Online Lernen – damit was hängen bleibt!

Wie kann mit online-basierten Lehr- und Lerntechnologien (eLearning) der Lerntransfer gefördert und gesichert werden?

„Lerntransfer ist das, was vom Kurz- in das
Langzeitgedächtnis und dann ins Verhalten geht.“

und

„Transfer bedeutet, das Gelernte praktisch anzuwenden
und zur Kompetenz werden zu lassen.“

Online-basiertes Lernen wird heute für eine zeitgemäße Wissensvermittlung durch ein breites Spektrum von Online-Lerntechnologien, auch eLearning genannt, von einem breitgefächerten Markt angeboten. Beispiele dafür sind: WBTs – Web Based Trainings, VC – virtuelle Klassenräume, Mobile Learning – Lernen mit mobilen Endgeräten (Tablets + Mobile Phones), Vodcasts – Lernvideos/Tutorials, Game-based Learning bis hin zum VR – Virtual Reality oder auch AI – Augmented Reality. Dabei kommen bevorzugt sogenannte Blended-Learning Konzepte zum Einsatz, also ein Mix aus Online- und Präsenzlernen, die auch auf daran angepasste Methoden wie z.B. der Flipped Classroom – ein invertiertes Klassenraumkonzept basieren können.

Alle diese Lehr- und Lerntechnologien dienen jedoch zunächst nur dem Zweck des Wissensangebotes oder auch einer Ermöglichung von Lernen. D.h., mit diesen Werkzeugen (SW-Tools) wird ein entsprechender Lerninhalt didaktisch aufbereitet und (hoffentlich) attraktiv sowie Lerner-freundlich (verständlich, unterhaltend, zielorientiert, verdaubar …) einem lernbereiten Menschen angeboten, um damit seinem individuellen Lernziel und der daraus zu entwickelnden Kompetenz nachzukommen.

Es folgt eine wichtige Frage:

Was wird denn nach einer absolvierten Lern-/Trainingseinheit aus dem zu vermittelten Lerninhalt gemacht? Sprich: Wie erfolgt der Transfer in die persönliche Handlung? Oder anders ausgedrückt: Wie wird das Lernen wirksam? Kompetenz, definiert als die selbstorganisierte Handlungsfähigkeit in unerwarteten Situationen, ist damit ja noch nicht erworben. Denn: „Wir lernen nicht um zu wissen, wir lernen um zu können!“

Gerade der Transfer des Erlernten in die tägliche Praxis macht doch erst den Sinn und Zweck eines Lernangebotes aus.

Und eben das führt uns zu der obigen Leitfrage:

Können uns die bekannten, aktuellen online-basierten Lerntechnologien nicht auch beim wichtigen und notwendigen Lerntransfer unterstützen? Denn ein großer Vorteil von Online-Tools ist doch, sie stehen überall dann zur Verfügung, wenn sie wirklich gebraucht werden (24/7). Dadurch kann übrigens auch das „Lernen auf Vorrat“ auf ein Mindestmaß und nur auf den tatsächlichen Bedarf reduziert werden.

Dazu beispielhaft das folgende Szenario aus der industriellen Praxis:

In einem Industriebetrieb sind im Bereich der Instandhaltung diverse mechanische Tätigkeiten an Maschinen durchzuführen (z.B.: ein Ventilwechsel). Dazu werden via Datenbrille und einem Augmented Reality System dem Mechaniker wichtige Handlungsanweisungen und Informationen online während der eigentlichen Tätigkeit eingeblendet, also seiner realen Ansicht überlagert. Dies kann beliebig oft ausgeführt und wiederholt werden bis diese Tätigkeit wirklich korrekt erlernt ist, also kompetent durchgeführt werden kann. Den Menschen (Mechaniker) und die Maschine erkennt das System in Zeiten von Industrie 4.0 anhand entsprechender Indikatoren von selbst (z.B. durch Iris- und QR-Code-Scan) und es kann daher auch den individuellen Lernfortschritt individuell anpassen und gegebenenfalls beurteilen, ob ein gesetztes Lernziel erreicht worden ist. Damit wird der Lerninhalt unmittelbar in die Praxis transferiert und der Lernende quasi in seiner Aufgabe online gecoacht. Und das erst dann, wenn es tatsächlich notwendig ist und nicht auf Vorrat. Das Erwähnen weiterer zahlreicher Möglichkeiten (Sicherheit, Qualität, etc.), die sich aus dieser Lerntechnologie (AR) ergeben, würde hier den Rahmen dieses Beitrages sprengen.

Quelle: © elenabsl / Fotolia

Ein weiteres Beispiel aus dem Vertriebsbereich:

Zum Thema „aktuelle Produktneuigkeiten“ wird eine Trainingsveranstaltung in einem virtuellen Trainingsraum (VC) mit international bzw. regional verteilten Vertriebsmitarbeiter durchgeführt.

Ziel ist: Die Teilnehmer sollen in der Lage sein, die Produktneuigkeiten überzeugend den Kunden zu präsentieren. Für die eigentliche Lehr- oder Trainingsveranstaltung sind auf Grund der Virtualität natürlich keine Location- und Reiseressourcen notwendig, was zu erheblicher Kosteneinsparung führt. Am Ende der Lerneinheit erfolgt unmittelbar eine kurze individuelle Wissensüberprüfung online (z.B. via Multiple-Choice-Fragen mit Lösungshinweis per synchronem VoIP-Dialog, WebCam oder Chat und ggf. mit einer Korrekturmöglichkeit). Zweck: Ist der gerade vermittelte Lerninhalt überhaupt angekommen? Wenn nein, was könnte die Ursache dafür sein? Wenn ja, dann erfolgt ein strukturiertes und personalisiertes Folgeangebot je nach aktuellem Lernbedarf. D.h., der Lerner erhält individuell weitere kurze Lernnuggets (kurze 1 bis 2-minütige Lerneinheiten z.B. via mobiler Endgeräte) und zwar erst dann, wenn diese benötigt werden. Damit wird das einmal erhaltene Wissen wiederholt und findet seine Anwendung in der Praxis. Diese Methode wird auch als adaptives Lernen online (Adaptive Learning) bezeichnet. Durch mehrmaliges Wiederholen festig sich auch hier das angebotene Wissen und führt dann zur Kompetenz, nämlich dem selbstorientierten Handeln in neuen Situationen. Dadurch erhält der Vertriebsmitarbeiter die Sicherheit bei der Präsentation von Produktneuigkeiten und wird überzeugend vor Kunden auftreten und erfolgreich handeln können. Dass sich dadurch seine Motivation und Begeisterung steigern lässt, versteht sich.

Durch die Verfolgung der Art und Weise solcher Online-Lernaktivitäten (Learning Analytics), wären moderne Systeme heute auch in der Lage, das weitere Lernprogramm für den Mitarbeitenden individuell auf seine persönlichen Bedürfnisse anzupassen, womit sich durchaus auch der Spaßfaktor oder auch die Akzeptanz für das Online-Lernen erhöhen kann. Allerdings muss sich der lernende Mitarbeiter darauf einlassen – „Big Data“ lässt grüßen. Der Lerntransfer wird aber durch den individuellen Einsatz von online-basierten Lerntechnologien wirksam unterstützt.

Kommen wir noch zu einem wesentlichen Faktor, was die Bereitschaft zum Lernen und damit auch der Umsetzung des einmal bezogenen Wissens in die Praxis angeht. Um daraus eine Kompetenz zu entwickeln, bedarf es einer gewissen Portion an Selbstlernfähigkeit oder besser noch an Selbstlernkompetenz und das insbesondere auch künftig beim Lernen online. Das bedeutet, dass die Verantwortung für den Prozess „Lernen“ immer stärker auf den eigentlichen Lerner selbst übertragen wird. Dies zeigt sich z.B. bei IT-affinen Lernern durch die konsequente Nutzung von Online-Quellen für die Wissensaufnahme beim Lernen. Diese Quellen werden selbsttätig dann genutzt, wenn sie gerade aktuell benötigt werden. Außerdem werden gerne neue Aufgaben- und Fragestellungen nicht allein, sondern online in Netzwerken bearbeitet. Dazu bedarf es jedoch in vielen Unternehmen noch ein Umdenken in der Lernkultur. In der Industrie 4.0 sind zwar die Produkte heute schon häufig vernetzt, der Mensch muss beim Lernen dem aber noch intensiv folgen. Die Entwicklung der Selbstlernkompetenz mit dem Ziel aus einem, überwiegend online vorhandenen aktuellen Wissenspool Aufgabenstellungen zielorientiert zu bearbeiten, ist insbesondere in kleinen und mittleren industriellen Unternehmen noch in der Entwicklung und wird sich aber zunehmend weiterverbreiten. Denn durch die selbstgesteuerte Nutzung von Methoden und dazu geeigneten Online-Lerntechnologien lässt sich Lerntransfer individuell fördern und sichern.

Schlussbemerkung: „… der beste Lerntransfer ist der, den der Lerner selber gar nicht bemerkt, welcher ihm aber doch die gewünschte Kompetenz verschafft.“


Der Autor

Dipl.-Ing. Hans-Peter Maas

Aus der Naturwissenschaft kommend und mit über 25 Jahre Erfahrung als technischer Trainer ist er ein Quereinsteiger in die Online-Bildungslandschaft. Er beschäftigt sich seit > 15 Jahren mit allen Möglichkeiten einer praxis-orientierten Online-Bildung in der Industrie und ist heute nach seinem Schritt in den „Un“-Ruhestand als unabhängiger, freischaffender Berater für die Online-Bildung tätig sowie im Berufsverband für Online-Bildung aktiv.


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