasse AG mit über 1000 festangestellten Mitarbeitern. Doch der Vertrieb von Bausparverträgen und anderem ist kein Selbstläufer, zumal das Unternehmen, das 1921 vom methodistischen Laienprediger Georg Kropp gegründet wurde, überregional expandiert hat und stark gewachsen ist.

Aufgrund dessen setzte die Wüstenrot Bausparkasse AG für die Professionalisierung des Vertriebs ein Qualifizierungsprogramm in Form einer virtuellen Messe auf und holte hierzu die Ubivent GmbH als Projektpartner an Bord.

Lernbedarfe

Fast jeder kennt Messeveranstaltungen. Cebit, IAA, Bauma, Gamescom – doch Messen gibt es auch digital. Die geplante virtuelle Lernmesse wendet sich an selbstständige Vertriebler der Wüstenrot Bausparkasse AG und soll ihnen dabei helfen, ihre Fähigkeiten und Verkaufserfolge auszubauen, indem sie selbst zu Messegängern werden. Sie soll wie eine „reale“ Messe mit Ständen gestaltet sein, aber zugleich sollen die Teilnehmer und Standbetreuer allesamt am Rechner sitzen. Die Verkäufer sollen sich auf freiwilliger Basis zur Messe anmelden und verschiedene Messestände besuchen können. An den Ständen sollen die Teilnehmer verschiedene Lernfilme betrachten können. Mit den verantwortlichen Trainern der Lernfilme soll gechattet werden können, sodass Live-Interaktion und Wissenstransfer möglich ist.

Projektverlauf

Die Umsetzung der Digitalen Lernmesse ist ein Auftrag aus dem Management des Unternehmens und wurde permanent durch dieses begleitet. Es handelt sich um das Teilprojekt 7 „Wissenstransfer organisieren“, des Projekts „Wüstenrot @ 2020“. Im Steuerungskreis wurde regelmäßig berichtet und für die Umsetzung der digitalen Messe die Software der Firma Ubivent gewählt. Die Trainer waren an der Produktion der Lernfilme im eigenen Filmstudio beteiligt – drehten teils selbst oder schrieben ein Filmskript. Verständlichkeit sollte mittels des TextLab-Analysetools, entwickelt unter Mitwirkung der Universität Hohenheim, gewährleistet werden.

Prinzipiell erfolgte die Gestaltung in Anlehnung an „Wissen mit Witz“, womit eine fröhliche und spielerische Anmutung einhergehen sollte. Für den besten Film wurde der „Man-Hubber-Preis“ ausgelotet, der sich sprachlich relativ frei an den „Man-Booker-Price“ anlehnt. Die Filme wurden im Anschluss an die Produktion von einer Jury bewertet. Vor Eröffnung der Messe wurde zunächst eine Long-List der nominierten Filme für den Preis veröffentlicht. Einen Tag vor Messestart dann die Short-List mit den Jury-Favoriten für den Preis. Am 2. Tag der Messe wurde bereits der Sieger-Lernfilm gekürt. Eine Gruppe durfte vor Eröffnung die Messe testen. Zwei weitere Gruppen wurden als imaginäre verlängerte Werkbank definiert. Insgesamt drei Gruppen erhielten demnach Vorab-Bewertungstools, mit welchen sie die Online-Messe und einzelne Filme bewerten konnten. Bevor das Messeformat in den Regelbetrieb überging, erfolgte demnach zuerst eine Evaluation.

Die Akzeptanz für das Lernformat war hoch. Anstatt von etwa 500 Teilnehmern wie in früheren Veranstaltungen, konnten im Rahmen dieses Projekts nach 10 Tagen über 1000 Besucher verzeichnet werden. 2 Wochen nach der Digitalen Lernmesse fanden nochmals Telefoninterviews mit Teilnehmern zur Evaluation statt, wobei das Feedback für zukünftige Formate Berücksichtigung finden und zur Professionalisierung der betrieblichen Bildung beitragen soll.

Projektergebnis

Die virtuelle Messe wurde mit der eigens entwickelten Software von Ubivent umgesetzt. Um die Trainer anzuspornen, lobte die Wüstenrot Bausparkasse einen Preis für den besten Lernfilm aus. Eine zeitliche Beschränkung für den virtuellen Messebesuch von 10 Tagen wurde gesetzt, sodass die Interaktion mit den Trainern sichergestellt werden konnte. Die Kenntnis zu den Dienstleistungen der Wüstenrot Bausparkasse AG konnte mittels lehrreicher Filme intensiviert werden, die im Sinne eines positiven Primings konzipiert wurden und ein erleichtertes Lernen möglich machen sollen. Mittels positiver Reize sollen demnach weitere thematische Assoziationen geweckt und nachhaltig als Wissen verankert werden. Die Wüstenrot Bausparkasse AG plant virtuelle Messen auch in Form einer digitalen Karrieremesse umzusetzen. Dabei soll die einfache Sprache beibehalten werden.

Fazit

„Die digitale Messe ist ein hervorragendes Format zur Information, zum Wissenstransfer und zum Lernen. Die Lerner haben die Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig interessegeleitet auf Learning-Nuggets zuzugreifen. Die Lernfilme sind kurz, informativ und knackig und manchmal auch lustig“, so Bereichsleiter Rainer Horn von der Wüstenrot Bausparkasse AG.

Eine virtuelle Messe als Qualifizierungsprogramm mitsamt entsprechend aufwendigem Design der Stände und Lerninhalte – das traut sich in dieser komplexen Kombination trotz Softwareunterstützung nicht jedes Unternehmen zu. Das Projekt zeichnet sich zudem dadurch aus, dass sämtliche Filme Eigenproduktionen sind, die überwiegend im eigenen Filmstudio entstanden sind. Aus diesen Gründen zeichnet die Jury des eLearning Journals die Wüstenrot Bausparkasse AG und die Ubivent GmbH mit dem eLearning AWARD 2019 in der Kategorie „Methodik“ aus. (Redaktion: Samuel Jambrek)