Neue Lehrmethoden für die Veterinärmedizin
Fallbasiert, interdisziplinär und praxisnah

v.l. Jeelka Reinhardt, Stephan Birk & Claudia Hautzinger (Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin), Frank Siepmann (eLearning Journal), Veronica Duckwitz & Prof. Dr. Marcus Doherr (Institut für Epidemiologie und Biometrie im Fachbereich Veterinärmedizin) und Prof. Dr. Nicolas Apostolopoulos (Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin)

Zu den Schwerpunkten eines Studiums gehört die umfassende Bildung über Grundlagen, Theorie und Fachwissen. Damit die Studierenden jedoch gut auf ihren zukünftigen Arbeitsalltag vorbereitet sind, ist es wichtig, eine praxisnahe Lehre zu fördern.

Zur Approbation als Tierärztin oder -arzt müssen die Studierenden eine Querschnittslehre im Umfang von knapp 200 Stunden absolvieren. Bisher geschieht dies in Form dreistündiger Präsenzveranstaltungen, welche eigenständig von den jeweiligen Fachgebieten organisiert und durchgeführt werden. Die bisher zum Teil fehlende Absprache der Fachgebiete untereinander führt vermehrt dazu, dass sich Inhalte doppeln oder wichtige Querschnittsthemen nur am Rande angeschnitten werden. Um dies zu vermeiden, hat es sich die Freie Universität Berlin zur Aufgabe gemacht, eine neue Lernmethode nach dem Blended Learning-Konzept zu entwickeln.

Lernbedarfe

Entstehen soll eine neue Querschnittslehre für die angehenden Tierärzte, welche sowohl fächerübergreifende Veranstaltungen als auch praxisrelevante Inhalte enthält. Die Lehrinhalte sollen dabei multimedial, beispielsweise in Form von Animationen, Videos und interaktiven Elementen, aufbereitet werden. Als solche sollen sie den Studierenden online über eine Lernplattform zur Verfügung stehen. Das neue Konzept soll das Lehren und Lernen zeitlich sowie räumlich flexibler gestalten und das selbstgesteuerte Lernen der Studierenden fördern. Um die Lehre zusätzlich stärker an der Praxis zu orientieren, sollen diese Lehrinhalte als eLearning-Fälle konzipiert werden, welche die Studierenden online von zuhause aus bearbeiten können. Wie die Lehrinhalte sollen auch die Fälle multimedial konzipiert werden mit Praxiseinblicken in Form von Videos, aufgezeichneten Lehrvorträgen und interaktiven Übungen. Die eLearning-Fälle werden zudem mit Präsenzveranstaltungen verknüpft und im Blended Learning-Format angeboten.

Projektverlauf

Mitarbeiter aus dem Fachbereich Veterinärmedizin sowie des Centers für Digitale Systeme, darunter Professoren, approbierte Tierärzte und eLearning-Berater, haben sich der Aufgabe in einem Projektteam angenommen. Um die Inhalte der Fälle interdisziplinär zu gestalten, war es notwendig, die einzelnen Fachgebiete möglichst früh zusammenzubringen. Auf diese Weise kann ein Fall immer aus mehreren Perspektiven betrachtet werden. Für die Konzeption der Inhalte wurden in Workshops Ideen gesammelt und der weitere Entstehungsprozess besprochen. Über ein Wiki wird den Beteiligten darüber hinaus ermöglicht, Informationen auszutauschen und Termine zu koordinieren. Zusätzlich steht jedem ein Zugang zum verwendeten Authoring-Tool zur Verfügung. Schritt für Schritt wurden dann die ersten eLearning-Fälle eingeführt. Eine wissenschaftliche Evaluation begleitet das Projekt von Anfang an, um die Akzeptanz des neuen Lernformats und das Erreichen der Lernziele zu überprüfen. Erste Ergebnisse belegen, dass das Blended Learning-Konzept bei den Studierenden sehr große Zustimmung erfährt und sich positiv auf die Lernmotivation auswirkt.

Projektergebnis

Als Resultat kann die Freie Universität Berlin ihren Studierenden der Veterinärmedizin mit QuerVet eine neue Querschnittslehre anbieten, die sich an modernen Lernmethoden orientiert und besonders den didaktischen Medieneinsatz befürwortet. Die angehenden Tierärzte können hier fortan mit Videos von Lehrvorträgen und aus der Praxis, wie beispielsweise aus dem Operationssaal, interaktiven Elementen und Übungen fallbasiert lernen – mit virtuellen Patienten und Fällen aus dem öffentlichen Veterinärwesen in der virtuellen Berufs-Praxis. Die Online-Fälle bieten dabei zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten. Der Lernende erhält zunächst einen Einstieg in den jeweiligen Fall, beispielsweise in Form eines Gesprächs zwischen Tierarzt und Tierbesitzer. Als nächstes liegt es an ihm zu entscheiden, was zu tun ist. Er muss entscheiden, welche Untersuchungen vorzunehmen sind und muss zum Beispiel eine Ultraschalluntersuchung durchführen. In Form von Notizen stellen die Studierenden währenddessen Verdachtsdiagnosen auf. Beim Lösen der Fälle helfen zusätzliche Übungen und Expertentipps. Da die Fälle realitätsnah gestaltet sind, werden die Studierenden auf diese Weise besser auf das spätere Berufsleben als Tierarzt in der Praxis oder auf dem Veterinäramt vorbereitet. Doch nicht nur die Praxis, auch die Theorie wird den Studierenden auf diese Weise nähergebracht. So liegen auch wissenschaftliche Inhalte multimedial aufbereitet vor – vom szenischen Film mit Schauspielern bis hin zu interaktiven Übungen.

Sowohl eine Verknüpfung der Fachgebiete als auch die Gewährleistung von Authentizität in den Fällen ist gelungen. Auch außerfachliche Kompetenzen aus Bereichen wie Kommunikation, Wirtschaft und Wissenschaft sind in den eLearning-Fällen verankert. So wird die ganzheitliche Betrachtung eines Falles ermöglicht. Durch die zusätzliche Unterstützung des Lernprozesses in Form von Präsenzveranstaltungen werden die Studierenden noch stärker gefördert. Sowohl Dozenten als auch Studenten wird so mehr Flexibilität in der Lehre und dem Lernen geboten.

Fazit

Als Studierender mit praxisnahen Fällen im Studium konfrontiert zu werden und somit wie ein Tierarzt agieren zu können, stellt eine gute Vorbereitung auf ihr zukünftiges Berufsleben dar. Gleichzeitig werden den Studierenden mit Spaß wissenschaftliche Lehrinhalte vermittelt. Dies erhöht die Motivation der Lernenden. Sie haben die Möglichkeit, online selbstgesteuert zu lernen und zeitgleich ihre Wissenslücken mit Hilfe der Dozenten in Präsenzveranstaltungen zu füllen. Der Studierende ist darüber hinaus in Beispielfällen gefordert, sein bereits vorhandenes Wissen mit neuem zu verknüpfen und den Transfer für die Lösung des Falls herzustellen.

Da den Studierenden auf diese Weise sowohl selbstgesteuertes, praxisorientiertes Lernen als auch die Betreuung durch Dozenten in der Präsenzlehre geboten wird, ergibt sich ein Lehrmethodenmix, der die Studierenden umfangreich auf ihr späteres Berufsleben vorbereitet. Deshalb prämiert die Jury des eLearning Journals die Freie Universität Berlin mit dem eLearning AWARD 2018 in der Kategorie „Blended Learning“.


Vorgaben & Besonderheiten

Vorgaben:
Um den Studierenden der Veterinärmedizin ein besseres, praxisorientiertes und interdisziplinäres Lernerlebnis zu ermöglichen, sollte ein neues Blended Learning-Konzept für die Querschnittslehre entwickelt werden, an dessen inhaltlichen Gestaltung alle Fachgebiete involviert sind und gemeinsam Fälle konzipieren, welche die Studierenden bestmöglich auf den beruflichen Alltag vorbereiten.

Besonderheiten:
Auf der Online-Plattform können die Studierenden den Alltag in der Tierarztpraxis realistisch nachspielen – vom Patientengespräch, über die Untersuchung bis hin zur Diagnose. Unterstützt werden sie dabei durch Übungen und Expertentipps. Durch die enge Zusammenarbeit der Fachgebiete sind nicht nur die Inhalte verknüpft, auch die ganzheitliche Betrachtung eines Beispielfalles wird ermöglicht.


Projektpartner

Freie Universität Berlin

Prof. Dr. Nicolas Apostolopoulos
Leiter Center für Digitale Systeme

Freie Universität Berlin
Center für Digitale Systeme (CeDiS)
E-Learning, E-Research, Multimedia
Ihnestraße 24, D-14195 Berlin
nicolas.apostolopoulos@cedis.fu-berlin.de
www.cedis.fu-berlin.de

 

 

Homepage: www.vetmed.fu-berlin.de/e-learning/quervet
Facebook:
www.facebook.com/Quervet-280118335805496/
Kontakt:
quervet@vetmed.fu-berlin.de


Projektteam (CeDiS – Center für Digitale Systeme und Fachbereich Veterinärmedizin) und Hund Emma

Danksagung: Ein großer Dank gilt Frau Dr. vet. med. Caroline Deiner (Berlin), die einen maßgeblichen Anteil an der konzeptionellen Entwicklung der Projektidee und Erstellung des Projektantrages hatte.