Es gibt zahlreiche Gründe, die für die Eigenproduktion von Lerneinheiten sprechen können, seien es etwa die geringeren Kosten, ein schnellerer sowie flexiblerer Entwicklungsprozess oder die Unabhängigkeit von Dienstleistern. Damit man jedoch selbst hochwertige Lerneinheiten produzieren kann, führt in der Regel kein Weg an einem Autorentool vorbei. Doch wie findet man am besten das passende Autorentool für die eigenen Bedarfe?
Denn die Auswahl an verfügbaren Autorentools im eLearning-Markt ist groß, was die richtige Wahl schwierig machen kann. Welche Funktionen werden benötigt? Ist das Autorentool auch für relative Anfänger nutzbar oder ist es nur für Experten mit ausreichender Erfahrung geeignet? Sollen die selbstproduzierten Lerninhalte auch mit mobilen Endgeräten kompatibel sein? Welche Lizenzmodelle haben die Autorentools und wie flexibel sind diese? Dies sind nur einige der Fragen, welche bei der Suche nach einem neuen Autorentool berücksichtigt werden sollten. Um Sie bei dieser Suche zu unterstützen, hat die Redaktion des eLearning Journals 10 zentrale Aspekte zusammengestellt, auf welche Sie bei der Auswahl eines Autorentools auf jeden Fall achten sollten.
1. Funktionsvielfalt
Eines der wichtigsten Auswahlkriterien stellt der Funktionsumfang des Autorentools dar. Selbst einfache und abgespeckte Systeme bieten heutzutage grundlegende Funktionen wie etwa WYSIWYG oder die Einbindung von Texten, Bildern oder Videos, womit bereits zweckmäßige und durchaus auch attraktive Lerneinheiten wie etwa Web Based Trainings gestaltet werden können. Doch über diese Standards hinaus gibt es eine ganze Reihe von Funktionen, in denen sich die Autorentools am Markt teilweise deutlich unterscheiden können.
In vielen Unternehmen gibt es umfangreiche Sammlungen von Schulungsunterlagen typischerweise in der Form von PDF oder PowerPoint. Viele Autorentools bieten aus diesem Grund eine Import-Funktion, mit welcher diese Unterlagen in eine rudimentäre Lerneinheit umgewandelt werden können. Beim Import sollte allerdings kein Film entstehen, sondern vielmehr die einzelnen Elemente jeder Seite übernommen werden, so dass diese anschließend im Autorentool bearbeitet werden können.
Eine weitere hilfreiche Funktion ist Recording/Capturing. Damit können direkt im Autorentool Bilder und Videos gemacht bzw. aufgezeichnet, bearbeitet und anschließend in Lerneinheiten verwendet werden. Das Medium „Video“ findet heutzutage in immer mehr Lerneinheiten Verwendung, weshalb die einfache Erstellung, Bearbeitung und Vertonung von Videos eigentlich in keinem Autorentool fehlen sollte.
Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Funktionen, die bei der Auswahl relevant sein können. Über welche Standardelemente verfügt das Autorentool, welche die Gestaltung von Lerneinheiten einfacher und interessanter machen können (z.B. Formen, Tabellen, Textfelder, aber auch Avatare oder Gamification-Elemente)? Welche und wie viele Medien-, aber auch Ausgabeformate werden unterstützt? Können mit dem Autorentool neben reinen Lernmedien auch Schulungs- und/oder Arbeitsmaterialien produziert werden? Können mit dem System auch Tests erstellt werden (Stichwort Lernerfolgskontrolle)?
Bei der Fülle von Funktionen und Optionen ist es daher wichtig, sich der eigenen aktuellen und, wenn möglich, zukünftigen Bedarfe bewusst zu sein. Werden im eigenen Haus ausschließlich relativ einfache WBTs ohne große Interaktivität verwendet, dann kann bereits ein relativ simples und kostengünstiges Autorentool ausreichend sein. Soll mit dem System allerdings ein ausgewogener Medienmix aus WBTs, Videotraining, Simulationen, Gamifcation und mehr entstehen, dann engt sich die Auswahl der passenden Produkte am Markt bereits deutlich ein.
2. Mobile Learning und Responsive Design
Nach der aktuellen eLearning BENCHMARKING Studie 2018 nutzt knapp unter einem Drittel der befragten Unternehmen bereits Mobile Learning, während etwa ein knappes weiteres Drittel den Einsatz plant. Vor diesem Hintergrund ist es für viele Unternehmen nicht mehr ausreichend, dass die verfügbaren Lerninhalte lediglich für den Desktop-PC optimiert sind.
Es gibt Autorentools, mit denen Lerninhalte speziell für PC, Tablet oder Smartphone erstellt werden können. Werden Lerninhalte in der Regel immer für bestimmte Zielgruppen und/oder Endgeräte produziert, kann eine solche Optimierung unter Umständen bereits ausreichen. Sollen mit einem solchen Autorentool allerdings Lerninhalte für mehrere Endgeräte erstellt werden, bedeutet dies einen zusätzlichen Aufwand.
Aus diesem Grund empfiehlt es sich, auf Autorentools zu setzen, mit denen Lerninhalte „responsive“ erzeugt werden können. Responsives Design bedeutet, dass sich sowohl der Bildschirminhalt basierend auf der Größe und Auflösung des Bildschirms automatisch ausrichtet als auch die Steuerung bzw. Bedienung angepasst wird (z.B. wischen statt klicken). So kann gewährleistet werden, dass ein Lerninhalt vom PC bis zum Smartphone komfortabel genutzt werden kann, d.h. responsive Lerninhalte bieten den Mitarbeitern größtmögliche Nutzungsfreiheit bei gleichzeitiger Reduzierung des Produktionsaufwands.
3. Usability
Je benutzerfreundlicher und intuitiver ein Autorentool ist, desto größer ist der Pool an potentiellen Autoren. Für ein Unternehmen kann es durchaus vorteilhaft sein, dieses Potential zu aktivieren, denn in der Regel sitzen Kompetenzträger bzw. Subject Matter Experts (SMOs) nicht in der Personal-, sondern in den Fachabteilungen. Können selbst Laien nach einer kurzen Einarbeitungszeit mit einem Autorentool nutzbare Lerneinheiten produzieren, kann dies nicht nur die Personal- bzw. eLearning-Abteilung entlasten, sondern Fachabteilungen auch eine größere Kontrolle über die eigenen Lerninhalte ermöglichen.
Aus diesen Gründen sollte ein Autorentool eine effiziente und intuitive Erstellung von Medien ermöglichen, ohne dass zwangsläufig Programmierkenntnisse benötigt werden. Eine breite Palette an Standardelementen wie etwa vordefinierte Raster, Schriften, Formen, Interaktionen und Ähnliches erleichtern es auch Einsteigern attraktive Lerninhalte zu erstellen. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Kontext außerdem Templates, welche Autoren eine vorgefertigte Struktur anbieten und so die Erstellung von Seiten bzw. ganzen Lerneinheiten sowohl deutlich erleichtern als auch beschleunigen. Diese Templates können sowohl von eLearning-Dienstleistern als auch internen Experten individuell entsprechend der eigenen Bedürfnisse erstellt werden.
4. Konnektivität & Schnittstellen:
Autorentools gehören zur eLearning-Infrastruktur und müssen ähnlich wie ein LMS in die Systemlandschaft eines Unternehmens passen. Immer öfter sollen Autorensysteme nicht als Stand-alone betrieben, sondern in eine Systemlandschaft integriert werden, damit bestimmte Prozesse abgebildet werden können. Beispielsweise soll das Autorentool in vielen Unternehmen mit dem HR-System verknüpft werden, etwa, um Logins zu generieren, die Stammdaten aktuell zu halten sowie zu synchronisieren oder neue Nutzer anlegen zu können. Damit ein Autorentool möglichst unkompliziert in die eigene IT-Infrastruktur integriert werden kann, ist es daher wichtig, darauf zu achten, dass ein Autorentool entsprechende Schnittstellen anbietet.
5. Mehrsprachigkeit & Lokalisierung
Digitale Lerninhalte sind traditionell insbesondere im größeren Mittelstand sowie in Großunternehmen verbreitet. Gerade diese Zielgruppe ist typischerweise international aufgestellt, weshalb die Lokalisierung von Lerninhalten im Produktionsprozess eine nicht unerhebliche Rolle spielen kann. Je öfter in einem Unternehmen also mehrsprachige Lernmedien genutzt werden, desto wichtiger ist eine effiziente Produktion ohne großen Mehraufwand. Daher sollte das Autorentool Standards unterstützen, die beispielweise von Sprachagenturen genutzt werden (XLIFF und HTML).
Ebenfalls wichtig ist eine Trennung von Design und Inhalt, d.h. alle Änderungen an Bildschirm- und Sprechertexten, welche im Rahmen einer Übersetzung anfallen, sollten in einem Dokument vorgenommen werden können. Dieses Dokument kann von dem entsprechenden Experten problemlos übersetzt und anschließend mit Hilfe des Autorentools wieder integriert werden, so dass direkt das gesamte Medium übersetzt ist. Dadurch muss nicht jede einzelne Medienseite und jeder Menüpunkt separat bearbeitet werden, was den Übersetzungsprozess beschleunigt.
Neben Sprachanpassungen müssen bei einem internationalen Rollout ggf. auch inhaltliche Unterschiede berücksichtigt werden. So kann es beispielsweise vorkommen, dass ein bestimmtes Produkt nicht in allen Regionen angeboten wird und in der lokalisierten Fassung dieses Produkt dementsprechend entfernt werden sollte. Optimalerweise bietet das Autorentool deshalb die Möglichkeit, einzelne Seiten und/oder gar einzelne Elemente zu sperren oder freizugeben, um damit den Landesorganisationen den Austausch dieser Elemente (Bilder, Texte, Videos, etc.) zu ermöglichen.
6. Wissensmanagement
Ist ein neues Lernmedium erstellt, ist die Arbeit damit nicht zwangsläufig abgeschlossen. Oftmals müssen Lerninhalte auch nach dem praktischen Einsatz gepflegt und aktualisiert werden. Um diesen Aufwand möglichst gering zu halten, empfehlen sich Autorentools, welche den „Single-Source-of-Truth-Ansatz“ unterstützen. Damit werden Inhalte und Variablen zentral einmalig erstellt und können anschließend in verschiedenen Medien wiederverwendet werden. Diese Vorgehensweise senkt sowohl die Entwicklungs- als auch die Aktualisierungskosten erheblich und kann gleichzeitig auch das Fehlerrisiko reduzieren. Mit einem einfachen Aktualisierungsmanagement müssen Anpassungen wie z.B. bei Wissens-
einheiten, Zahlen, Infografiken und ähnlichem nur einmal gemacht werden, wodurch diese Änderungen anschließend an jedem Verwendungspunkt automatisch durchgeführt werden.
7. Sicherheit & Vertrauen
Dank der neuen Datenschutz-Grundverordnung ist das Thema „Sicherheit“ gerade aktueller denn je. Auch im Kontext von Autorentools spielen Sicherheit und Datenschutz eine wichtige Rolle, insbesondere wenn es sich um ein webbasiertes System handelt. Ähnlich wie bei der Auswahl eines Learning Management Systems sollten beim Autorentool einige Fragen beantwortet werden. Ist eine Zertifizierung vorhanden? Wo werden die Daten gespeichert? Stehen die Server in Deutschland? Sind die Daten verschlüsselt? Dies sind nur einige der Fragen, die man vor einer Entscheidung unbedingt abklären sollte.
Doch nicht nur aus Sicherheits-Bedenken ist es relevant, bei der Auswahl auch auf den dahinterstehenden Dienstleister zu achten. Die Anschaffung eines Autorentools ist in der Regel eine längerfristige Angelegenheit, weshalb eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Dienstleister wichtig ist. Feste Ansprechpartner, gemeinsame Workshops sowie ein guter Service sowohl vor als auch nach dem Kauf sind alles Maßnahmen, welche Vertrauen schaffen und bei einer Entscheidung berücksichtigt werden sollten.
8. Testversion
Die meisten Autorentool-Anbieter bieten potentiellen Kunden eine kostenfreie Testversion mit vollem Funktionsumfang an. Abseits der Versprechungen des Vertriebs bietet eine Testversion die Möglichkeit, sich umfassend selbst ein Bild von den Stärken und Schwächen eines Autorentools zu machen. Wie intuitiv ist die Benutzeroberfläche? Wie gut ist Echtbilddarstellung/WYSIWYG? Sind selbstproduzierte Lerninhalte wirklich responsive? Hält die Funktionsvielfalt, was sie verspricht?
Sind mehrere Autorentools in der engeren Auswahl, kann mit den verschiedenen Testversionen jeweils ein kurzer, konkreter Kurs erstellt werden, der so oder so ähnlich auch wirklich im eigenen Haus produziert werden würde. Ein solcher Praxiseinsatz kann einerseits Unterschiede zwischen den verschiedenen Autorentools unterstreichen und einem andererseits die Sicherheit geben, dass die „Front-runner“ auch wirklich mit den eigenen Bedarfen kompatibel sind.
9. Preis & Lizenzmodell
Neben der Funktionsvielfalt und dem dahinterstehenden Dienstleister stellen der Preis sowie das Lizenzmodell selbstverständlich ein weiteres grundlegendes Auswahlkriterium dar. Ähnlich wie bei den Learning Management Systemen gibt es auch im Autorentool-Markt teilweise deutliche Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Produkten am Markt. Von preisgünstigen Autorentools mit einem geringeren Funktionsumfang bis hin zu den teureren Premiumprodukten, mit denen selbst aufwendigste Lerneinheiten erfolgreich produziert werden können, ist die Bandbreite groß.
Neben dem Preis sollte außerdem auf das Lizenzmodell geachtet werden. Damit man am Ende auch wirklich nur für die Aspekte bezahlt, die wirklich benö-tigt werden, sollte man sich vor dem Kauf folgende Fragen stellen: Wie viele Autoren werden benötigt? Wie viele Lerner habe ich? Welche Medien möchte ich erstellen? Wie und wo sollen meine Medien veröffentlicht werden? Je nachdem, wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen, sollte man versuchen, mit dem Anbieter zusammen ein passendes Lizenzmodell zu finden.
10. Zukunftsfähigkeit
Autorentools sind eine längerfristige Investition, d.h. neben den aktuellen Bedarfen sollte man bei der Suche nach dem passenden System auch die Zukunft im Auge behalten. Die Versuchung ist oftmals groß, eine Entscheidung basierend auf den Anforderungen aktueller Projekte zu wählen. Doch wie sieht die Situation in einigen Monaten oder in ein bis zwei Jahren aus? Nur weil beispielsweise das Thema Mobile Learning bisher noch keine Rolle gespielt hat, ist es deshalb sinnvoll, ein Autorentool auszuwählen, mit dem keine responsiven Lerninhalte produziert werden können? Nur weil das Thema Gamification aktuell noch keine Relevanz besitzt, muss das nicht heißen, dass dies auch in den kommenden Jahren noch der Fall ist.
Bei der Entscheidung sollten daher nicht nur die aktuellen Bedarfe eine Rolle spielen, sondern man sollte außerdem versuchen, einen möglichst umfangreichen Blick in die Zukunft zu werfen. Bei der Auswahl kann es daher sinnvoll sein, sich für ein Autorentool zu entscheiden, welches nicht nur die aktuellen Bedarfe bedienen kann, sondern auch Entwicklungspotential für die kommenden Jahre bietet.