Social Learning: eLearning in Version 4.0 gedacht – Warum und wie der künftige Arbeitsplatz eLearning herausfordert

Wir scheinen in einer Zeit des Ankommens: eLearning in Unternehmen und Zukunftstrends im eLearning. Bei letzterem wird meist die Notwendigkeit betont, künftige Trends jenseits technologischer Buzzwords zu betrachten. Zugleich wird das Buzzword der Digitalisierung bemüht, Anforderungen an Lerntechnologien zu formulieren, die zum Lernen anreizen und den Anforderungen nach messbarer und nachhaltiger Verbesserung genügen sollen. Doch passen Arbeitswelt 4.0 und didaktisch-methodische Paradigmen des Zeitalters 1.0 zusammen? Eine mögliche Lösung: eLearning in anderen Kontext einbetten.

Abbildung 1: Technische Neuerungen wirken sich immer auch auf eLearning aus. Während in den 90ern eLearning noch über CD-ROM oder Diskette aufgerufen wurde, dominiert heutzutage das Netz.

Irgendwie dann doch alles Digitalisierung, oder?

Digitalisierung, KI (Künstliche Intelligenz), Bot, Digitaler Arbeitsplatz, Virtual / Mixed Reality und mehr kommen uns inzwischen ebenso flüssig über die Lippen wie der Begriff des eLearning. Zumindest gehört haben wir schon davon, was im gleichen Maße durchaus auch auf den bereits in die Jahre gekommenen Begriff des eLearning zutrifft. Denn angekommen ist eLearning ja noch nicht überall. Doch wissen wir alle, worum es dabei geht, nämlich Lernen mit Hilfe elektronischer Medien und Instrumente, und die methodischen Feinheiten und Finessen spielen erst einmal keine Rolle.

Elektronisch, das spüren wir bereits beim Aussprechen, mutet ebenso veraltet an wie der PC-Sprachkurs auf Diskette der 90-er Jahre des letzten Jahrhunderts. Digital träfe es auch, und dies durchaus hyper, damit jedoch nicht unbedingt hilfreicher. Digitalisierung ist allerorten, beruflich wie privat, wird jedoch meist nicht mit diesem Begriff verknüpft.

Würden wir auf eine Person so Mitte 60 im Eiscafé zugehen und anerkennend vermerken: „Toll, Sie nehmen ja aktiv an der Digitalisierung teil“. Dann würde besagte Person wahrscheinlich verdutzt dreinschauen und antworten: „Nein eigentlich nicht, ich stelle nur das Bild dieses leckeren Eisbechers auf Facebook ein.“

Bei näherem Hinsehen erkennen wir, dass Digitalisierung einen Bildupload zwar impliziert (immerhin ermöglicht sie diesen ja erst), eine weitere Differenzierung hinsichtlich des Verhaltens der Nutzenden wie Teilen, Vernetzen oder Liken und Kommentieren hingegen Aktivitäten erfasst und sich damit dem nähert, was wir mit Digitalisierung im Grunde meinen. Eben nicht die Technologisierung, sondern Handeln und Verhalten unter Nutzung digitaler Medien. Handeln und Verhalten nun sind das, was wir mit Training und eLearning fördern wollen, kommen im Grunde aber nicht mit den Möglichkeiten und Anforderungen einer 4.0-Welt an künftiges Handeln und Verhalten hinterher. Fordern uns die derzeitigen Möglichkeiten, die wir durch Technologisierung erleben, schon allerhand ab, so können wir (man denke nur an Bots und KI) heute noch nicht so richtig greifen, wie wir morgen mit diesen neuen Kollegen interagieren. Werden sie, selber lernend, cleverer als jedes eLearning sein?

Warum erhält die Digitalisierung zu Beginn dieses Artikels einen relativ großen Raum?

Abbildung 2: In der eLearning-Branche tummeln sich mittlerweile eine Vielzahl von Begriffen und Definitionen. Nicht selten kann dieser Begriffssalat eher zu Verwirrung statt zu Verständnis führen.

Nun, zum einen, weil wir eben im digitalen Zeitalter leben. Einem Zeitalter ökonomischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche. Im Privaten und im Arbeitsumfeld. Wir sprechen hier nicht mehr von einer schleichenden, sondern von einer rasanten Veränderung, nicht wenige von Revolution. Einer Veränderung, der wir uns im Privaten durchaus noch entziehen können, erstaunlicherweise aber oftmals dann doch nicht tun. Im Auto, im Thermomix, beim Baby Phon über das Smartphone, Smart-TV / -Home – überall dort, wo wir einen direkten Nutzen sehen, greifen wir gerne zu. Und holen uns bei Startschwierigkeiten Hilfe im Internet oder online im Handbuch, lernen Ukulele-Spielen via YouTube oder buchen auf einer Plattform wie Preply einen Online-Lehrer.

Millionen Autodidakten machen sich auf ins Internet, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie im Grunde ja nun ein eLearning absolvieren. Das habe ich mir beigebracht mit…“ wäre wohl die Aussage und nicht „Ich habe eine Fortbildung auf YouTube besucht.“

Schon dieses kleine Beispiel verdeutlicht Wesentliches:

  • Die Menschen machen sich auf, wenn sie einen Bedarf verspüren.
  • Diesen Bedarf decken sie selbstorganisiert in den digitalen Medien.
  • Wenn sie alleine nicht weiter kommen, suchen sie Rat in Foren und/oder Netzwerken.
  • Sie wenden das Erlernte sofort und unmittelbar an.
  • Sie machen sich keine Gedanken darüber, ob sie nun lernen, gar mit E- oder mobile Learning, und sind darüber hinaus durchaus gewillt,
    die ein oder andere Unprofessionalität von Videoerläuterungen in Kauf zu nehmen.
  • Und schauen wir auf den Markt der Apps, durchaus auch mit Spaß, Neugierde und Freude beim Tun, sprich Lernen.

Digitalisierung wird bei all dem Genannten nicht thematisiert, und es darf durchaus bezweifelt werden, dass diese überhaupt bewusst wahrgenommen wird.

Muss auch nicht, es sei denn, wir sind Bildungsanbieter. Denn als Anbieter treten wir den Nutzenden mit eben unserem Bildungsangebot gegenüber. Das nun muss in die Zeit passen, in die besagte digitale. Und damit sind wir mitten in der sog. digitalen Bildung, gleichsam dem Bildungs-Technologiepark angekommen, dessen einzelne Gebäude da heißen könnten: mobile, adaptiv, Webbased Training, Virtual Classroom usw.

Wir sehen uns einer schier unerschöpflichen Begriffsvielfalt gegenüber, deren Unterscheidung zum einen durch die technologische Umsetzung, zum anderen durch geplante Verhaltensmuster der Akteure (Trainierende und Lernende) gekennzeichnet ist. Die Beispiele der Grafik 2 spiegeln Kategorien diverser national und international ausgelobter Awards im Thema eLearning. Für die geplanten Verhaltensmuster gibt es feste Regeln: jemand bereitet didaktisch-methodisch das Wissen so auf, dass die theoretischen Kenntnisse bestmöglich (im Idealfall voll motiviert und mit Spaß) erworben, im geschützten, da geschlossenen Klassenraum geübt und anschließend ins Privat- und / oder Arbeitsleben transferiert werden können. Diese pädagogisch genormten Verhaltensmuster ermöglichen nun, voll Enthusiasmus innerhalb der jeweiligen Kategorie die technologischen Möglichkeiten auszureizen.

Nun mögen viele Kategorisierungen die Spezialisierung der Anbietenden in der Bildungsindustrie fördern und so durchaus als Alleinstellungsmerkmale dienen. Vielleicht jedoch nur auf eine begrenzte Zeit hin, denn Disruption im Bildungssektor vollzieht sich nicht auf Seiten der Bildungsanbietenden, sondern auf der der Nutzenden. Warum sollten Mitarbeitende ihre Talente und Expertise in z. B. Sketchnoting oder Erstellen von Videos, One Pagern usw. dem Unternehmen vorenthalten müssen, weil „Erklären und Erläutern (= Lernen anbieten) institutionell fest verankert und definierten Kategorien zugeordnet ist? Methoden wie Working Out Loud, die unaufhaltsam und äußerst erfolgreiche Verbreitung finden, geben den Mitarbeitenden eine (öffentlich lernende) Stimme. Ein „Learning Out Loud“ im geschlossenen Klassenraum hingegen wird kaum jemand außerhalb der Gruppe vernehmen.

Künftig also Bildungscrowdsourcing?

Es gibt ein zu Motivationszwecken häufig bemühtes Zitat: Wenn Unternehmen X wüsste, was Unternehmen X wüsste. Motiviert werden sollen so Mitarbeitende, Wissen und Erfahrung im ESN während des laufenden Arbeitsprozesses zu teilen, damit andere daran teilhaben, ihre Arbeit vereinfachen oder verbessern können und so ein Mehrwert für Einzelne und das Unternehmen entsteht. Dies klingt logisch, macht Sinn, und die Vielzahl der Praxisbeispiele dokumentiert den Erfolg. Ist es also nicht naheliegend, gänzlich auf die Weisheit, Selbstorganisation und Kreativität der Vielen im Unternehmen zu setzen und darauf zu vertrauen, dass Wiki-Gärtner und Community Manager/-innen nach dem Rechten sehen werden?

Den Genannten fehlt jedoch das, was gute Bildung garantiert: die pädagogische Kompetenz. Und mag auch die Weisheit der Vielen ein beträchtliches Wissen zutage fördern, eine didaktisch-methodische Aufbereitung hingegen zeichnet das bereitgestellte Wissen nicht unbedingt aus. Wenn auch das eben gezeichnete Szenario dringender Korrekturen bedarf, liegt dennoch ein nicht kleiner Kern der Wahrheit darin? Dieser besteht darin, dass das Teilen von Wissen und Erfahrungen der Mitarbeitenden aus jeglicher Art Weiterbildung künftig, und zwar mit Beginn des Designs von Lernszenarien, nicht mehr außen vor bleiben darf. Selbst nicht bei Lehrszenarien.

Es bedarf keines mächtigen Tools wie das eines ESN, das sich schlicht und ergreifend nicht jedes Unternehmen leisten kann. Durchaus aber sind auch in KMU ESN-ähnliche Lösungen zu finden, zu deren Zielsetzung auch das Teilen von Wissen und Kollaboration sowie Co-Creation gehören. Nun könnte man überspitzt formulieren, dass eine Pädagogik ja nicht auf das Teilen, sondern auf (geprüftes) Vermitteln von Wissen zielt, und dies, je nach Nutzung der diversen technologischen Möglichkeiten, im vom (virtuell) Trainierenden orchestrierten (virtuellen) Klassenraum mit unterschiedlichen Methoden (Blended, Gamification etc.). Geprüft, buchbar und damit formal als Learning, ob mit „e“ oder „m“ oder ohne klassifiziert und unter der prüfenden Obhut der Bildungsverantwortlichen. Bestrebungen, das sog. informelle Lernen nun ebenfalls in den Griff zu bekommen, mögen hoffentlich dann zum Scheitern verurteilt sein, wenn sie das herkömmliche Bildungsverständnis zugrunde legen.

Beides, das Teilen von Wissen und Erfahrung der Vielen auf der einen und Bereitstellen von Wissen via eLearning auf der anderen Seite, scheinen derzeit auf zwei voneinander unabhängigen Gleisen voranzurauschen. Im folgenden werden mögliche Haltestellen skizziert, die eventuell dienlich sind, einen (um im Bilde zu bleiben) Bahnhof der Bildung zu kreieren, den Reisende (lernende Mitarbeitende) gemäß persönlichem und/oder gemeinsamen Fahrziel selbstorganisiert nutzen.

eLearning vor doppelter Herausforderung

Vorhergesagtes mag anmuten, als würde der Untergang dessen, was wir unter eLearning subsumieren, verkündet. Dem ist bei weitem nicht so. Es geht vielmehr um eine Erweiterung des Blickwinkels auf der einen und den Schulterschluss mit Veränderungen im Unternehmen auf der anderen.

Gehen wir nur auf einige Beispiele der Kategorien aus Grafik 2 zurück, so erkennen wir sofort das Potenzial des eLearning. Beispielhaft seien hier genannt:

  • das Siegerprojekt des eLearning AWARD 2017 in der Kategorie Simulation (Training im virtuellen Gotthard-Basistunnel – Hochinnovative 3D-Simulationsumgebung für Ausbildung & Training).
    Die Projektbeschreibung1 verdeutlicht anschaulich, dass ein Lernen in dieser virtuellen Simulationsumgebung einem Training im analogen Raum weitaus überlegen ist. Das Spektrum des Trainings deckt alle Facetten moderner Lernangebote ab, und zwar weit über die Wissensvermittlung hinaus. Eine 3D-Lernumgebung ist hier der optimale und zu Recht prämierte Lernort für die Mitarbeitenden.
  • das Siegerprojekt des eLearning AWARD 2017 der Kategorie Compliance Training (Grundlagen zu Datenschutz, IT-Compliance und Know-how-Schutz – Wissensvermittlung über den sorgfältigen Umgang mit Daten und Informationen).
    Welches Unternehmen ist nicht mit Compliance-Themen konfrontiert oder den Themen Arbeitsrecht und Arbeitssicherheit. Viele dieser rechtlichen Vorgaben sind nachweispflichtig zu schulen und darüber hinaus, da Gesetz oder Vorschrift, nicht diskutierbar. Ein Teilen von Wissen und Erfahrungen könnte zwar durchaus den einen und anderen Lerneffekt beflügeln, wäre jedoch für den Wissenserwerb, aus dem sich das entsprechende Verhalten ableiten soll, nicht vonnöten.

Die genannten Beispiele dienen der Verdeutlichung von zwei Aspekten:

  1. Dort, wo ein eigener Raum (z. B. 3D-Lernumgebung) die optimale Lösung bietet, sollte tunlichst dieser Raum geschaffen und genutzt werden. Das Siegerprojekt zeigt, dass nicht nur Wissen transportiert, sondern Verhalten geübt und damit Handlungskompetenz erworben werden kann und damit eine Transferleistung nach Training obsolet wird.
  2. Dort, wo nicht-diskutierbare Inhalte vermittelt und diese Vermittlung zudem nachgewiesen werden muss, bietet sich die Einbettung des eLearning in ein Lernmanagementsystem an, auch dann, wenn es, wie in den meisten Fällen, keine Schnittstelle zu einem ESN, sehr wohl aber zu den HR-Systemen gibt. Gesetzliche Vorgaben können effizient so am besten erfüllt werden.

Es gibt neben den oben Genannten weitere zahlreiche Beispiele, die die berechtigte Existenz einen „herkömmlichen eLearning“ eindrucksvoll belegen. Ohne Werbung für ein Unternehmen machen zu wollen: Das Beispiel der eduBeacons2 firmiert unter dem Label Workplace Learning 4.0 und ermöglicht situatives, individuelles und adaptives Lernen am Arbeitsplatz dank Funktechnologie und mobiler Endgeräte mit entsprechenden Apps. Maßgeschneidertes Lernen, eine alte Anforderung, die bisher einer homogenisierten Gruppe angedient wurde, erhält hier eine neue Dimension und stellt nicht die technische Umsetzung, sondern die Anwendenden in den Vordergrund.

Abbildung 3: Für ein funktionierendes Social Learning-Konzept braucht es ein offenes System, welches den Lernern die Kontrolle über ihre Netzwerk gibt.

An dieser Stelle mögen die Beispiele genügen, warum die eine Herausforderung, nämlich Fortbestand und Weiterentwicklung des eLearning, unabdingbar für eine Arbeitswelt 4.0 ist. Mehr noch: Es stehen insbesondere durch Künstliche Intelligenz, Bots sowie Augmented, Virtual oder Mixed Reality Technologien bereit, die das Design von Lernszenarien grundlegend verändern werden. Doch auch ohne diese Technologien kann schon heute eLearning neues Territorium betreten.

Trainingskataloge enthalten eine so große Fülle an Trainingsangeboten, dass manche Kataloge aus Kostengründen schon gar nicht mehr gedruckt werden. Kurz: Offensichtlich ist das gesamte Arbeitsleben via Training „abbild- und trainierbar“. Es empfiehlt sich, den eigenen Trainingskatalog akribisch zu durchforsten und all die Trainingsangebote in den Bereich des eLearning zu sortieren, wo ein eLearning im Sinne des vorher beschriebenen Nutzens die beste Lösung bietet. Es werden viele Trainings sein, bei weitem aber nicht die Mehrheit.

Die Mehrheit der Trainings wird sich den Anforderungen des digitalen Zeitalters stellen müssen, ohne unmittelbar von Technologie berührt zu sein: Zusammenarbeit, Kommunikation, Führungskräfte, Community Management, das Durchführen virtueller Teammeetings und etliche weitere Themen, die nicht mehr nur in der analogen, sondern zunehmend in der digitalen Welt der Netzwerke im Unternehmen gelebt werden. Und damit erweiterte Fähigkeiten von jeder Person abverlangen. eLearning hat hier die Chance und sollte die Herausforderung annehmen, bekannte Pfade zu verlassen und sich mit erweitertem Selbstverständnis produktiv in Lernprozesse einzubringen. Und dies, sofern vorhanden, dort, wo die Mitarbeitenden arbeiten: im Netzwerk des Unternehmens, das mehr Möglichkeiten als die der reinen Vernetzung bietet.

eLearning-Kategorien anders angewendet

Dion Hinchcliffe hat in seinem lesenswerten Artikel „The digital transformation of learning: Social, informal, self-service, and enjoyable“3 drei Wellen von Lernmanagementsystemen wie folgt beschrieben:

„In fact, these new forms of situated learning are leading to a third wave of learning management tools (the first two waves being the emergence of traditional LMS systems and then the standardization of them). This third wave of digital learning, for want of a general consensus on a term, could be called social learning. That is, the use of digital platforms to bring together communities of interest within an organization — and often indeed from anywhere — to learn about a subject better through interaction with and insights from each other, though usually some relevant authoritative content still has a role in that process.“

Nun ist auch der Begriff des Social Learning ein arg strapazierter und nicht einheitlich definierter. Es sei hier bewusst von der „Gefahr“ gesprochen, dass Social Learning bereits dann vermutet wird, wenn in einem Lernmanagementsystem Features wie Dokumentenbibliothek, Chat, Forum freigeschaltet sind. Bedenken wir, wie lange es LMS mit diesen Funktionen schon gibt, müssten wir eigentlich seit mindestens 15 Jahren von Social Learning sprechen und irgendwie schon weiter vorangekommen sein.

So richtig Social wird erst dann stattfinden (können), wenn der begrenzte Raum eines Lernmanagementsystem verlassen und das offene System einer Plattform betreten wird, die die freie Auswahl der Funktionen durch Nutzende ebenso ermöglicht wie die direkte Verbindung zu den Netzwerken der Einzelnen und den nahtlosen Zugriff auf das Wissen im Unternehmen (siehe Bild 3). Social Learning kann in einem Lern- und Arbeitsort informell und netzwerkbasiert stattfinden. Kann es nicht nur, sondern macht ja bekanntlich die 70-20 % der vielzitierten Formel des betrieblichen Lernens aus.

Hier mit einem eLearning gleichsam präsent sein zu wollen, ist per se zum Scheitern verurteilt. Jedoch erst einmal hinzuschauen durchaus lohnenswert, denn dort wird zunehmend das gelebt, was kompetentes Arbeiten in einer 4.0-Welt ausmacht. Für eLearning ergibt sich daraus die Hausaufgabe, die Welt der Mitarbeitenden zwecks gründlicher Umschau zu betreten. Bei dieser Umschau wird festgestellt werden, dass das häufig bemühte Wort der Augenhöhe in vernetzter Offenheit und Transparenz zunehmend gängige Praxis wird. Zwar noch nicht von allen praktiziert, aber von immer mehr Mitarbeitenden quer durch alle Hierarchien. Nichts kann dies besser dokumentieren als die rasant wachsende Zahl der Working Out Loud-Circle in immer mehr Unternehmen. In diesem Beitrag geht es nicht um die neue Rolle von HR und Weiterbildnern, dennoch sei angemerkt, dass eine solche Umschau ein enormes Potenzial weiterer und neuer Serviceleistungen für HR identifizieren hilft. Vor allem aber wird nicht nur das „neue Handeln“ sichtbar, sondern das geteilte Wissen, dass Weiterbildnern, die die Hausaufgabe verweigern, nicht zur Verfügung steht.

eLearning im Kontext eines ESN hat damit die Möglichkeit, zu Beginn eines Lerndesigns den Weg eines konzeptionellen Crowd-Designs zu gehen. Schließlich steht das geteilte Wissen in einem Umfang zur Verfügung, der herkömmlichen Fachkonzeptionen nur schwer und aufwändig zugänglich ist. Im ESN sichtbare Influencer und Experten helfen z. B. in kreativen Startworkhops, Lernangebote auf dem breiten Wissen im Unternehmen aufzubauen und unternehmensspezifische Bedarfe oder Anforderungen unmittelbar zu berücksichtigen. Auch kann die optimale Aufbereitung von Fachinhalten durch Videointerviews mit Themenverantwortlichen unterstützt werden. Jeder, der bereits ein Smart Phone genutzt hat, weiß um die Einfachheit.

Das Video-Beispiel deutet es bereits an: Es geht nicht darum, in einer der Kategorien aus Bild 2 und nur in dieser aktiv zu werden. Es geht darum, alle Kategorien zu nutzen, um, ja, auch für nur einen Kurs, fachliche Inhalte aufzubereiten: mit Storytelling, angereichert um Infografiken, Videos, Gamification-Elemente – kurz: Das „Drehbuch“ des Fachwissens für ein Community-Wiki zu schreiben, das durch seine Verortung nahtlose Verlinkung in das gesamte ESN und zurück in die Community ermöglicht.

Wir könnten das Drehbuch dieses „neuen“ eLearning auch Planung, Spezifikation und Launch einer Community nennen. Denn Lern-Communities sind der Ort, an dem eLearning seine neue Frische ausleben kann; Lern-Communities, die als Kurs plan- und durchführbar sind und sich von CoP (Community of Practice) als ein soziales System mit informellem Charakter unterscheiden: Sie sind auf ein gemeinschaftliches und zugleich in diesem Rahmen individuelle Ziele gerichtet und befristet. Eine Lerncommunity im og. Sinne kombiniert informelle und formale Kriterien, sie genügt allen Anforderungen, die wir bisher an Kurse / eLearning stellten und geht sogar einen großen Schritt darüber hinaus.

eLearning 4.0

Wir reden von Arbeitswelt 4.0, Industrie 4.0, also hilft ein 4.0 bei eLearning, an die damit verbundenen Vorstellungen, Interpretationen und Visionen anzuknüpfen. Ein eLearning 4.0, wie es oben mit Lerncommunities skizziert wurde, unterscheidet sich neben Lernort und Aufbereitung des Wissens u. a. durch folgenden Punkte von dem uns bekannten eLearning:

  • Ade Homogenität – willkommen Heterogenität
    Klassische Unterrichtsplanung kann nur bei möglichst homogener Gruppe von Lernenden in der vorgesehenen Zeit funktionieren. Jeder Schüler und alle Eltern wissen es: Wenn es in der veranschlagten Zeit nicht klappt, muss Nachhilfe her. Im Unternehmen leisten diese Nachhilfe dann meist Kollegen/-innen. Im Arbeitsleben 4.0 werden, so ist zu vermuten, künftig „homogene Routineabläufe“ vom Kollegen Roboter absolviert werden, Mitarbeitende gewinnen Zeit für Kreativität, Innovation und mehr, also wird insbesondere die Heterogenität freigesetzt und gefördert. eLearning, erst recht als Workplace Learning, muss sich dem anschließen und stellt somit Webbased Trainings, auch Webinare als reine Wissensvermittlung in Frage. Nicht das Wissen, sondern die Kompetenz muss und kann im Communitylernen erworben werden. Dies zudem nachweisbar, da Heterogenität das Sichtbarwerden des individuellen Fortschritts ebenso ermöglicht wie zum Beispiel die Fortschritte der Lerncommunity-Mitglieder hinsichtlich Kollaboration, Teambildung, Co-Creation und mehr.
  • Lernziele ja – Lernziele im Stundentakt nein
    Heterogenität willkommen zu heißen bedeutet auch den Abschied von klassischer Stundenverlaufs- oder Drehbuchplanung. Es kann nicht mehr darum gehen, zu einem geplanten Zeitpunkt die Wissenslernziele gemeinsam zu erreichen, sondern es ist eine Öffnung vonnöten, dass Lernende im Verlaufe eines Kurses individuell, in der Gemeinschaft mit anderen und selbstorganisiert zum Ziel gelangen. Lernen so wie Arbeiten 4.0 eben
  • Ade Transfer – willkommen Workplace im Learning
    Das, was im Community-Lernen gelernt wird, kann nahtlos in das Arbeitsleben übertragen und direkt angewendet werden. Ein Transfer, unter Umständen sogar auf andere Systeme (Virtual Classroom im Training – WebEx oder Skype for Business im Arbeitsleben) entfällt, denn es wird mit den Arbeitsinstrumenten gelernt und so können, verbunden mit den fachlichen Zielen, auch weitere Skills erworben werden, zum Beispiel das Durchführen virtueller Arbeitsmeeetings. Obwohl dies vielleicht gar nicht zum Fachinhalt gehört, bei einem regulären (E-)Training nicht auf der Agenda stünde und, unserem „alten Denken“ folgend, ein gesondertes Training erfordern würde. Ähnlich verhält es sich zum Beispiel mit Social Networking, Social Collaboration oder Co Creation (Anforderungen an ein Arbeiten 4.0): jeder Fachinhalt lässt im communitybasierten Lernen diese Themen „on the flow“ erleben, in gegenseitiger Unterstützung verbessern und somit zur Selbstverständlichkeit im Lern- und Arbeitsalltag werden. Zwei Fliegen mit einer eLearning 4.0-Klappe sozusagen
  • Ade Statik – willkommen Agilität
    Wer Webbased Trainings oder Videotutorials beauftragt oder selbst erstellt hat, weiß um Aufwände und vor allem Kosten, die bei späteren Aktualisierungen dieser dann doch statisch gewordenen Inhalte zusätzlich ordentlich zu Buche schlagen können. Communitybasiertes Lerndesign, also unser eLearning 4.0, ist beileibe nicht kostenlos. Agile Zeiten fordern agile Anpassungen von Inhalten – dies ermöglicht ein communitybasiertes Lernen durch die direkte Verbindung zu aktuellem Wissen und Informationen im Unternehmen sowie der unmittelbare Netzwerkdraht zur Organisation. Hier eine Wikiseite zu aktualisieren, schlägt kaum zu Buche und bindet auch Teilnehmende eines Kurses in die Verbesserung der Fachinhalte aktiv ein.

Die genannten Punkte sind bei weitem nicht die einzigen, die einen partiellen Abschied vom Denken in Kategorien hin zu einem Denken in communitybasiertem eLearning befürworten. Wir könnten auch von einer Verknüpfung der entsprechenden Kategorien in einem „Kurs“ sprechen:

eLearning 4.0 in einem Kurs…

  • ist Social und Workplace Learning in der Community,
  • ist cloudbasiert, da die Unternehmen sich dorthin bewegen,
  • erfordert und fördert Kollaboration und Co-Creation
  • bereitet Fachwissen mit den Methoden Storytelling, Gamification, Microlearning, Simulation, zeitgemäße Visualisierung, Video usw. auf und stellt diese, sofern möglich, mobil zur Verfügung (viele Mitarbeitende können via SmartPhone auf ihr ESN zugreifen, so dass Zusatzaufwände oftmals vermieden werden),
  • nutzt die am Arbeitsplatz vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten wie Skype for Business,
  • lässt die Selbstorganisation der Teilnehmenden zu und kann daher auf ein Trainieren verzichten,
  • und sichert Qualität und Nachhaltigkeit durch crowdbasiertes Design.

All das kann eLearning heute schon sein – mehr Begriffe benötigen wir eigentlich nicht.


Die Autorin

Ellen Trude

Von Haus aus ist Ellen Trude Pädagogin mit 2. Staatsexamen für das Lehramt der Sekundarstufe I. Mit Examensabschluss einher ging ein Einstellungsstop für Lehrer/-innen, so dass sie sich nach Alternativen zum Schuldienst umschauen musste und erst freiberuflich, dann festangestellt im Bildungswesen der Bayer AG arbeitete.


Kontakt

Ellen Trude

Open Thinking

Tel.: +49 (0) 24 45 / 85 19 826

ellen.trude@openthinking.de
www.openthinking.de