Kategorie: Augmented Reality

Der demographische Wandel ist kein Zukunftsthema mehr, sondern beschäftigt bereits jetzt die deutsche Wirtschaft. Über die nächsten 10 bis 15 Jahre wird die Zahl der verfügbaren Erwerbstätigen voraussichtlich deutlich sinken, was insbesondere den Fachkräftemangel verschärfen wird. Als einer der größten Arbeitgeber in Deutschland ist die DB Netz AG von dieser Entwicklung ganz konkret betroffen. Um das umfangreiche Ausscheiden bisheriger Fachkräfte durch die Schulung von Nachwuchskräften zu kompensieren, war die DB Netz AG daher auf der Suche nach einem neuen Schulungskonzept.

Rund 8.000 Wartungstechniker beschäftigt die DB Netz AG, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, aktuell, wovon rund die Hälfte bis 2026 in den Ruhestand gehen wird. Um in diesem Zeitraum also einen reibungslosen Betrieb und die Vermeidung von Störungen gewährleisten zu können, müssen bereits jetzt umfangreich Nachwuchskräfte ausgebildet sowie Mitarbeiter geschult werden.

Um diesen Schulungsbedarf bewältigen zu können, wurde deshalb von der DB Netz AG zusammen mit der VISCOPIC GmbH, ein Start-Up Unternehmen aus München, das Projekt „3D-Durchblick“ ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Projekts entstand ein Augmented Reality-Schulungskonzept, mit welchem die Handlungssicherheit der Mitarbeiter gefördert und erhöht werden kann. Über eine AR-Brille werden 3D-Projektionen wie beispielsweise Weichen virtuell dargestellt, um den Schulungsteilnehmern möglichst anschaulich ein fachlich fundiertes Training der Montage von Weichenverschlüssen oder Weichenstörungen vermitteln zu können.

Lernbedarfe

Im Rahmen des Projektes sollte primär die Handlungssicherheit von Instandhaltern im Hinblick auf die Inspektion sowie Entstörung von Leit- und Sicherungstechnik gesteigert werden. Instandhalter sind in diesem Fall Signal- und Weichenmechaniker, die dafür Sorge tragen, dass ein reibungsloser Zugverkehr innerhalb von Deutschland gewährleistet werden kann. Weichen- und Signalstörungen sind unter anderem ein Grund für Verspätungen. Je schneller also eine solche Störung behoben werden kann, umso schneller können die Züge wieder fahren. Deshalb lag der Fokus des Projekts auf einem tiefgehenden Technikverständnis und der Erweiterung von Entstörkompetenzen bei den Instandhaltern. Als untergeordnetes Projektziel sollte durch den Einsatz eines mobilen, modernen Lernkonzepts außerdem Digitalisierung innerhalb der Deutschen Bahn vorangetrieben und dadurch die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber gesteigert werden.

Projektdurchführung

Für Führungskräfte, Innovatoren, Vertreter des Gesamtbetriebsrates, Praxistrainer und Instandhalter wurde bereits in der Ideenphase ein interdisziplinärer Potentialworkshop durchgeführt, um die Möglichkeiten von Augmented Reality sowie die konkreten Einsatzmöglichkeiten innerhalb der DB Netz AG zu präsentieren und gemeinsam Potentiale sowie Ideen zu definieren. Die Projektumsetzung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Zentrale und dem Regionalbereich Süd. Dadurch konnte von Beginn an ein enger Kontakt zu den Teilnehmern und den Praxistrainern sichergestellt sowie die fachliche Abnahme bzw. optimale Integration in den bestehenden Qualifizierungsprozess gewährleistet werden. Gemeinsam wurden Qualitygates formuliert, um einen reibungslosen Projektverlauf umsetzen zu können. Andere wichtige Stakeholder, wie beispielsweise Datenschutzbeauftragte, wurden außerdem regelmäßig über das weitere Vorgehen informiert. Derzeit befindet sich das Projekt bundesweit in sieben Regionalbereichen in einer freiwilligen Testphase. Die Regionalbereiche wurden hierfür mit einer HoloLens-Brille, fünf Tablets sowie einem Regionaltrainer als zentralen Ansprechpartner ausgestattet. Dieser fungiert außerdem als Multiplikator für das Projekt und bekommt ein separates Trainingskonzept im Umfang von einem Tutorial, Lernvideo und Handbuch.

Projektergebnis

Mit dem Projekt „3D-Druchblick“ wurde im Kern ein Teil der Infrastruktur, mit der die Instandhalter der DB Netz AG konfrontiert werden, virtualisiert. Diese hochwertigen Hologramme geben den Lernern in der Form von Augmented Reality einen realitätsnahen Einblick in Weichenantriebe, Stellwerkskomponenten und weitere Aspekte rund um die Leit- und Sicherungstechnik der DB Netz AG. Die Hologramme können in jede Richtung gedreht und betrachtet sowie Funktionsabläufe mit Fingertipps auf virtuelle Schaltflächen ausgelöst sowie animiert gezeigt werden. Dadurch können typische Arbeiten wie Montage von Weichenverschlüssen oder die Behebung von Weichenstörungen ohne großen Aufwand am virtuellen Objekt trainiert werden. Die Hologramme stellen jedoch keinen Ersatz für klassische Präsenzseminare, sondern vielmehr eine Bereicherung für diese dar. Denn dank der Technik kann das eigentliche Lernobjekt direkt in den Seminarraum geholt werden, wodurch Theorie und Praxis stärker miteinander verzahnt werden können. Somit können mit der virtuellen Anlage beispielsweise Störungen problemlos simuliert sowie Wirkungszusammenhänge plastisch beleuchtet werden, was nicht nur die Trainingsqualität erhöht, sondern auch die Handlungssicherheit der künftigen Instandhalter steigern soll.

Fazit

„Großartig, wie sich das Lernen verändert und welche neuen Möglichkeiten dadurch entstehen. Es begeistert uns, dass vergleichsweise ‚alte Techniken‘ heute auf so moderne Art und Weise geschult werden können. Eine absolute Bereicherung.“ – Michaela Horst, ehemalige Projektmitarbeiterin, DB Netz AG.

Allzu oft wird Augmented Reality bisher weniger als eine neue Lernmethode, sondern vielmehr als Unterstützung der Mitarbeiter im Arbeitsprozess vorrangig im Sinne eines Performance Supports eingesetzt. Mit dem Projekt „3D-Durchblick“ zeigen die beiden Projektpartner allerdings eindrucksvoll, welches Potential Augmented Reality insbesondere zur Bereicherung klassischer Trainingsmaßnahmen besitzt. Aus diesem Grund zeichnet die Jury des eLearning Journals die beiden Projektpartner DB Netz AG und VISCOPIC GmbH mit dem eLearning AWARD 2019 in der Kategorie „Augmented Reality“ aus. (Redaktion: Sarah Meyer)